Präsenzveranstaltung zum Modul 3b

Thema:
Mehr als *nur* Mittelwerte – Einführung in die Nutzung von Variabilität beim Theoretisieren in der Allgemeinen Psychologie
Zielgruppe:
B.Sc. Psychologie: Modul 3b;
Ort:
Hamburg
Adresse:
Campus Hamburg
Termin:
07.02.2025
Zeitraum:
10:00 - 18:00 Uhr
Leitung:
Dr. Christoph Naefgen
Anmeldung:
Moodle

Inhalt:

Empirische Untersuchungen sind Teil des Rückgrats der Psychologie. Die Versuchsdesigns und Analysen der Ergebnisse fokussieren sich hierbei häufig auf die Schätzung von Populationsmittelwerten. Populationsmittelwerte und ihre Unterschiede zu schätzen ist gut und nützlich um ein breit gefächertes Spektrum an Fragen beantworten zu können, aber möglicherweise gehen relevante Informationen über die Variabilität innerhalb der Population in dieser Betrachtungsweise verloren. So wäre es z.B. denkbar, dass eine experimentelle Manipulation nur bei einem Teil der Population funktioniert, was bei einer Betrachtung von Mittelwerten allein sich in einem kleineren statistischen Effekt äußern könnte. Sagt aber eine Theorie voraus, dass die Manipulation bei *Allen* funktionieren sollte, so wäre diese Vorhersage mit diesem Werkzeug nicht überprüfbar.

Diese Problemstellung ist insbesondere relevant für die Allgemeine Psychologie. Die Allgemeine Psychologie beschäftigt sich damit, psychische Prozesse besser zu verstehen, die Menschen (all)gemein sind. Während in anderen Disziplinen teils der Fokus eher auf Unterschieden zwischen Menschen liegt, ist in der Allgemeinen Psychologie meist das Ziel besser zu verstehen, was uns (all)gemein ist: Also z.B. eher Prozesse des Lernens statt Unterschiede im Ausmaß von Lernen bei unterschiedlichen Menschen.

Versuchsdesigns und Auswertungsmethoden die die Variabilität sowohl innerhalb von Populationen als auch innerhalb von Personen berücksichtigen, werden in dieser Veranstaltung diskutiert und ihr Potenzial, weitere Erkenntnisse greifbar zu machen herausgeschärft werden. Die den Teilnehmenden bewussten Arten von Fragen die sinnvoll beantwortet werden können sollen erweitert werden.

Die Teilnahme an dieser Präsenzveranstaltung soll es ermöglichen, Variabilität auf allen Ebenen des wissenschaftlichen Arbeitens (vom Theoretisieren bis zur Datenmodellierung) einzubinden. Hierzu wird schrittweise ein theoretisches Modell entwickelt, Hypothesen abgeleitet, und die Testung dieser Hypothesen geübt.

Methoden:

Für die Teilnahme an diesem Online-Seminar ist es verpflichtend drei der vorgegebenen Veröffentlichungen (Guest & Martin, 2021, Haaf & Rouder, 2019, Naefgen & Gaschler, 2022, siehe Literaturliste) sowie ein Tutorial (wird zur Verfügung gestellt) zu lesen und eine stichpunktartige Ausarbeitung basierend auf den im Tutorial aufgeführten Schritte eine Woche vor dem Veranstaltungstermin an die Lehrperson zu schicken (veranschlagter Zeitaufwand für Studierende insg. 12-15 h). Die restliche Literatur ergänzt den Hintergrund der Veranstaltung und ist empfohlen, aber nicht verpflichtend. Die Veröffentlichungen beschäftigen sich mit:

  • Dem Mehrwert den das Formalisieren von Theorien mit dem Ziel der statistischen Modellierung mit sich bringt (Guest & Martin, 2021)
  • Einer möglichen abstrahierten Zuordnung von Datenmustern und theoretischen Kategorien unter Nutzung von Verteilungseigenschaften (Naefgen & Gaschler, 2022)
  • Einer Herangehensweise an Bayesianische Mehrebenenmodellierung, die es ermöglicht, die interindividuellen Unterschiede hinsichtlich der Größe und des Vorhandenseins allgemeinpsychologischer Effekte direkt-inferenzstatistisch zu überprüfen (Haaf & Rouder, 2019)

Die Aufgabe für die Ausarbeitung ist zweiteilig:

Zunächst sollen die Arbeitsschritte anhand des Tutorials an einem selbstgewählten inhaltlichen Thema (vorzugsweise aus der weiteren kognitiven/allgemeinen Psychologie) so weit möglich abgearbeitet werden. Erwartungsgemäß wird es hier individuell unterschiedliche Grenzen geben. Wo diese unter den Teilnehmenden liegen soll die Schwerpunktsetzung im Seminar informieren. Hierzu sollen zusätzlich zur stichpunktartigen Bearbeitung des Tutorials Fragen und Verständnisprobleme festgehalten werden.

Die Betonung wird hier weniger darauf liegen, dass der erste Versuch einer solchen Anwendung perfekt ist und viel mehr darauf, dass die Fähigkeit, die Passung von theoretischen Fragestellungen und Forschungsmethoden zu beurteilen trainiert wird.

Literatur:

Brose, A., de Roover, K., Ceulemans, E., & Kuppens, P. (2015). Older adults’ affective experiences across 100 days are less variable and less complex than younger adults’. Psychology and Aging, 30(1), 194–208. https://doi.org/10.1037/a0038690

Gotthardt, D., Naefgen, C., & Reinarz, A. (2024). From theorizing to testing: How to use variability in social cognition research. Manuscript submitted for publication.

Guest, O., & Martin, A. E. (2021). How Computational Modeling Can Force Theory Building in Psychological Science. Perspectives on Psychological Science, 16(4), 789–802. https://doi.org/10.1177/1745691620970585

Haaf, J. M., & Rouder, J. N. (2019). Some do and some don’t? Accounting for variability of individual difference structures. Psychonomic Bulletin & Review, 26(3), 772–789. https://doi.org/10.3758/s13423-018-1522-x

Hamaker, E. L. (2012). Why researchers should think “within-person”: A paradigmatic rationale. In M. R. Mehl (Ed.), Handbook of research methods for studying daily life , (pp (Vol. 676, pp. 43–61). Guilford Press, xxvii.

Naefgen, C., & Gaschler, R. (2022). Trade-off vs. Common factor-differentiating resource-based explanations from their alternative. Frontiers in Psychology, 13, 774938. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2022.774938

Ram, N., & Gerstorf, D. (2009). Time-structured and net intraindividual variability: Tools for examining the development of dynamic characteristics and processes. Psychology and Aging, 24(4), 778–791. https://doi.org/10.1037/a0017915

Rouder, J. N., & Haaf, J. M. (2019). A psychometrics of individual differences in experimental tasks. Psychonomic Bulletin & Review, 26(2), 452–467. https://doi.org/10.3758/s13423-018-1558-y

30.09.2024