CO2 ist noch nicht teuer genug

Eine groß angelegte Studie mit FernUni-Prof. Robert Schmidt zeigt Konsens unter Forscherinnen und Forschern: Die Preise für eine Tonne CO2 müssten deutlich höher sein als bisher.


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Trotz unterschiedlicher Preisempfehlungen herrscht Konsens: CO2 war bisher zu billig.

Die Bekämpfung des Klimawandels erfordert entschlossenes Handeln. Denn die Folgen eines ungebremsten Temperaturanstiegs wären verheerend. Steigende Temperaturen führen zu extremen Wetterereignissen wie Dürren, Überschwemmungen und Wirbelstürmen. Damit verbundene Ernteausfälle, Schäden an Infrastruktur und Gesundheitskrisen verschärfen die wirtschaftlichen Kosten und begünstigen weltweit soziale Ungleichheit. Eines der wirksamsten Instrumente, dieser Entwicklung entgegenzuwirken, ist, für ausgestoßenes Kohlendioxid (CO2) zu bezahlen. Wie wichtig eine solche CO2-Bepreisung über Ländergrenzen hinweg wäre, macht eine Studie deutlich, an der Prof. Dr. Robert Schmidt (Lehrstuhl für Mikroökonomik) mitgearbeitet hat. Die Ergebnisse wurden zuletzt im renommierten American Economic Journal (AEJ): Economic Policy veröffentlicht. Die Studie basiert auf einer weltweiten Befragung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die zum Thema CO2-Bepreisung geforscht und ihre Ergebnisse veröffentlicht haben. Sie sollten angeben, wie teuer eine Tonne CO2 aus ihrer Sicht sein muss, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Wie sich zeigt, besteht trotz sehr unterschiedlicher Preisempfehlungen ein Konsens über die Notwendigkeit und Wirkung von CO2-Preisen. Doch wie lassen sich diese Maßnahmen global durchsetzen, und welche Hürden gilt es dabei zu überwinden?

CO2-Preis erklärt

„Zunächst einmal ist die CO2-Bepreisung natürlich ein wirtschaftliches Instrument, das darauf abzielt, den Ausstoß von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen zu reduzieren“, erklärt Prof. Robert Schmidt. Die Grundidee dahinter ist einfach: Wer CO2 emittiert, soll dafür bezahlen, da diese Emissionen zum Klimawandel beitragen und langfristig hohe Kosten für Umwelt, Gesundheit und Gesellschaft verursachen. „Dies geschieht entweder durch eine CO2-Steuer, bei der ein fester Preis pro Tonne festgelegt wird, oder durch den Emissionshandel, bei dem Unternehmen Zertifikate kaufen müssen, die sie zum Ausstoß einer bestimmten Menge berechtigen.“ All diese Mechanismen machen fossile Energien teurer, schaffen Anreize für klimafreundliche Technologien und belohnen Unternehmen sowie Verbraucherinnen und Verbraucher, die ihren CO2-Ausstoß reduzieren.

Ein Konsens in der Vielfalt

Um herauszufinden, wie teuer eine Tonne CO2 genau sein muss, hat Prof. Schmidt zusammen mit Prof. Moritz Drupp (Universität Hamburg) und Prof. Frikk Nesje (University of Copenhagen) die bislang umfassendste Umfrage unter Expertinnen und Experten gestartet, die zu Kohlenstoffbepreisung publiziert haben. Schmidt und seine Mitautoren haben 2.106 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf der ganzen Welt angeschrieben. Von ihnen haben 445 geantwortet. Die Ergebnisse zeigen, dass die Empfehlungen für den Preis einer Tonne CO2 stark variieren – von null bis zu mehreren hundert US-Dollar. „Dennoch konnte eine gemeinsame Basis identifiziert werden. Und die liegt beispielsweise für das Jahr 2030 im Mittel bei 92 Dollar. Außerdem haben wir herausgefunden, dass deutlich mehr als 90 Prozent unserer Befragten CO2-Preise empfehlen, die höher sind als die, die aktuell politisch umgesetzt sind“, so Schmidt. Darüber hinaus unterstützt die Mehrheit der Befragten CO2-Preise, die schrittweise ansteigen – bis im Jahr 2050 im Mittel 224 Dollar erreicht sind. „Hierbei liegen 50 Prozent der Vorschläge für das Jahr 2050 zwischen 75 und 250 US-Dollar“, differenziert der FernUni-Forscher, der auch am Forschungsschwerpunkt „Energie, Umwelt & Nachhaltigkeit“ (E/U/N) der FernUniversität in Hagen beteiligt ist.

Prof. Dr. Robert Schmidt Foto: FernUniversität

„Die CO2-Bepreisung ist global gesehen auf dem Vormarsch. Es gibt immer mehr Länder, die Bepreisungsmechanismen implementieren.“

Prof. Dr. Robert Schmidt

Globale Herausforderungen ...

Weltweit einheitliche CO2-Preise gibt es bisher nicht. Dafür aber das EU-Emissionshandelssystem (EU ETS). Es ist das zentrale Instrument der Europäischen Union zur Reduktion von CO2-Emissionen. Dabei legt die EU eine jährliche Obergrenze für die Menge an Treibhausgasen fest, die von Unternehmen in bestimmten Sektoren ausgestoßen werden dürfen. Unternehmen erhalten Emissionszertifikate, die ihnen das Recht geben, eine vorab festgelegte Menge an Treibhausgasen auszustoßen. Betriebe, die ihre Emissionen senken, können ihre überschüssigen Zertifikate verkaufen. Unternehmen, die mehr Emissionen verursachen, müssen zusätzliche Zertifikate kaufen.

... und nationale Maßnahmen

Der Blick auf die Länder, die bereits Abgaben auf Kohlendioxid eingeführt haben, zeigt eine große Bandbreite. Während beispielsweise Spanien oder Lettland, die wie Deutschland am Europäischen Zertifikatehandel beteiligt sind, aktuell mit 60 Euro pro Tonne aufwarten, legen Schweden und die Schweiz die Latte mit über 100 Euro pro Tonne noch deutlich höher. In vielen anderen Ländern gibt es hingegen gar keine oder sehr viel geringere Preise für die Emissionen. Einheitliche CO2-Preise wären aus ökonomischer Sicht ideal, sind politisch aber kaum umsetzbar. Und Länder mit einer entsprechenden Abgabe sehen sich oft mit Wettbewerbsnachteilen konfrontiert, wenn andere Nationen nicht nachziehen. „Damit die Abgabe nicht zum Nachteil wird, wird ein Grenzausgleichsmechanismus von einer großen Mehrheit der Expertinnen und Experten als notwendig erachtet“, erklärt Schmidt. Der sogenannte Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) in der EU soll verhindern, dass Unternehmen ihre Produktion in Länder mit weniger strengen Klimavorgaben verlagern. „Das würde globale Emissionen nicht reduzieren, sondern lediglich verschieben“, ordnet Schmidt ein.

Fairer Wettbewerb

CBAM funktioniert, indem Importe bestimmter emissionsintensiver Produkte wie Stahl, Zement oder Dünger mit einer Abgabe belegt werden, die mit Zöllen vergleichbar ist. Dadurch werden heimische und importierte Produkte gleichermaßen belastet, was faire Wettbewerbsbedingungen schafft und Unternehmen weltweit zu klimafreundlicheren Produktionsmethoden motiviert. CBAM befindet sich noch in einer Übergangsphase und soll in der EU ab 2026 greifen. Der Mechanismus ist jedoch umstritten. Kritiker befürchten Handelsbarrieren und Nicht-EU-Länder mit wichtigen Ausfuhrgütern sehen die heimische Wirtschaft gefährdet. Trotz dieser Widerstände betont Schmidt: „Die CO2-Bepreisung ist global gesehen auf dem Vormarsch. Es gibt immer mehr Länder, die Bepreisungsmechanismen implementieren.“

Klimaclubs als pragmatischer Weg

Da ein globaler Konsens unrealistisch bleibt, könnten sogenannte Klimaclubs eine wichtige Rolle spielen. Diese Koalitionen von Staaten verpflichten sich zu einer Mindest-CO2-Bepreisung und koordinieren ihre Maßnahmen, einschließlich eines gemeinsamen Grenzausgleichs, wie bei einer „Koalition der Willigen“, in der man sich einander annähert. „Klimaclubs könnten eine positive Dynamik schaffen, die weitere Länder zum Beitritt motiviert.“ Schmidt plädiert daher für transparente und kooperative Ansätze, die auf gemeinsame Interessen abzielen. „Die CO2-Bepreisung ist ein kraftvolles Werkzeug im Kampf gegen den Klimawandel, doch ihre Umsetzung bleibt komplex.“ Klimaclubs könnten aus Sicht des Forschers eine vielversprechende Lösung sein, um globale Fortschritte zu erzielen. „Es liegt an den politischen Akteuren, mutige Entscheidungen zu treffen und die Gesellschaft auf diesem Weg mitzunehmen. Denn der Klimaschutz ist eine Aufgabe, die niemand allein bewältigen kann.“

Drupp, Moritz A., Frikk Nesje, and Robert C. Schmidt. 2024. "Pricing Carbon: Evidence from Expert Recommendations." American Economic Journal: Economic Policy, 16 (4): 68–99. DOI: 10.1257/pol.20220571
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American Economic Journal

Das American Economic Journal (AEJ): Economic Policy gehört zu den renommiertesten Fachzeitschriften in der Wirtschaftswissenschaft, da es hohe wissenschaftliche Standards setzt und innovative Forschungsergebnisse publiziert. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind zu Recht stolz auf eine Veröffentlichung, weil die Zeitschrift weltweit für ihre Mechanismen zur Qualitätssicherung bekannt ist, die nur die methodisch robustesten und theoretisch fundiertesten Beiträge akzeptieren. Dies verleiht den publizierten Arbeiten ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit und Reichweite in der akademischen Gemeinschaft. Zudem bietet das AEJ Zugang zu einem internationalen Publikum aus Forscherinnen und Forschern, was die Sichtbarkeit und den Einfluss der Arbeiten erheblich steigert.

 

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Sarah Müller | 19.12.2024