Die Schattenseite von KI-gesteuerten Werbeanzeigen
Eine Studie der FernUni zeigt, wie Künstliche Intelligenz in Suchmaschinenwerbung zur Gefahr für Unternehmen wird. Ein einfacher technischer Fehler reicht aus, um ihnen zu schaden.
In der heutigen digitalen Welt sind Suchmaschinen nicht nur ein Tor zu Informationen, sondern auch ein wichtiger Ort für Werbung. Wer regelmäßig googelt, kennt das Prinzip. Oben auf der Seite mit den Suchergebnissen stehen Einträge mit dem Hinweis „Gesponsert“, erst dann kommen die eigentlichen Sucheinträge. Um diese Anzeigen über den Suchergebnissen möglichst effektiv zu platzieren, setzen Unternehmen gerne auf automatisierte Prozesse, die von künstlicher Intelligenz (KI) gesteuert werden. Doch diese Technologie birgt erhebliche Risiken, wie eine aktuelle Studie der FernUniversität in Hagen zeigt. „Unsere Fallstudie deckt auf, wie ein kleines technisches Problem zu einem dramatischen Einbruch in der Werbeleistung führen kann“, sagt Dr. Carsten D. Schultz vom Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing, der maßgeblich an der Studie beteiligt war.
Suchmaschinen sind nicht unfehlbar
Wenn Unternehmen Anzeigen in Suchmaschinen schalten, misst der Suchmaschinenbetreiber – zum Beispiel Google –, ob die Anzeigen gut ankommen und was die Nutzenden danach auf der Unternehmenswebseite machen. Aufschluss darüber gibt die Konversion – eine wichtige Kennzahl im Online-Marketing. „Eine Konversion wird erfasst, wenn jemand mit einer Anzeige interagiert, zum Beispiel auf eine Textanzeige klickt und anschließend eine Aktion vornimmt“, erklärt Schultz. Das könne der Abschluss eines Onlinekaufs sein oder wenn ein Kunde die Chat-Funktion auf der Unternehmenswebseite nutzt, um eine Frage zu stellen.
Zur Publikation
Prof. Dr. Rainer Olbrich, Dr. Carsten D. Schultz und Dr. Christian Koch konnten den gemeinsamen Beitrag „Dark sides of artificial intelligence: The dangers of automated decision-making in search engine advertising“ innerhalb des Themenfelds der künstlichen Intelligenz im renommierten „Journal of the Association for Information Science and Technology“ platzieren. Die American Society for Information Science and Technology und das korrespondierende Journal sind führende Organe der Informationswissenschaft.
In der Untersuchung haben die Forscher mehrere Anzeigen untersucht, die auch einen technischen Fehler enthielten. Dieser Fehler verhinderte, dass die Daten über erfolgreiche Kundenkonversionen – also den Abschluss einer gewünschten Aktion nach dem Klick auf die Anzeige – korrekt an die Suchmaschine übermittelt wurden. „Da nur unvollständige Daten an die Suchmaschine gesendet wurden, war der KI-basierte Algorithmus nicht in der Lage, die tatsächliche Relevanz der Anzeigen richtig zu interpretieren und reagierte anders als erwartet“, erklärt Schultz.
„Der Algorithmus, der eigentlich für eine effiziente Platzierung der Anzeigen sorgen sollte, schlussfolgerte fälschlicherweise, dass die Anzeige weniger effektiv sei, weil scheinbar weniger Klicks zu Konversionen führten.“ Die Folge: Die Anzeigen wurden seltener geschaltet, was die Werbeleistung erheblich beeinträchtigte. Der Fehler hatte also gravierende Folgen für das werbetreibende Unternehmen. Schultz beschreibt diese Abwärtsspirale so: „Eine Anzeige, die eigentlich gut funktioniert und dann weniger ausgespielt wird, führt natürlich zu Umsatzeinbußen bei den betroffenen werbetreibenden Unternehmen.“ Noch dramatischer ist, dass dies zu langfristigen Einbußen aufgrund der Schlechterstellung des Unternehmens führte.
Selbstlernende KI mit Vorsicht genießen
Die FernUni-Studie zeigt somit erstmals, dass der Einsatz von selbstlernenden Algorithmen in der Suchmaschinenwerbung nicht ohne Risiken ist – insbesondere, wenn Daten fehlen oder fehlerhaft sind. „Die automatisierte Entscheidungsfindung, obwohl sie auf den ersten Blick vielversprechend erscheint, kann langfristig zu einem deutlichen Rückgang der Werbeleistung führen“, ordnet Schultz ein. „Wenn die Verfügbarkeit von Daten abnimmt, geraten die selbstlernenden Algorithmen ins Straucheln. Statt die Werbemaßnahmen zu optimieren, verschlechtern sie die Performance.“
Ferner verdeutlichen die Ergebnisse, dass die vermeintliche Intelligenz der Algorithmen ihre Grenzen hat. Gepaart mit der mangelnden Transparenz seitens der KI-Systemen eine gefährliche Mischung, der Unternehmen ausgeliefert sind. „Werbetreibende wissen oft gar nicht, welche Daten die Algorithmen verwenden und wie diese die Ergebnisse beeinflussen“, warnt der Forscher.
Unternehmen sensibilisieren
Die Forscher raten daher dazu, präventive Maßnahmen zu ergreifen, um die Risiken solcher algorithmischen Fehltritte zu minimieren. Unternehmen sollten sich der potenziellen Gefahren bewusst sein und darauf achten, ihre Werbestrategien nicht blind der KI zu überlassen. Nur so ließe sich verhindern, dass die Technologie, die eigentlich helfen soll, am Ende zum Problem wird. „Der Einsatz von KI in der Werbung bietet zweifellos viele Chancen“, fasst Schultz zusammen. Doch auch die intelligentesten Systeme seien nicht unfehlbar. „Wer auf automatisierte Lösungen setzt, sollte sich die potenziellen Risiken klarmachen und stets ein wachsames Auge auf die zugrundeliegenden Daten haben.“