Die Zukunft von Hochschulen? Ja, gerne!
Die 19. Jahrestagung der Gesellschaft für Hochschulforschung in Hagen war global, nachhaltig und inklusiv. Inhaltlich ging der Blick vor allem in eine Richtung: nach vorne.
Mehr Mut zur Utopie – dafür plädiert Prof. Dr. Eva Cendon, wenn sie über Zukunftshemen spricht. Die Wissenschaftlerin leitet das Lehrgebiet Erwachsenen- und Weiterbildung an der FernUniversität in Hagen. „Man sollte nicht nur die Gegenwart kritisieren, sondern einmal ganz frei imaginieren, was alles gehen würde. Wir müssen die Menschen dahin bringen, eigene Vorstellungen zu entwickeln“, erklärt die Professorin ihren konstruktiven Ansatz. „Ein Problem haben wir erst dann, wenn wir uns gar keine Zukunft mehr vorstellen können.“ Frischen Wind auf den Campus brachte jetzt die 19. Jahrestagung der Gesellschaft für Hochschulforschung (GfHf) – mit ihrem Thema „Die Zukunft der Hochschule: Global, nachhaltig und inklusiv“. Eva Cendon und ihr Team organisierten die Veranstaltung an der FernUniversität in enger Zusammenarbeit mit der südafrikanischen Bildungsforscherin Prof. Dr. Mpine Makoe. Ihre Hochschule, die University of South Africa (UNISA), war offizielle Kooperationspartnerin. Das Zentrum für Lernen und Innovation (ZLI) der FernUniversität brachte sein technisches Knowhow für die hybride Ausgestaltung der Tagung ein: Weite Teile der Tagung wurden den rund 240 Teilnehmenden hybrid und zweisprachig angeboten. „Insgesamt waren sicher 40 Menschen mit der Unterstützung und der Organisation während der Tagung beschäftigt – und das hat großartig funktioniert“, resümiert Cendon.
Freundschaftlicher Schulterschluss
Parallel zur intensiven Tagungsarbeit rückten UNISA und FernUniversität auch institutionell näher: Rektorin Prof. Ada Pellert und Vice-Chancellor Prof. Puleng LenkaBula unterzeichneten ein gemeinsames Memorandum of Understanding, das den Anspruch unterstreicht, künftig auf vielen Feldern der Hochschulentwicklung stärker zusammenzuarbeiten. Die Idee von Zugänglichkeit und Offenheit in der Bildung ist für beide Unis eine Erfolgsgeschichte. Das zeigt sich unter anderem an den beeindruckenden Studierendenzahlen: Im Wintersemester 2024/24 hatte die FernUni 70.861 Studierende und ist damit die größte staatliche Hochschule in Deutschland. An der UNISA studierten im selben Zeitraum sogar 381.317 Menschen. Die UNISA wiederum ist nicht nur die größte Universität Afrikas, sondern zugleich die älteste Fernuniversität der Welt. Die 1873 gegründete Hochschule stellte ihren Betrieb 1959 dezidiert auf Fernlehre ein. Somit war sie für die FernUniversität, die sich 1974 in Hagen aufbaute, vom ersten Moment an ein wichtiger Orientierungspunkt.
Keynotes blicken auf Forschung und Governance
Auch die beiden Keynotes der Konferenz boten Orientierung für die Hochschullandschaft – deutschlandweit wie international: Prof. Dr. Gerhard de Haan (Institut Futur, Freie Universität Berlin) ist seit über 30 Jahren Zukunftsforscher. In seinem Vortrag „Zukünfte als Mission der Hochschulen“ konkretisierte er „Zukünfte“ als vierte Mission neben Lehre, Forschung und Transfer. Er gewährte einen Blick in Methoden der Zukunftsforschung und machte damit nicht zuletzt auch Hoffnung darauf, mit evidenzbasierten Herangehensweisen näher an erwünschte Zukunftsszenarien heranzurücken. „Es hilft nicht, immer nur zu sagen: ‚Wir haben ja keine Glaskugel!‘“, fasst Cendon zusammen. „Welche Methodologien haben wir eigentlich konkret, um uns mit Zukunft auseinanderzusetzen?“ Live aus New York schaltete sich Prof. Daniella Tilbury mit der zweiten Keynote zur Konferenz zu. „Daniella Tilbury arbeitet seit Jahrzehnten mit der UNESCO zusammen. Daher konnte sie eine spannende Governance-Perspektive einbringen.“ Die Forscherin ist unter anderem am St. Catharine’s College der University of Cambridge tätig. Ihre Keynote hatte den Titel „Disrupting the Future: Higher Education and Change for Sustainability”. Ihr Plädoyer: Hochschulen sollen nicht nur den gesellschaftlichen Wandeln beschreiben sondern selbst Impulsgeberinnen für Wandel sein.
Hybride Podiumsdiskussion vereint globale Perspektiven
International besetzt war auch die Panel-Discussion am finalen Konferenztag zu „globalen Perspektiven“. „Das war für mich ein großes Highlight“, zeigt sich Cendon begeistert – auch mit Blick darauf, dass gleich mehrere der Podiumsgäste einen UNESCO-Lehrstuhl innehatten. „Dadurch haben sich für viele von uns neue Räume aufgetan: Wie kann man als Forschende trotz aller Unsicherheit Position beziehen? Welche Rolle spielt Future Literacy dabei?“ Damit ist gemeint, sich mögliche Zukünfte vorstellen zu können, um die Gegenwart in einem neuen Licht zu betrachten.
Der Blick über Ländergrenzen zeigte eher Gemeinsamkeiten denn Unterschiede auf: „Wissenschaftsfeindlichkeit, Demokratiegefährdung, Klimawandel – die Probleme sind in vielen Ländern ganz ähnlich, auch, wenn wir sie teils unterschiedlich benennen.“ Im Umkehrschluss lassen sich viele Baustellen gemeinsam bewerkstelligen. Denn auch die Lösungsideen ähneln sich: zum Beispiel mehr politische Bildung und soziales Engagement, ein heißerer Draht in gesellschaftliche Teilbereiche oder ein Wissenstransfer, der dort weitermacht, wo traditionelle Forschungspublikationen längst niemanden mehr erreichen.
Generation mit starker Stimme
Eine Chance, die Gesellschaft positiv mitzugestalten, haben gerade auch jüngere Forschende, die sich noch in ihrer Qualifizierungsphase befinden. Deshalb wurde vor der Hauptkonferenz ein ganzer Tag von dieser akademischen Generation gestaltet. Eva Cendon und Mpine Makoe liegt das Thema Förderung sehr am Herzen: „Was bringt jüngere Forschende dazu, Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen?“ Schließlich hängt von den hochqualifizierten Akademiker:innen einiges ab – egal, ob sie im Unikosmos bleiben oder aber zum Beispiel in die Wirtschaft, Verwaltung oder Politik, wechseln. „Die jungen Forschenden waren sehr präsent auf unserer Tagung und haben Flagge gezeigt – das gibt Hoffnung!“
Dialog in alle Richtungen geglückt
Generell punktete die Tagung mit einem hohen Level an gegenseitiger Kommunikation und Durchmischung: „Das Dialogische hat sich durch die ganze Tagung gezogen und ist in alle Richtungen geglückt“, zieht Eva Cendon ihr Fazit. „International bei der Kooperation mit der UNISA, nach innen durch die tolle Zusammenarbeit verschiedener Bereiche der FernUni und natürlich auch inhaltlich!“ Hier bleibt vor allem eine Erkenntnis: „Wir müssen in der Forschung die Zukunftsfrage stellen.“ Viel hängt dabei von der ganz persönlichen Formulierung dieser Frage ab: „Welche Zukunft stelle ich mir eigentlich vor? Welche erscheint mir plausibel? Welche lässt sich berechnen? Und: Welche wünsche ich mir?“