Über Politik rappen und am Küchentisch sprechen

Im vollbesetzten Jugendtheater Lutz geht es um Jugend und Politik, Jugend in der Politik und Politik für die Jugend.


Foto: FernUniversität
Podium und Publikum reden beim Politischen Salon lebhaft miteinander.

Kinder und Jugendliche sind nicht politisch?! Von wegen: Bei der U-18-Bundestagswahl kam Die Linke mit 20,8 Prozent auf den ersten Platz, gefolgt von SPD und CDU/CSU. Das Publikum applaudiert.

Es ist ein lebhafter Diskussionsabend mit einem jungen, politisch engagierten Podium und vielen interessierten Menschen im Publikum, die erfreulich schnell miteinander ins Gespräch kommen: über ihre Wünsche, ihr politisches Engagement und auch über ihre Ängste. Das Format dazu hat der Politische Salon Hagen, den die FernUniversität gemeinsam mit dem Theater Hagen und dem Schumacher Museum organisiert.

„Lichter der Großstadt“ rappen gegen Rassismus

Bevor es wissenschaftlich wird, hat „Lichter der Großstadt“ – ein Jugend- und Musikprojekt aus Hagen – die Bühne für sich. Fast alle in der Gruppe haben eine Zuwanderungsgeschichte, rappen und tanzen gegen Rassismus und für Vielfalt. Jede Liedzeile ist ein Statement.

Auf dem Podium sitzt Aya Alali, Mitglied von Lichter der Großstadt. „Ich bin 2017 mit meinen Eltern aus Syrien geflohen. Das hat mich beeinflusst, jetzt Politikwissenschaft zu studieren.“ Einfach war ihr Weg nicht, aber sie hat offenkundig Vertrauen in Staat und Demokratie gefasst. Damit steht die junge Hagenerin beispielhaft für einen Trend, den die 19. Shell Jugendstudie zeichnet.

Jugendliche zwischen Verdrossenheit und Vielfalt

Das Interesse von Jugendlichen zwischen 12 und 25 Jah­ren an Politik ist von 2006 bis 2024 deutlich gestiegen: von 36 auf 51 Prozent. Was die Studie, die als Diskussionsgrundlage für den Politischen Salon dient, noch hervorbringt: Sorgen und Ängste über Politik, Gesellschaft und Umwelt nehmen zu, die befragten Jugendlichen sehen Probleme und Handlungsbedarf. Viele sind für populistische Positionen empfänglich. Aber sie haben insgesamt Zukunftsvertrauen und blicken positiv auf die Möglichkei­ten, die ihnen von Staat und Gesellschaft geboten werden. Dagegen ist das Vertrauen in Parteien, Gewerkschaften und Kirchen eher gering.

„Das Parteien-System ist gescheitert“, meldet sich sogleich eine Stimme aus dem Publikum dazu. Andere halten dagegen – vor allem eine junge Schülerin aus Hagen. Sozialdemokratisch von ihrem Großvater sozialisiert engagiert sie sich inzwischen parteipolitisch. „Ich finde Gehör“, versichert sie, „auch wenn der erste Schritt schwierig war.“
Die fehlende Ansprache von Jugendlichen durch Parteien wird diskutiert. „Man muss junge Menschen aktiv einladen mitzumachen. Das Gefühl, etwas verändern zu können, ist essenziell dafür, sich zu engagieren und teilzunehmen“, mischt sich Dr. Sarina Schäfer ein. Sie ist Sozialpsychologin an der FernUniversität und hat mitgearbeitet an der Studie „Hagener Denklabor für die Zukunft“, die knapp 300 14- bis 24-Jährige befragt hat.

Teilhabe braucht Zeit, Geld und Orte

„Junge Menschen in Hagen haben tolle Ideen und Verbesserungsvorschläge, aber keine Ahnung, an wen sie sich damit wenden können“, zitiert Schäfer weitere Befunde der Studie. Das ist deutlich. Es braucht mehr und sichtbare Anlaufstellen für junge Menschen.

Ich wünsche mir, dass auch geflüchtete Menschen eingebunden werden, um ihr Interesse an Politik zu wecken.

Geflüchteter Jugendlicher

Genau dafür setzt sich Podiumsteilnehmerin Efsan Baran im Jugendrat Hagen ein. „Ich bin überredet worden, mich im Jugendrat zu beteiligen. Dann habe ich gemerkt, dass es Spaß macht“, erzählt sie. „Teilhabe ist ein Lernprozess, damit müssen wir früh anfangen. Es kostet Geld und braucht Personal“, wirft Gandhi Cahin ein, der das Projekt „Lichter der Großstadt“ leitet und seit 30 Jahren aktiv in der Jugendbildung ist. Und: „Erwachsene müssen Macht teilen wollen.“

…und jetzt?

An welchen Stellschrauben gilt es zu drehen? Wo und wie können Jugendliche besser eingebunden werden? Engagement ist nicht nur in Parteien möglich. In Hagen sind Jugendliche in Sportvereinen aktiv, im Naturschutz sowie in Kunst und Kultur. „Das sind auch wichtige Institutionen für das Zusammenleben, die aber immer wieder von Kürzungen betroffen sind“, warnt Wissenschaftlerin Schäfer eindringlich.

Ein Ex-Schulleiter aus dem Publikum bringt Schulen als Ort ein, um Kinder und Jugendliche an Demokratie, Mitbestimmung und Politik heranzuführen. „Schüler verbringen dort die meiste Zeit.“ Rechtswissenschaftlerin Dr. Anja Böning von der FernUniversität springt ihm bei. „Schulen haben den demokratischen Bildungsauftrag“, erinnert sie. Aber es ist nicht nur Aufgabe von Schulen. „Wir müssen am Küchentisch über Politik diskutieren“, mahnt die (sozial)politisch engagierte Schülerin im Saal.


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Anja Wetter | 14.03.2025