Gleichheit liegt in der Verantwortung aller

Was braucht es für ein chancengerechtes und positives Arbeitsklima? Um Fragen wie diese drehte sich das internationale Symposium „Diversity & Inclusion at the Workplace“.


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Gemeinsam für mehr Vielfalt: die Forschenden beim Symposium „Diversity & Inclusion at the Workplace”

Eine inklusive und diverse Arbeitswelt ist wichtig. Gelingt es, die Atmosphäre fair, sicher und wertschätzend zu gestalten, profitieren alle. Um Inklusion und Diversität zu begünstigen, gibt es für Organisationen eine große Palette an Maßnahmen. Oft sind sie nicht einmal mit außerordentlichem Aufwand verbunden, können jedoch viel bewirken – zum Beispiel genderinklusive Sprache in Stellenanzeigen, öffentliche Statements zum Thema Diversität, gelebte Transparenz oder die gesicherte Teilhabe in Gremien. „Jede einzelne Person, die in einer Organisation arbeitet, trägt mit Verantwortung dafür, das Klima positiv zu gestalten“, betont Prof. Dr. Anette Rohmann von der FernUniversität in Hagen. „Deshalb ist es bei der Entwicklung auch so wichtig, alle mitzunehmen.“

Welche Maßnahmen am besten funktionieren, das interessiert die psychologische Forschung. Anette Rohmann und ihr Team vom Lehrgebiet Community Psychology richteten jetzt ein internationales Symposium zum Thema „Diversity & Inclusion at the Workplace” auf dem Hagener Campus aus. Das Symposium fand im Kontext der Gastprofessur für Gender und Queer Studies statt, die Prof. Dr. Jojanneke van der Toorn aktuell an der Fakultät für Psychologie inne hat.

Rundumblick in der Community

Wer arbeitet gerade an was? Wie verortet sich meine Forschung neben verwandten Projekten? Wer kann mir bei meinem Projekt weiterhelfen? Antworten auf Fragen wie diese fanden die Teilnehmenden während verschiedener Vortragssessions. „Gleichzeitig gab es Raum für offene Diskussionen, in denen es um die Anwendung unserer wissenschaftlichen Erkenntnisse in unterschiedlichen Kontexten ging“, erklärt Rohmann. „Uns interessiert natürlich auch die Umsetzung in der Praxis.“ Zugleich identifizierten die Teilnehmenden, wo es noch Leerstellen in der aktuellen Forschung gibt – auch, um diese gegebenenfalls im Team schließen zu können. „Wir planen aktuell auch gemeinsame Projekte“, unterstreicht Rohmann.

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Anette Rohman (li.) freut sich über das gute Teamwork mit Gastprofessorin Jojanneke van der Toorn.

Verzweigte Wege, gemeinsame Richtung

Viele angeregte Gespräche während der Sessions und in den Pausen zeigten: Der kooperative Ansatz kam gut an. „Es ist schön zu sehen, dass die Teilnehmenden ähnliche Forschung betreiben, aber aus jeweils anderen Perspektiven und mit anderen Ansätzen“, sagt etwa Chenhao Zhou von der niederländischen Utrecht University. In der Vernetzung liegt gerade auch für jüngere Forschende eine große Chance – zum Beispiel für Marina Orifici vom Lehrgebiet Behavioral Economics und Interkulturelle Psychologie der FernUniversität: „Ich forsche zu Geschlechtergleichstellung.“ Ein Thema, das gleich mehrere der Teilnehmenden bearbeiten. „Deshalb hat das für mich super gepasst.“ In der Psychologie ist Teamwork längst der Regelfall; häufig ziehen Wissenschaftler:innen verschiedener Unis an einem Strang, um aufwändige Studien umzusetzen.

Mai Grundmann arbeitet im Forschungszentrum CATALPA der FernUniversität, in dem es um das Lernen der Zukunft geht. „Wir bei CATALPA forschen an technologiebasierten Lösungen für mehr Inklusion.“ Die Themen der Tagung spielen dabei eine große Rolle, weswegen sich Grundmann sehr über den Dialog freut: „Es geht für uns darum, etwas über die dahinterliegende Psychologie herauszufinden.“ Einige der Teilnehmenden hatten sich bereits bei einem ähnlichen Symposium in Leiden kennengelernt. Die Veranstaltung in Hagen war eine willkommene Fortsetzung des Austauschs. „Wir arbeiten alle an sehr ähnlichen Themen – und es ist schön, die Stränge in Hagen wieder zusammenzuführen“, bringt es Kshitij Mor (Utrecht) auf den Punkt.

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Eine heteronorme Sichtweise sorgt häufig dafür, dass bestimmte Gruppen diskriminiert werden – das muss nicht einmal absichtsvoll passieren, wie Jojanneke van der Toorn darlegt.

Neue Gender-Gastprofessur

Während des Symposiums gab Prof. Dr. Jojanneke van der Toorn mit ihrer Keynote einen Überblick über ihre aktuelle Forschung. Die Forscherin von der Universität Utrecht hat in diesem Semester eine Gastprofessur für Gender- und Queer Studies an der Fakultät für Psychologie inne. „In meiner Keynote habe ich über die Hindernisse gesprochen, mit denen Mitarbeitende konfrontiert sind, die im Arbeitsumfeld von der Norm abweichen. Wie kann man diese überwinden?“, fasst die Psychologin zusammen, deren Forschungsschwerpunkt vor allem auf LGBTQ+ in der Arbeitswelt liegt. „Der Dialog ist dabei entscheidend – sowohl, um unsere unausgesprochenen Annahmen und Erwartungen über Professionalität zu hinterfragen, als auch, um die Stimmen traditionell benachteiligter Gruppen am Arbeitsplatz einzubeziehen.“

In diesem Sinne ist ihr auch ein besonderes Anliegen, Wissenschaft und Gesellschaft miteinander ins Gespräch zu bringen. So war sie zum Beispiel an der Entwicklung eines eigenen Inklusionsmonitors für die Niederlande beteiligt, der den Status Quo in Organisationen bewertet und gezielte Verbesserungsvorschläge anbietet. Ihr Knowhow bringt sie jetzt für ein Semester in die Forschung und Lehre der FernUniversität ein. „Während des Symposiums herrschte eine dynamische und kollegiale Atmosphäre. Der intensive Austausch bietet eine sehr gute Basis für die weitere Zusammenarbeit während meiner Gastprofessur.“ resümiert van der Toorn.

Forschung an Lehrgebiet und Fakultät

Anette Rohmann selbst ist an einer ganzen Reihe von Projekten beteiligt. So forscht sie im Verbund mit Kolleg:innen zum Beispiel zu genderinklusiver Sprache, universitären Diversity-Statements, Hatespeech oder sogenannten „Identity Safety Cues“ – Umgebungsmerkmalen, die Mitgliedern einer stigmatisierten Gruppe Sicherheit und Wertschätzung signalisieren. Aus Sicht von Rohmann haben oft auch auf den ersten Blick einfache Signale ein großes Potenzial, weil sie eine allgemeine und selbstverständliche Awareness nahelegen: „All-Gender-Toiletten, die auch im Neubau Psychologie der FernUniversität zu finden sind, geben zum Beispiel nicht nur Mitgliedern einer Gruppe Sicherheit, sondern sagen auch anderen Minoritäten, dass sie sich in diesem Arbeitsumfeld wohlfühlen können.“

Die Fakultät für Psychologie stärkt die Forschung in diese Richtung und bündelt sie im Schwerpunkt „Psychologie, Diversität und sozialer Zusammenhalt“. Auch studentische Beiträge sind an der Fakultät willkommen. Jährlich werden Abschlussarbeiten zum Thema Chancengerechtigkeit prämiert. So polemisch Diversität und Inklusion oft in der Öffentlichkeit diskutiert werden, so sehr liegt es Anette Rohmann am Herzen, nach vorne zu blicken: „Man sollte auch positiv aufzeigen, was es bereits gibt und gemeinsam überlegen, wo und wie das Klima in einer Organisation hin zu mehr gelebter Diversität und Inklusion weiterentwickelt werden kann.“

 

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Benedikt Reuse | 10.01.2025