Chancengerechtigkeitspreis für exzellente Abschlussarbeiten

Stephanie Rosenstiel und Tsira Chonishvili schrieben 2023 hervorragende Arbeiten zu den Themen Gleichheit und Diversität. Dafür zeichnete sie die Fakultät für Psychologie aus.


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Wissenschaftlicher Einsatz für Chancengerechtigkeit (v.li.): Stephanie Rosenstiel und Tsira Chonishvili

Die Fakultät für Psychologie würdigte erneut zwei herausragende Abschlussarbeiten mit ihrem Chancengerechtigkeits-Preis. Das Preisgeld beträgt jeweils 500 Euro und stammt aus Fördermitteln der Gesellschaft der Freunde der FernUniversität. Stephanie Rosenstiel wurde für ihre Bachelorarbeit ausgezeichnet: Diskriminierungsformen – Menschen mit Übergewicht im Gesundheitswesen: Ein systematisches Review zu Antidiskriminierungsmaßnahmen. „Die Psychologie kann und sollte durch Erkenntnisgewinn, zum Beispiel über soziale Diskriminierung, Vorurteile und Stereotype, zu einer Sensibilisierung für solche Themen beitragen“, bekräftigt die FernUni-Studentin den Gedanken hinter dem Preis. Die Wissenschaft habe zudem das Potential, Maßnahmen, die Gleichheit und Diversität fördern, konstruktiv zu begleiten. In ihrer Abschlussarbeit untersuchte Rosenstiel, wie das Gesundheitswesen mit Menschen mit Übergewicht umgeht. Oft werden sie benachteiligt – vorhandene Interventionen erscheinen aber nicht immer wirksam. Wie lässt sich die Qualität der medizinischen Versorgung steigern?

  • Hintergrund: Aufgrund der weiten Verbreitung von Diskriminierung und Stigmatisierung von Patient*innen mit Übergewicht und Adipositas im Gesundheitswesen sind evidenzbasierte Antidiskriminierungsmaßnahmen dringend notwendig. Diese Arbeit analysierte im Rahmen eines systematischen Reviews theoretische Ansätze, Methodik und Inhalte sowie die Wirksamkeit vorhandener Interventionen.

    Methodik: Mit einer Kombination aus Schlagwörtern zu den übergeordneten Konzepten Diskriminierung, Übergewicht und Gesundheitswesen konnten 19 Interventionsstudien identifiziert werden. Diese untersuchten hauptsächlich die Wirkung der Maßnahmen auf explizite und implizite Gewichtsvorurteile von Studierenden/Auszubildenden und medizinischem Fachpersonal. Nur jeweils zwei Studien untersuchten deren Verhalten bzw. die Perspektive der Patient*innen.

    Ergebnisse: Die meisten Maßnahmen wählten den Ansatz und die Methode Vermittlung von Information/Wissen oder Entwicklung von Empathie durch Onlineangebote, schriftliche Aufgaben, Videos oder einer Kombination von u.a. Vortrag, Diskussion, Fallbeispielen und Rollenspielen und vermittelten Inhalte zu Ätiologie und/oder Stigmatisierung und Konsequenzen. Obwohl einige Studien Veränderungen insbesondere bei expliziten Gewichtsvorurteilen beobachteten, zeigten sich nur unzureichende Belege dafür, welcher Ansatz mit welcher Methode und welchen Inhalten erfolgreich war.

    Diskussion: Zukünftige Interventionen sollten vor allem in der Ausbildung ansetzen, praktische Erfahrungen enthalten und strukturelle Diskriminierung berücksichtigen. Somit könnte medizinisches Fachpersonal besser für zukünftige Tätigkeiten vorbereitet und die Qualität der medizinischen Versorgung für die Patient*innen verbessert werden.

Freude über Wertschätzung

„Ich habe mich sehr über die Prämierung gefreut und darüber, dass die inhaltlichen Überlegungen, die Zeit und Mühe, die in meiner Abschlussarbeit stecken, auf diese Weise gewürdigt wurden“, sagt die 35-Jährige. Typisch für FernUni-Studierende steht Rosenstiel mitten im Leben, hat eine einjährige Tochter und ist als Sportwissenschaftlerin an der Eberhard Karls Universität Tübingen tätig. Ihre berufliche Erfahrung aus der Wissenschaft hilft ihr auch in ihrem Bachelorstudium an der FernUni weiter.

Fürs Fernstudium entschied sie sich früh, schrieb sich bereits ein, als sie noch in Präsenz Sportwissenschaft und Gesundheitsförderung studierte. „Schon damals habe ich sport- und gesundheitspsychologische Themen besonders spannend gefunden und wollte mein psychologisches Wissen weiter vertiefen.“ Für die Nachwuchsforscherin geht die Fächerkombination perfekt auf: Inhaltliche und methodische Erkenntnisse aus ihrer Hagener Bachelorarbeit brachten sie auch in ihrem aktuellen Projekt in Tübingen voran.

Kulturelle Vielfalt im Blick

Einen Preis für ihre Masterarbeit erhielt Tsira Chonishvili – das Thema: Sprache und Zugehörigkeit: Die Perspektive von Migrant:innen. Um Diversität und kulturelle Vielfalt ging es schon in ihrem ersten Einführungsmodul an der FernUni. „Diese Lektüre hat mich durch das ganze Studium geprägt, indem sie mir mehrere Fragen beantwortet und mein Interesse geweckt hat“, erinnert sich Chonishvili. Das Fernstudium brachte der gebürtigen Georgierin viele persönliche Einsichten. Auch anderen in der Gesellschaft kann dieses Wissen weiterhelfen – davon ist sie überzeugt: „So kann die Psychologie zur Förderung der Gleichheit und Diversität beitragen. Sie generiert Wissen, beschreibt und erklärt das Verhalten, erarbeitet Lösungen.“ Mit ihrer Abschlussarbeit blickte Chonishvili auf das Thema Inklusion und fragte danach, welche Rolle die Sprache für Menschen spielt, die neu in Deutschland ankommen und sich hier einleben möchten.

  • Angesichts der derzeitigen Fluchtbewegung in Europa, den Globalisierungsfolgen und Migrationsbewegungen, die Deutschland in jüngster Vergangenheit erlebt hat, ist die Frage nach einer gelungenen Inklusion aktueller denn je. Die Arbeit ergründet Zugehörigkeitsgefühle von Zugewanderten und deren Perspektive auf die Sprache: Welche Rolle spielt die deutsche Sprache beim Ankommen und Einleben in Deutschland? Elf georgische Migrantinnen wurden anhand leitfadengestützter Interviews befragt und die Transkripte mittels einer inhaltlich strukturierenden qualitativen Analyse ausgewertet.

    Der Fokus lag dabei sowohl auf der im Aufnahmeland verbrachten Zeit als auch auf der Perspektive der Mehrheitsgesellschaft: Gehen die über die Zeit verbesserten Sprachkenntnisse auch mit gesteigerten Zugehörigkeitsgefühlen einher und wie werden diese Veränderungen in der Zugehörigkeit wahrgenommen? Werden die Zugewanderten seitens der Mehrheitsgesellschaft mehr oder weniger zugehörig wahrgenommen, je nachdem wie sie Deutsch beherrschen und sprechen?

    Die Ergebnisse zeichnen gelungene Inklusionsbeispiele der georgischen Zugewanderten, wobei die Rolle der Sprache als Selbstermächtigung zur Teilhabe und zum Erlenen der neuen Kultur besonders herausgehoben wurde. Die wahrgenommene Perspektive der Mehrheitsgesellschaft lieferte Hinweise darauf, dass das Niveau der gesprochenen Sprache ausschlaggebend dafür ist, wie die Einheimischen den Zugewanderten gegenübertreten. Einschränkungen und Übertragbarkeit der Befunde dieser Minorität in Deutschland werden diskutiert.

Von Interesse leiten lassen

„Ich bin ein großer Fan der FernUni und vom Fernstudium überhaupt“, sagt Chonishvili. Zuvor studierte sie Online-Redaktion an der Fachhochschule Köln und einige Semester Sprach- und Kommunikationswissenschaften an der Technischen Universität Berlin. „Der berufliche Start war schwierig“, bekennt sie; ihr fehlte die Freiheit im Job. Als Nicht-Muttersprachlerin fühlte sie sich eingeengt. „Irgendwann habe ich mich zum Glück von meinem Interesse leiten lassen und habe mit dem Psychologiestudium an der FernUni angefangen. Das war sofort meins!“ Chonishvili arbeitete parallel zum Studium, fand ihre berufliche Heimat im sozialen Bereich. Ihre Biografie ist für die FernUniversität charakteristisch: „Ich bin verheiratet, habe eine dreieinhalbjährige Tochter, die ich bikulturell und bilingual großziehe.“ Mit ihrer Familie wohnt die gebürtige Georgierin in Berlin. „Mit 20 Jahren habe ich mich selbst dazu entschieden, meinen Lebensmittelpunkt in ein anderes Land zu verschieben und das war Deutschland.“

Flow-Momente im Fernstudium

„Der Preis ist eine unheimlich schöne Belohnung für meine Mühen“, freut sich Chonishvili, die Beruf, Masterarbeit und die Betreuung ihrer zweijährigen Tochter erfolgreich unter einen Hut gebracht hat. „Das Thema und das Einarbeiten in die qualitativen Methoden haben mich sehr angespornt und da war noch das Interesse, das für einige Flow-Momente gesorgt und mich durch diese anspruchsvolle Zeit geleitet hat.“ Ihrem Thema will sie treu bleiben während ihrer Arbeit in der psychosozialen Beratung. „Gerade dort kann ich die Themen gut integrieren und hoffentlich auch einiges bewirken.“

 

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Benedikt Reuse | 29.01.2024