Neue Expertin für Klinische Psychologie
Hannah Comteße ist Juniorprofessorin an der FernUni. Wichtig ist ihr ein starker Praxisbezug – auch weil sie sich mit alltagsrelevanten Themen wie Trauer und Verlust befasst.
Eine geliebte Person geht aus dem Leben – eine bittere Erfahrung, die wohl jeder Mensch irgendwann durchleidet. Ganz unterschiedlich jedoch kann die Reaktion auf solch ein Ereignis sein. „Was sind psychopathologische Folgen von Verlustereignissen? Wie können wir Betroffenen helfen?“, das möchte Hannah Comteße herausfinden. Ihre Forschung wird die Psychologin fortan in Hagen fortführen. Seit November ist sie Juniorprofessorin an der FernUniversität. Ihre Fachgebiete: Klinische und Gesundheitspsychologie. Dabei interessieren sie vor allem zwei Störungsbereiche: „Die posttraumatische Belastungsstörung ist eine Reaktion auf ein extrem bedrohliches Ereignis, wozu auch ein Todesfall gehören kann.“ Typisch hierfür sei ein Wiedererleben des Ereignisses und ein anhaltendes Bedrohungsgefühl. „Daneben gibt es die anhaltende Trauerstörung.“ In der Forschung sei das Phänomen zwar seit Jahrzehnten bekannt. „Man wollte diesen Prozess aber nie pathologisieren, weil wir nun einmal alle im Laufe unseres Lebens Verlust erleben“, erklärt Jun.-Prof. Dr. Comteße. Trauer gelte als normal. „Deshalb hat sich die Forschung sehr viel Zeit mit der Definition des Störungsbilds gelassen.“
Anhaltende Sehnsucht
Erst seit 2018 erkennt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Trauer, die scheinbar nicht enden will, als eigenständige Diagnose an. „Man hat einfach immer diese Sehnsucht nach der verstorbenen Person. Es hört nicht auf und man kann sich nicht auf ein Leben ohne diese Person einlassen“, beschreibt Comteße. Um Betroffenen helfen zu können, sammelt sie weitere Erkenntnisse. International gut vernetzt, forscht sie dort, wo das Problem besonders viele Menschen quält – arbeitete zum Beispiel schon oft mit Geflüchteten aus Kriegsgebieten. „Warum entsteht sowas? Wann ist es noch normale Trauer? Wann wird es zur Störung? Wie lässt sich intervenieren?“
Zwischen Wissenschaft und Praxis
Hannah Comteßes Werdegang ist von dieser zweifachen Leidenschaft geprägt: Ihre wissenschaftliche Neugierde trifft auf den Anspruch, Menschen zu helfen: „Es war schon immer mein Wunsch, Psychologie zu studieren – und mein Berufsziel war es eigentlich immer Psychotherapeutin zu werden.“ So studierte sie von 2007 bis 2013 an der Philipps-Universität Marburg und der University of Southern Queensland in Australien. Nach dem Studium blieb sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Marburger Uni und erwarb dort im Jahr 2016 ihren Doktor.
2017 wechselte sie als Postdoc an den Lehrstuhl für Klinische und Biologische Psychologie der KU Eichstätt-Ingolstadt. Dort kristallisierten sich ihre jetzigen Schwerpunkte noch weiter heraus. „Das war alles so spannend! Deshalb wollte ich in der Wissenschaft bleiben.“ Indem in dieser Zeit auch ihre Approbation zur Psychologischen Psychotherapeutin erfolgte, schaffte Comteße den Spagat: Sie arbeitete praktisch als Therapeutin in der Hochschulambulanz und forschte zugleich weiter: „Der Vorteil in meinem Bereich der Klinischen Psychologie ist, dass ich immer praktische Erfahrungen und Erkenntnisse in die Forschung einfließen lassen kann.“
Natur und Kultur
„In meiner Freizeit lese ich viel“, verrät Hannah Comteße. „Außerdem mache ich gerne längere Fahrradtouren. Zum Beispiel habe ich letztens hier in NRW das Bergische Land entdeckt.“ Sie liebt es, neue Länder kennenzulernen – auch, wenn sie ihre Reiseleidenschaft inzwischen aus ökologischen Gründen zügelt. „Stattdessen lese ich eben ein Buch mehr über andere Kulturen“, sagt sie. Mit ihrem Wissen zu helfen, ist ihr wichtig. Nach Möglichkeit möchte sie sich in der Psychologischen Beratung an der FernUniversität engagieren. Für ihre Juniorprofessur ist sie von Süddeutschland nach NRW gezogen.
Sichtweisen, die sich befruchten
An der FernUni möchte sie diese praxisnahe Sicht unbedingt beibehalten. „Die Psychologie lebt vom Feld und der Frage: Was passiert draußen in der Welt?“, betont Comteße. „Ich hatte das Glück, mit Patientinnen und Patienten in der Praxis zu arbeiten.“ Das soll auch den Studierenden zugutekommen: „Ich nutze auch in der Lehre sehr gerne echte Fallgeschichten.“ Die Vernetzung zwischen den Grundlagen- und Anwendungsfächern findet sie ebenso entscheidend.
Die Juniorprofessur ist als Tenure Track-Professur angelegt: Wenn alles nach Plan läuft, soll Hannah Comteße die Fakultät für Psychologie dauerhaft mit einem eigenen Lehrgebiet bereichern. Dadurch könnten klinische Inhalte im Studium auch langfristig mehr Gewicht erhalten – die genaue Ausformung steht aber noch nicht fest. „Wir müssen hier gute Verknüpfungen finden und werden zunächst einzelne Fächer um klinische Inhalte ergänzen.“
Lust auf bunt
Auf den Austausch mit den Studierenden freut sich Comteße sehr: „Was mich an der FernUni gereizt hat, ist die besonders diverse Studierendenschaft, die ich so bisher nicht als Lehrperson kenne.“ Die bunte Durchmischung erinnert die Psychologin an ihre eigene Studienzeit in Australien, in der sie ähnlich offene Seminare erlebt hat. „Auch dort war es zum Beispiel ganz normal, nebenberuflich und im mittleren Alter nochmal Psychologie zu studieren.“ Für Hannah Comteße ist das ein großer Vorteil: „Die unterschiedlichen Perspektiven haben die Diskussion in den Seminaren immer bereichert – an der FernUni wird das sicherlich genauso sein.“ Als Disziplin müsse sich die Psychologie in Deutschland ohnehin bemühen, diverser aufzutreten. „Und wenn das eine Uni schaffen kann, dann ist es die FernUni!“