Wie wichtig ist uns die Arbeitsatmosphäre?
FernUni-Forschende haben die erste repräsentative Studie in Deutschland zur Arbeitsatmosphäre veröffentlicht. Das Ergebnis zeigt auf, warum sie so wichtig für Angestellte ist.
Wir möchten alle nicht mit Bauchschmerzen zur Arbeit gehen. Warum empfinden einige Angestellte dieses Gefühl? Oft liegt es an einer schlechten Arbeitsatmosphäre. Wertschätzung im Job, ein kollegiales und faires Miteinander sowie eine offene Kommunikation bilden das Fundament für eine gute Atmosphäre. Dabei geht es weniger um schöne Büros oder leckeres Essen in der Kantine, sondern um zwischenmenschliche Beziehungen und ein wertschätzendes Verhalten der Führungskraft.
FernUni-Forschende von dem Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbes. Organisation und Planung haben eine repräsentative Studie erarbeitet, um herauszufinden, wie wichtig die Angestellten in Deutschland das Thema bewerten. PD Dr. Christian Julmi, Anna Eifert, Jakob Dammert und Sebastian Wittwer veröffentlichen die Studie im Arbeitsatmosphären-Report 2024. Finanziert wurde ihr Projekt durch Forschungsfördermittel der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft im Rahmen der Dezentralen Forschungsförderung.
Repräsentative Studie mit 1.000 Teilnehmenden
„Wir haben einen Fragebogen entwickelt und über 1.000 Angestellte in Deutschland befragt, damit die Studie repräsentativ ist“, sagt Sebastian Wittwer. Dabei war die Nationalität nicht entscheidend, es wurden in Deutschland beschäftigte Angestellte befragt. „In meiner Dissertation befasse ich mich mit typischen Atmosphären in Organisationen. Bereits die Auseinandersetzung mit der diesbezüglichen Literatur hat dabei gezeigt, wie wichtig Atmosphären für unseren Arbeitsalltag sind. Daher waren wir im Team sehr motiviert, die Studie zu erheben und die Arbeitsatmosphäre zu untersuchen“, betont Anna Eifert.
Frauen bewerten Arbeitsatmosphäre am wichtigsten
Die Ergebnisse sind für die Forschenden überwältigend. „Die Arbeitsatmosphäre stellt den zweitwichtigsten Faktor bei der Wahl des Arbeitsgebers dar. Für Frauen ist sie sogar der Wichtigste“, berichten Eifert und Wittwer. Zwar bleibt das Gehalt der wichtigste Aspekt, doch es zeigt sich, dass Geld nicht mehr der alles entscheidende Grund ist. Sogar über ein Drittel der Befragten (38,3 %) sagten aus, dass sie auch nicht für ein besseres Gehalt in ein Team mit einer schlechten Arbeitsatmosphäre wechseln würden. Der Hauptunterschied zwischen Männern und Frauen beim Thema ist, dass eine gute Arbeitsatmosphäre Frauen am wichtigsten ist. Bei den Männern ist es immer noch das Gehalt, an zweiter Stelle die Führungskraft, danach folgt die Arbeitsatmosphäre. „Wir können festhalten, dass sowohl für Frauen als auch Männer und über alle Generationen hinweg die Arbeitsatmosphäre einen sehr hohen Stellenwert hat“, sagt Anna Eifert. Erschreckend ist jedoch, dass einige Befragte mit ihrer Arbeitsatmosphäre unzufrieden sind und insbesondere Frauen diese weitaus schlechter bewerten als Männer. Manchen Angestellten gehen zudem die Bemühungen ihrer Unternehmen zur Verbesserung der Arbeitsatmosphäre nicht weit genug.
Spielt Geld eine Rolle?
Die Forschenden fanden heraus, dass in nahezu allen Gehaltsklassen eine gute Atmosphäre wichtig ist. Bei einem Bruttogehalt bis 3.000 Euro ist sie sogar wichtiger als die Bezahlung. Auffällig ist, dass die Zufriedenheit mit der Arbeitsatmosphäre mit einem steigenden Gehalt tendenziell zunimmt. „Das könnte daran liegen, dass besser bezahlte Beschäftigte oft eine höhere Position in Unternehmen einnehmen und hierdurch mehr Autonomie und Einflussmöglichkeiten im Unternehmen haben und außerdem mehr Wertschätzung erfahren“, sagt die Wissenschaftlerin.
Unternehmen sollten das Thema ernst nehmen
Die FernUni-Forschenden rufen Unternehmen dazu auf, den Faktor Arbeitsatmosphäre nicht länger zu ignorieren. „Dafür gibt es vielfältige Gründe: In Zeiten des Fachkräftemangels ist es entscheidend, attraktive Arbeitsbedingungen zu schaffen, damit Unternehmen Beschäftigte gewinnen und halten können. Eine gute Arbeitsatmosphäre stärkt das Image“, sagt Eifert. „Unsere Forschung zeigt, wie hoch die Relevanz von weichen Faktoren ist und dass nicht nur harte Faktoren zählen. Vielmehr trägt eine positive Arbeitsatmosphäre dazu bei, dass Unternehmen erfolgreich agieren können.“ Sie möchten Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern das Thema aus einer wissenschaftlichen Perspektive näherbringen und mit negativen Vorurteilen wie „Wenn die Atmosphäre zu gut ist, arbeiten die Beschäftigten nicht mehr“ aufräumen. Denn in der Studie geben die Befragten an, dass eine gute Stimmung sich positiv auf ihre Zufriedenheit auswirkt und sie motivierter arbeiten.
Was bedeutet eine gute Atmosphäre?
Eine gute Arbeitsatmosphäre macht für sie aus, dass vor allem ihre Führungskraft und auch das Management im Unternehmen sie wertschätzend behandeln. Dazu gehört eine transparente Kommunikation. Wichtige Neuigkeiten sollten sich nicht durch den Flurfunk verbreiten. Zu einer positiven Stimmung trägt Zusammenhalt unter den Kolleginnen und Kollegen bei. „Selbst eine Person, ob ein neues Teammitglied oder ein neuer Vorgesetzter, können eine Atmosphäre direkt positiv wie negativ beeinflussen“, sagt Eifert. Wenn Führung nicht wertschätzend ist und wenig untereinander gesprochen wird, trägt das gravierend zu einer schlechten Atmosphäre bei. Im Zuge der Nachwirkungen der Corona-Pandemie waren die Abschaffung von Home-Office-Möglichkeiten und Corona-Maßnahmen Punkte, die zu einer wahrgenommenen Verschlechterung der Arbeitsatmosphäre in einem Unternehmen beigetragen haben.
Gesündere und zufriedene Belegschaft
Das Team merkt an, dass Unternehmen bisher bewusst eher wenig Maßnahmen ergreifen, um eine gute Atmosphäre für ihre Beschäftigten zu schaffen. „Man muss sich als Unternehmen heute bewegen und anerkennen, dass man sich um gute Fachkräfte bemühen muss“, sagt Wittwer. Durch ihre Studie zeigen sie, dass eine gute Atmosphäre nicht nur dazu beiträgt, dass Beschäftigte zufriedener sind. „Wenn die ganzen Nebenbaustellen aus Streit und unzureichender Kommunikation nicht mehr existieren, dann können sich Angestellte besser auf ihre Arbeit konzentrieren und effizienter arbeiten“, zieht Wittwer Bilanz. Dazu gehört, dass Beschäftigte sich mal unterhalten oder einen Kaffee zusammen trinken. „Das sehen Unternehmen vielleicht nicht gerne, aber diese halbe Stunde ist gut investiert und trägt zur Stärkung des Teams bei. Unzufriedenheit führt dazu, dass sich Angestellte öfter krankmelden und auch krank werden“, sagt Eifert. Laut dem Bundesarbeitsministerium wurden im Jahr 2023 mehr Beschäftigte wegen psychischer Erkrankungen krankgeschrieben. Die Zahl der Fehltage stieg somit deutlich. Eine schlechte Atmosphäre kann zu einer höheren Fluktuation führen und neue Beschäftigte zu finden ist ein teurer als auch zeitintensiver Prozess.
„Wir möchten Unternehmen mit unserer Forschung für das Thema sensibilisieren und die Arbeitsatmosphäre nach oben auf ihre Agenda bringen. Eine gute Arbeitsatmosphäre kann nicht ohne Weiteres an Dritte wie an einen Feel-Good-Manager oder eine Unternehmensberatung ausgegliedert werden“, beschreibt Eifert. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sollten aktiv werden, um gute Bedingungen zu schaffen. „Das können Angebote und Möglichkeiten sein, bei denen Beschäftigte sich austauschen können, oder gemeinsame Team-Building-Maßnahmen.“ Unternehmen können auch zusammen mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen Weg erarbeiten, um eine positive Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Dabei kann jede:r Einzelne zur einer guten Atmosphäre beitragen.
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