Gemeinschaftsleistung statt Geniekult

Am 14. Januar feiert die UNESCO den World Logic Day. Den Einfluss von Frauen auf die moderne Logik untersucht ein internationaler Online-Workshop an der FernUniversität.


Foto: Alina Prochan/iStock/Getty Images
Die Errungenschaften von Frauen in der Logik bekamen bislang selten die Anerkennung, die sie wissenschaftlich verdienen.

Logik ist aus der Wissenschaft schwer wegzudenken. Egal ob in der Philosophie, Mathematik, Linguistik, Psychologie oder Informatik – in vielen wissenschaftlichen Disziplinen würde ohne logische Schlussfolgerungen nichts laufen. Auf diesen besonderen Stellenwert weist die UNESCO am Freitag, 14. Januar, mit dem World Logic Day hin. Die FernUniversität in Hagen beteiligt sich auch in diesem Jahr mit einem internationalen Online-Workshop – diesmal mit dem Thema: „Female Logicians: Their Impact on Modern Logic”. Damit rückt sie gezielt die Arbeit von Denkerinnen wie Christine Ladd-Franklin, Alice Ambrose, Margaret Masterman, Ruth Barcan Marcus oder Val Plumwood in den Mittelpunkt. „Frauen in die Logikgeschichte zu integrieren, stellt einen wichtigen Beitrag zu Gendersensitivität und Diversität in Forschung und Lehre dar“, sagt Dr. Andrea Reichenberger. In der Vergangenheit hatten Denkerinnen meist einen schweren Stand, erklärt PD Dr. Jens Lemanski: „Der Beitrag von Logikerinnen ist nahezu systematisch im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert marginalisiert und ignoriert worden. Viele Ergebnisse von Logikerinnen wurden erst Jahre später publiziert oder sie wurden als Errungenschaften ihrer männlichen Kollegen dargestellt.“ Die beiden Forschenden organisieren den Workshop gemeinsam mit Claudia Anger, die ebenfalls im FernUni-Lehrgebiet Philosophie I (Prof. Dr. Hubertus Busche) tätig ist. Er ist bewusst als offenes Angebot angelegt. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen, kostenlos an der virtuellen Tagung teilzunehmen. Beginn ist um 13 Uhr (CET), die Tagungssprache ist Englisch. Anmeldungen sind bis zum 13. Januar per Mail an Claudia Anger möglich (claudia.anger).

Auf dem Programm stehen Vorträge von Forschenden aus Deutschland, den USA und Großbritannien. Höhepunkt ist eine Podiumsdiskussion mit Francine F. Abeles (Kean University, NJ, USA), Carolin Antos-Kuby (Universität Konstanz) und Ursula Martin (University of Edinburgh, Wadham College Oxford, GB). Gefördert wird der Workshop von der GWMT (Gesellschaft für Geschichte der Wissenschaften, Medizin und Technik) unter dem Titel „Junge Perspektiven“.

Interdisziplinäre Brücke

„Das Fach Logik gibt es eigentlich so nicht, wie beispielsweise das Fach Mathematik oder Geschichte. Logik wird aber in fast allen Wissenschaften unterrichtet oder einzelne Techniken davon spezialisiert angewandt“, beschreibt Jens Lemanski die besondere Position seiner Disziplin. „Da es aber ein Querschnitts- oder Brückenfach ist, das die einzelnen Wissenschaften miteinander verbindet, will die UNESCO gezielt auf diese wichtige Kompetenz hinweisen, die oftmals übersehen wird.“ Welche Rolle Frauen dabei spielen, möchte der Workshop nun schärfer konturieren.

Beim Blick in den Rückspiegel zeigt sich schnell, wie komplex und vielschichtig das Thema ist: „Die Geschichte der Logik wurde lange Zeit erzählt als eine Heldengeschichte weiser, weißer Männer“, fasst Andrea Reichenberger zusammen. Die moderne Rezeption prägten zum Beispiel Namen wie Charles Sanders Peirce, Gottlob Frege, Bertrand Russell oder Ludwig Wittgenstein. Bezüge zu den Werken von Logikerinnen sichtbar zu machen, ist unerlässlich und ein Ziel des Workshops. „Es besteht heute eine große Einigkeit in der Forschung, dass dieser einseitige männlich-dominierte Eurozentrismus nicht mehr haltbar ist.“

Kollektives Unternehmen

Den FernUni-Forschenden werben mithin für einen neuen Blickwinkel, bei dem nicht Personen, sondern die gemeinsame wissenschaftliche Leistung im Vordergrund steht. „Es geht nicht darum, einem männlichen Geniekult einen weiblichen entgegenzustellen, sondern um ein revidiertes Verständnis, was Logik war und ist: ein kollektives Unternehmen“, so Reichenberger. „Und es geht darum, die Beiträge von Frauen als Teil der Wissenskulturen und Scientific Communities in der Logik und ihrer Geschichte zu untersuchen.“

Die Vergangenheit neu zu begreifen, helfe dann auch dabei, die Zukunft gleichberechtigter zu gestalten. „Nach wie vor, so der aktuelle Stand, besteht eine alarmierende zahlenmäßige Unterrepräsentation von Frauen im Fach Logik“, macht die Wissenschaftlerin aufmerksam. „Das heißt, rein quantitativ prägen Logikerinnen die Disziplin auch heutzutage nicht. Umso wichtiger ist es, auf deren Beiträge inhaltlich und qualitativ aufmerksam zu machen.“

 
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Benedikt Reuse | E-Mail: benedikt.reuse
Online-Redakteur | Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit

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