Wie korrupt sind wir?

Ein Experiment zeigt, wann Menschen bestechlich werden und welche Länder besonders anfällig für korruptes Verhalten sind. Damit hat die FernUni einen Wettbewerb der OECD gewonnen.


Foto: VukasS/E+/Getty Images
Schmiergeld gilt als stille Währung der Korruption.

Ob Wahlbetrug, Schmiergeld oder Machtmissbrauch – Korruption hat viele Gesichter. Zuhause ist sie vor allem in der Politik oder im Management großer Unternehmen. „In einigen Ländern sind informelle Zahlungen bei Amtsterminen an der Tagesordnung“, sagt Prof. Dr. Angela Dorrough von der FernUniversität in Hagen. „Sei es, um Genehmigungen schneller zu erhalten, Dokumente ausstellen zu lassen oder bürokratische Hürden zu umgehen.“ Doch Korruption im Verwaltungsapparat erschwert nicht nur den gleichberechtigten Zugang zu staatlichen Dienstleistungen, sie kann auch lebensbedrohlich sein. „In mehreren Studien wurde ein Zusammenhang zwischen Korruption und der Anfälligkeit von Gebäuden für Erdbeben untersucht“, betont die Psychologin und Verhaltensökonomin. „In Ländern mit hoher Korruption werden Bauvorschriften umgangen oder nicht durchgesetzt. Bestechung von Behörden ermöglicht es Bauunternehmen, minderwertige Materialien zu verwenden oder Sicherheitsstandards zu ignorieren.“

(K)ein Phänomen der Mächtigen

Die FernUni-Wissenschaftlerin wollte wissen, wie bestechlich Menschen aus der gesellschaftlichen Mitte sind, wenn sie die Gelegenheit bekommen. Dazu hat sie zusammen mit Prof. Dr. Nils Köbis von der Universität Duisburg-Essen und dem studentischen Mitarbeiter Jasper Siol von der Universität zu Köln ein länderübergreifendes Korruptionsexperiment durchgeführt. Das Team hat Teilnehmende aus 18 verschiedenen Ländern mit einer Entscheidungssituation konfrontiert. „Die Versuchspersonen sollten sich vorstellen, dass sie eine Lizenz zur Nutzung von natürlichen Ressourcen kaufen wollen – entweder auf offiziellem Weg oder etwas günstiger, indem sie Schmiergeld bezahlen.“

Prof. Dr. Angela Dorrough leitet das Lehrgebiet Behavioral Economics und Interkulturelle Psychologie an der FernUniversität in Hagen.

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Für eine realistische Nachahmung der Wirklichkeit ging eine erfolgreiche Schmiergeldzahlung mit negativen Folgen für die Allgemeinheit einher. Die Studienverantwortlichen tätigten nach Durchführung der Studie eine Spende für eine Klimaschutzorganisation, erklärt Dorrough: „Diejenigen, die ihre Lizenz mithilfe von Schmiergeld erworben hatten, nahmen bewusst in Kauf, dass sich diese Spende für den guten Zweck durch ihr korruptes Verhalten reduzierte.“

Länder sind unterschiedlich korrupt

Der Ländervergleich zeigt, wo die befragten Personen vermehrt Schmiergeld gezahlt haben und wo nicht. „In China handelten unsere Versuchspersonen besonders korrupt. Deutschland, die USA und die Niederlande liegen im Mittelfeld.“ Eher wenig korruptes Verhalten zeigte sich in Japan und Russland. Eine mögliche Erklärung wäre das Phänomen sozialer Erwünschtheit: „Vielleicht weiß die Bevölkerung um die Vorurteile über das Land – wie mutmaßlich in Russland – und will genau das Gegenteil zeigen.“ Es könne auch daran liegen, dass Menschen in Ländern, in denen sie tagtäglich Korruption ausgesetzt sind, Bestechlichkeit stärker verurteilen und sich dann selbst besonders korrekt verhalten.

Für diese international relevante Untersuchung ist das Team rund um Prof. Dorrough von der FernUni jetzt von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ausgezeichnet worden. Es hat bei einem anerkannten Wettbewerb dort den ersten Preis gewonnen. Ziel der OECD Anti-Corruption Research Challenge war es, neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu fördern, die zur Stärkung von Anti-Korruptions- und Integritätssystemen beitragen. Forscherinnen und Forscher konnten bis Anfang Januar ihre Beiträge einreichen, die innovative Ansätze und fundierte Analysen im Bereich der Korruptionsbekämpfung präsentieren.

Ein Gütesiegel für die Forschung

„Durch die Förderung solcher Forschungsarbeiten unterstreicht die OECD ihr Engagement, Korruption zu bekämpfen und Integrität sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor zu stärken“, fasst Dorrough die Ausrichtung des Wettbewerbs zusammen. „Dies ist entscheidend, um ein Umfeld des Vertrauens und der Rechenschaftspflicht zu schaffen, das nachhaltige und inklusive wirtschaftliche Entwicklung ermöglicht.“

Prof. Dr. Angela Dorrough Foto: Volker Wiciok

„Durch die Förderung solcher Forschungsarbeiten unterstreicht die OECD ihr Engagement, Korruption zu bekämpfen und Integrität sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor zu stärken.“

Prof. Dr. Angela Dorrough

Die OECD nimmt bereits existierende Anti-Korruptionsgesetze und Maßnahmen gegen Bestechung in den Blick und bewertet Korruption mit eigens dafür entwickelten Indikatoren. „Diese Public Integrity Indicators (PII) erfassen, wie gut Länder Mechanismen zur Korruptionsbekämpfung und Integritätsförderung im öffentlichen Sektor umsetzen, bisher sind sie aber nicht mit echten Verhaltensdaten unterfüttert worden“, so Dorrough. „Durch die Zusammenführung der von der OECD entwickelten Indikatoren und unserer Verhaltensdaten konnten wir zeigen, dass einige der Indikatoren mit tatsächlichem Verhalten korrelieren. Zum Beispiel: Je transparenter die Entscheidungsfindung einer Regierung ist, desto seltener tritt Bestechung auf.“

Internationale Sichtbarkeit

Die ausgewählten Beiträge werden auf dem Global Anti-Corruption and Integrity Forum 2025 der OECD vorgestellt, das am 26. und 27. März 2025 stattfindet. Dieses Forum bringt Expertinnen und Experten aus verschiedenen Bereichen zusammen, um über aktuelle Herausforderungen und Strategien im Kampf gegen Korruption und für mehr Integrität zu diskutieren. „Der Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und Praxis eröffnet spannende Perspektiven“, betont Dorrough. „Ich bin gespannt, welche Impulse sich daraus ergeben. Solche Gelegenheiten sind auch deshalb wichtig, weil sie zeigen, welchen entscheidenden Beitrag die Forschung an der FernUni leistet.“

Interessierte können die Gewinner-Präsentation des OECD-Forschungswettbewerbs mit FernUni-Beteiligung am Donnerstag, 27. März von 14 bis 15.30 Uhr live via Zoom ansehen.
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Call for papers

Gemeinsam mit Forschenden aus den Niederlanden und UK bringt Prof. Dr. Angela Dorrough ein Special Issue zum Thema „Social Dilemma Research“ heraus. Bei einem sozialen Dilemma steht der Eigennutzen dem Kollektivnutzen gegenüber. Auch Korruption kann als soziales Dilemma gewertet werden, da es durch die individuellen Vorteile einen großen Nutzen für die Einzelperson hat, aber für die Gesellschaft als Ganzes eher schädlich ist. Interessierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können bis Ende November Beiträge einreichen, um sich für die Veröffentlichung in dem Special Issue zu bewerben. Die Beiträge werden in einem Peer-Review-Verfahren bewertet.
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Sarah Müller | 21.03.2025