Ein Herz für die Medizinethik und die Philosophie-Studierenden

Prof. Dr. Jan P. Beckmann forscht und lehrt seit 45 Jahren an der FernUniversität in Hagen. Auch mit 86 Jahren arbeitet der Philosophie-Professor regelmäßig auf dem Campus.


Foto: FernUniversität
Prof. Jan P. Beckmann baute das Fach Philosophie im Fernstudium auf.

Immer dienstags und donnerstags steht seine 35 Jahre alte, schwarz-gelbe Ente auf dem kleinen Parkplatz unweit des Roten Platzes. Auch mit 86 Jahren kommt der Philosophie-Professor Dr. Jan P. Beckmann regelmäßig auf den Campus. Der Experte für Theoretische Philosophie und Medizinethik forscht und lehrt seit August 1979 an der FernUniversität in Hagen, davon seit 2003 als Emeritus.

„Ich freue mich über jeden Tag, an dem ich weiterhin für die FernUni tätig bin“, erzählt er in seinem Büro. Vor kurzem hat er das Zweitgutachten zur Masterarbeit einer in Boston forschenden Medizinerin verfasst. Aktuell beurteilt er die KI-Dissertation einer Fachanwältin. „Für Aufgaben dieser Art bin ich besonders dankbar“, sagt Beckmann. „Hochbegabte Studierende zu haben ist nicht mein Verdienst als Hochschullehrer. Aber es ist meine Lebensaufgabe, diese bestmöglich zu fördern.“

Die Studierenden als größtes Potential

Bis heute imponieren ihm die Studierenden der FernUni immens, die ihre akademischen Ziele oft neben Beruf und Familie vorantreiben. „Mit einem gewaltigen Maß an Selbstdisziplin und intrinsischer Motivation“, wie Beckmann sagt. „Die Studierenden waren für mich von Beginn an das größte Potential der damals noch neuen Hochschule.“ So bereute er es nie, in Hagen geblieben zu sein und lebt hier seit mittlerweile 43 Jahren ländlich am Rande der Stadt nah am Wald. „Ich wollte mich immer vor Ort einbringen.“ Zum Beispiel fördert das von ihm zusammen mit seinem Kollegen Prof. Dr. Kurt Röttgers gegründete „Forum Philosophicum“ das Gespräch zwischen Philosoph:innen und der Hagener Öffentlichkeit über aktuelle Themen – und das seit fast 40 Jahren.

Foto: FernUniversität
Jan P. Beckmann kommt regelmäßig mit seiner schwarz-gelben Ente zum Campus. BvB-Fan ist er aber nicht.

Aufbau der Philosophie

Ursprünglich war es nicht geplant, dass Beckmanns wissenschaftliche Karriere über vier Jahrzehnte mit Hagen verbunden bleiben sollte. Eher zufällig kam er 1979 aufgrund einer Zeitungsanzeige an die Volme: An der Universität Bonn für Philosophie habilitiert, bewarb er sich auf den ersten Lehrstuhl für Philosophie an der FernUni. „Vom Fernstudium und der Stadt Hagen hatte ich bislang wenig gehört. Aber die Stellen waren rar.“ Beckmann baute die Philosophie auf und blieb die ersten sechs Jahre lang Einzelkämpfer. Als ihn 1985 ein Ruf an die traditionsreiche Uni Bamberg erreichte, lehnte er nach reiflichem Überlegen ab. „Aus Rücksicht auf die besonderen Studierenden der FernUni und den weiteren Aufbau des Faches Philosophie im Fernstudium. Das waren enorme intellektuelle Herausforderungen, die mich gereizt haben“, blickt er zurück.

Medizinethik als einer seiner Arbeitsschwerpunkte

Die Medizinethik wurde einer seiner Arbeitsschwerpunkte und sein Herzensthema. Auch das war Zufall. Zum ersten Mal hörte er Ende der 1960er Jahre während seiner Zeit in Yale vom Feld der Ethik in den Biowissenschaften. Als 1968 in Harvard aufgrund neuester neurologischer Forschungen das sogenannte Hirntodkriterium bekanntgemacht wurde, war ihm klar: Dies wirft auch ethische Fragen auf, zum Beispiel mit Blick auf die Organtransplantation.

Zusammen mit seiner damaligen Hagener Philosophie-Kollegin Prof. Annemarie Gethmann-Siefert und mit Mediziner:innen entwickelte Beckmann das „Weiterbildende Studienangebot Medizinische Ethik“, das seit 1999/2000 an der FernUni rege nachgefragt wird. Nach seiner Emeritierung betreute er es von 2003 bis 2019 alleine weiter und baute es aus. Inzwischen hat das Rektorat für die vor allem von ärztlicher Seite geschätzte Weiterbildung eine Professur für „Medizin-Ethik“ eingerichtet und mit der in Philosophie und Medizin promovierten und habilitierten Professorin Dr. Dr. Orsolya Friedrich besetzt.

Biografisches

  • 1968–1970 Assistant Professor of Philosophy an der Yale University, New Haven/USA
  • 1979–2003 Professor für Philosophie an der FernUniversität; unter anderem Dekan des Fachbereichs Erziehungs- und Sozialwissenschaften sowie Prorektor für Forschung und Wissenschaftlichen Nachwuchs
  • 1996–2010 Mitglied des Direktoriums des „Instituts für Wissenschaft und Ethik“ und des „Deutschen Referenzzentrums für Ethik in den Biowissenschaften“ an der Universität Bonn
  • 1997-2013 Lehrauftrag für Medizinethik an der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen
  • 2002–2017 Mitglied der „Zentralen Ethikkommission für Stammzellenforschung“, Berlin
  • 2014 Ehrenpromotion zum Dr. med. h.c. durch die Medizinische Fakultät der Universität Duisburg – Essen

Internationaler Austausch

„In nahezu allen wissenschaftlichen Disziplinen ist infolge der Schnelligkeit und Bedeutung neuer Entwicklungen lebenslanges Lernen mehr denn je angesagt“, sagt Beckmann. „Eigentlich müsste es die FernUni längst zwei- oder dreimal geben.“ Für die Zukunft wünscht sich der Philosoph ein Europa-weites Fernstudiensystem. „Leider ist daraus bis heute nichts geworden“, bedauert er. „Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf.“ Mit Freude verfolgt er daher die Allianz OpenEU, von der die FernUni profitiert, sowie die junge Kooperation mit der Universität von Namibia. Denn Beckmanns Karriere war immer von internationalen Forschungsaufenthalten in der ganzen Welt geprägt. Zum Beispiel war er Visiting Professor an der Universität Oxford, Kurzzeitdozent an der University of Cape Town und Mitglied eines interdisziplinären Beraterteams für den „Indian Council of Medical Ethics“ in Mumbai.

Fit bis ins hohe Alter

Der wissenschaftliche Austausch mit Philosoph:innen im In- und Ausland hält ihn bis heute fit. In der Corona-Zeit hat Jan P. Beckmann jedes Jahr ein Buch geschrieben. Weitere Publikationen sind geplant. Neben seinem täglichen „Waldgang“ ist es auch die Liebe zu alten Büchern, die den leidenschaftlichen Sammler fit halten. Einige Exemplare hat er über die Jahrzehnte aus Antiquariaten zusammengetragen und zum Teil selbst restauriert. Für ausreichend Lese-, Schreib- und Gesprächsstoff ist daher auch in den nächsten Jahren gesorgt.

 

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Carolin Annemüller | 16.08.2024