Mehr Risiko durch positives Feedback?

Steigt unsere Risikobereitschaft, wenn wir Bestätigung erhalten? Dr. Hendrik Sonnabend von der FernUni untersuchte die Auswirkungen beim Kunst- und Turmspringen.


Wir bekommen gerne Komplimente. Doch welche Auswirkungen hat positives Feedback auf unsere Risikobereitschaft? Dr. Hendrik Sonnabend (Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbes. Wirtschaftspolitik) untersuchte gemeinsam mit Mario Lackner (Johannes Kepler Universität Linz) die Auswirkungen im Kunst- und Turmspringen. Ihr Projekt „Positive feedback, Risk Behaviour, and Gender: Empirical Evidence from Careers in Competitive Diving” hat die FernUniversität mit über 6.000 Euro gefördert. Dadurch war es den Forschenden möglich, auf umfangreiche Datensätze zurückzugreifen. Diese Daten stammen vom offiziellen Sportverband der Kunst- und Turmspringer:innen aus den USA. Durch die Datensätze aus den Jahren 2004 bis 2021 waren die Forschenden in der Lage, ganze Karrieren zu verfolgen.

Mann steht auf einem Sprungbrett. Foto: Chris Ryan/Getty Images
Bei männlichen Athleten stieg die Risikobereitschaft nach einem frühen, ersten Sieg stärker.

Wer reagiert mehr auf positives Feedback?

Beim Kunstspringen geht es darum aus unterschiedlichen Höhen (zwischen 1 und 3m) möglichst elegant ins Wasser zu springen. Das Verletzungsrisiko ist aufgrund der geringen Höhe nicht so hoch wie beim Turmspringen. Dort springen Teilnehmende von größeren Höhen zwischen 5 bis 10 m. Zum Beispiel ist es bei Olympia für Turmspringerinnen und Turmspringer nur möglich anzutreten, wenn sie vom Zehn-Meter-Brett springen, da nur diese Disziplin olympisch ist. „In dem Sport kann es um enorme Höhen gehen. Uns interessiert, was die Sportlerinnen und Sportler dazu bringt, größere Höhen zu wählen und damit ihr Verletzungsrisiko zu steigern“, so Hendrik Sonnnabend.

In dem Sport kann es um enorme Höhen gehen. Uns interessiert, was die Sportlerinnen und Sportler dazu bringt, größere Höhen zu wählen und damit ihr Verletzungsrisiko zu steigern.

Dr. Hendrik Sonnabend

Zudem interessierte die Forschenden die Frage, ob die Risikobereitschaft bei Frauen oder Männern durch positives Feedback zunimmt. „Besonders gespannt waren wir bei den Teilnehmenden, die früh ihren ersten Sieg im Kunstspringen erfahren haben. Was hat dieser Erfolg bewirkt?“, fragt Hendrik Sonnabend. Diese Gruppe stellten die Forschenden einer Kontrollgruppe gegenüber, die noch auf ihren ersten Sieg wartete. Das Ergebnis fiel eindeutig aus: Nach einem ersten Sieg auf niedriger Höhe und dem damit verbundenen positiven Feedback steigt die Bereitschaft, an Wettbewerben im riskanteren Turmspringen teilzunehmen. „Die Neigung, mehr ins Risiko zu gehen, steigt bei den Männern allerdings stärker.“ Die Forschenden haben den Effekt an der Höhe gemessen. Nach dem ersten Sieg sind die Sportlerinnen und Sportler deutlich mehr ins Risiko gegangen und von größeren Höhen gesprungen.

Erfahrungen beeinflussen Risikobereitschaft

Springerinnen und Springer, die schon früh (bis 15 Jahre) ihren ersten Sieg verbuchen konnten, zeigten eine erhöhte Risikobereitschaft. Bei den Männern war es jedoch nicht so wichtig, ob der Sieg bis zu ihrem 15. Lebensjahr oder danach erfolgte. Auch ein später Sieg beflügelte die Springer. Bei Frauen ist das Ergebnis abweichend – bei ihnen stieg Risikobereitschaft in Verbindung mit frühen Erfolgen. Woran das liegt? An unseren Erfahrungen: „Es gibt verschiedene Studien, die zeigen, dass Frauen nicht von Anfang an das Risiko scheuen, sondern sich die Unterschiede erst bei Heranwachsenden ausbilden. Gründe können biologisch sein und/oder im sozialen Umfeld liegen. Frühe Erfahrungen in der Bewältigung von Risiken können eine Rolle spielen.“

In der Studie konnte Hendrik Sonnabend feststellen, dass gerade unerfahrene, jüngere Teilnehmende von einem frühen Sieg am meisten profitieren. Stichwort „Erfahrungen“: Früh lernen die Springerinnen und Springer, dass sie erfolgreich sein können und erhalten positives Feedback. Ein später Sieg ließ Frauen nicht mehr ins Risiko gehen. „Das zeigt, dass Erfahrungen uns beeinflussen. Wir kennen dieses Phänomen in vielen Alltagssituationen. Wenn wir bereits wissen, dass eine Situation gut gelaufen ist, stärkt uns das. Und wenn wir vor Situationen stehen, die schon einmal nicht so gut gelaufen sind, dann bleibt uns das im Kopf“, erklärt der FernUni-Forscher. Das kann Hendrik Sonnabend auch mit dem Prinzip der Selbstwirksamkeitserwartung in der Psychologie erklären. „Es gibt einen da einen Zusammenhang. Positives Feedback stärkt die innere Überzeugung, schwierige Situationen oder in dem Fall diesen Sprung zu meistern.“ Die Teilnehmenden schätzen ihr Verletzungsrisiko dann möglicherweise weniger wahrscheinlich ein.

Mann mit Brille und schwarzen Pullover. Foto: Hardy Welsch
Dr. Hendrik Sonnabend untersuchte für die Studie mit Dr. Mario Lackner (Johannes Kepler Universität Linz) Datensätze vom offiziellen Sportverband der Kunst- und Turmspringer:innen aus den USA.

„Wir treffen jeden Tag Entscheidungen“

Dr. Hendrik Sonnabend forscht in der Arbeitsmarktökonomik. „Im Arbeitsleben treffen wir ständig Entscheidungen, gehen mit diesen teilweise in Risiko.“ Dort zeigt sich aber, dass eher Männer mehr Risikobereitschaft an den Tag legen, öfter Führungspositionen besetzen und sie deswegen unter anderem auch höhere Löhne erzielen. Doch woran liegt das? Den Sport sieht er quasi als „Labor“, in der er diese Situationen erforschen kann. Die Grundlagen zur Forschung im Wettkampfspringen sind verschiedene Studien aus den 1990er-Jahren. „Es gibt noch wenige Studien zum Thema. Erste Studien haben aber gezeigt, dass es einen Zusammenhang zwischen Risikobereitschaft und positiven Feedback gibt." Denn von Anfang an sind Frauen nicht weniger bereit, ins Risiko zu gehen, doch Erfahrungen verändern uns im Laufe der Zeit und können dazu führen, dass wir unsere Einstellung ändern. Das zeigt auch die Studie von Hendrik Sonnabend und Mario Lackner, dass frühe Erfolge dazu beitragen, „freier“ an Situationen heranzutreten und mehr Risiko zu wagen – unabhängig vom eigenen Geschlecht.

Konferenzen

Dr. Hendrik Sonnabend stellte das Projekt „Positive feedback, Risk Behaviour, and Gender: Empirical Evidence from Careers in Competitive Diving” auf der „6th Sport Economics & Sport Management Conference (SESM)” in Budapest (Ungarn) vor sowie auf der Konferenz „14th European Sport Economics Association (ESEA) Conference am University College Cork, Irland.

 

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