Gelandet in Hagen: Vom kleinen Raum zur größten Uni
Das erste Büro der FernUni, es wurde nicht auf dem heutigen Campusgelände bezogen, sondern in der Hagener Fachhochschule. Rolf von der Heyden und Dr. Bernd Sudeick erinnern sich.
1974, eine Zeit des Aufbruchs in der Bundesrepublik. Auch Johannes Rau zeigte als NRW-Wissenschaftsminister frischen Gestaltungswillen. Zu seiner bildungspolitischen Vision gehörte die Gründung einer besonderen Einrichtung: Einer Fernuniversität, die Studierenden an jedem beliebigen Ort Bildungsteilhabe ermöglichen soll. Den richtigen Mann, um seine Ideen umzusetzen, hatte Rau bereits an Bord: Rolf von der Heyden. Der gebürtige Siegerländer hatte sich im Auftrag des Ministeriums mit der Errichtung von Fachhochschulen befasst. Deshalb kannte er auch die Hagener Fachhochschule schon, als er zur jungen Arbeitsgruppe stieß, die die neue Fernuniversität aufs Gleis bringen sollte.
Die Vorbereitungen zur Gründung begannen noch bevor der NRW-Landtag das Vorhaben im Dezember 1974 offiziell besiegelte. Von der Heyden wurde zum ersten nichtwissenschaftlichen Beschäftigten der neuen Uni. Als erstes Basislager diente die Fachhochschule unweit des späteren Campus. „Ich wurde am 1. Oktober mit einer Aktentasche nach Hagen geschickt“, erinnert sich von der Heyden. Inhalt: „Sehr viel Geld und Vollmachten“.
Uni entsteht auf dem Reißbrett
In Hagen angekommen traf der Ministerialbeamte auf seinen jungen Kollegen Dr. Bernd Sudeick: „In einem leeren Raum, den uns der Verwaltungsdirektor der Fachhochschule gezeigt hatte.“ Das frischgeformte Team trat direkt willensstark auf: „Um drei Uhr muss das Büro eingerichtet sein!“, ordnete von der Heyden an. Was zunächst als logistische Unmöglichkeit erschien, setzten die „zwei Herren aus dem Ministerium“ dann doch binnen weniger Stunden durch: Ab zum Möbelausstatter in der Stadt, ein verbindliches Gespräch, etwas persönliche Überzeugungsarbeit –nachmittags um 15 Uhr war der Arbeitsraum vollständig möbliert. Von der Heyden und Sudeick konnten in Düsseldorf verkünden: „Es ist angelaufen!“ Die unbürokratische und zupackende Arbeitsweise des Duos sollte die Anfangszeit der FernUniversität stark prägen – frei nach dem Motto: „Geht nicht, gibt’s nicht! Wir haben einen speziellen Auftrag vom Ministerium.“ Im Herbst 1975, nur ein Jahr nach Ankunft in Hagen, standen Infrastruktur und Lehre dann soweit, dass der Studienbetrieb starten konnte.
Forschung und Lehre rollen an
„Meine stärkste Waffe war im ersten Jahr das Telefon“, sagt Rolf von der Heyden. Was er mithilfe seines großen Netzwerks in Bezug auf Räumlichkeiten, Logistik, Verwaltung und Co vorantrieb, das brachte Bernd Sudeick inhaltlich voran: Unter anderem betreute er im Ministerium bereits den zu diesem Zeitpunkt noch „vorläufigen“ Gründungsausschuss sowie verschiedene Fachgruppen, die sich mit der Planung der Studienangebote befassten. Im Gepäck hatte Sudeick die nötige Expertise zum Thema ortsunabhängige Lehre: „Ich bin damals ins Ministerium gekommen, weil ich eine Arbeit über Bildungspolitik in Großbritannien am Beispiel der 1969 gegründeten Open University geschrieben hatte , die vor allem in der Lehre und der Betreuung ihrer Studierenden ein Vorbild für die Gründung in Hagen gewesen ist. Ihren Campus in Milton Keynes und das Regionalzentrum in London hatte ich besucht “, erklärt der gebürtige Gelsenkirchner, dessen Arbeit an die Mitglieder des vorläufigen Gründungsausschusses verteilt wurde.
Zuvor war auf eine Initiativbewerbung von Sudeick rasch der Anruf aus Johannes Raus Ministerium gefolgt: „Können Sie sofort anfangen?“ Sudeick hatte nicht lange gefackelt und zugesagt. Nach einem halben Jahr erhielt er ebenfalls den „Marschbefehl nach Hagen“ und arbeitete daran mit, ein funktionierendes Fernstudiensystem für die damals noch als „Gesamthochschule“ firmierende FernUni auf die Beine zu stellen.
Von Westfalen in die ganze Welt…
Klar war: Aus sich selbst heraus würde es die FernUni schwer haben zu wachsen. „Wir brauchten Knowhow von anderen Fernuniversitäten“, blickt von der Heyden zurück. International gab es dabei vor allem zwei große Vorbilder: die University of South Africa (UNISA) und die Open University in England. Und so ging es von Westfalen raus in die Welt, um das dringend gebrauchte Praxiswissen zu sammeln. „Noch zur Zeit der Apartheid war ich in Südafrika“, erinnert sich von der Heyden zum Beispiel an einen sechswöchigen Besuch der UNISA: „Das war damals schon die größte Fernuniversität der Welt.“ Der Gesandte aus Hagen studierte genau die Infrastruktur und Logistik der ausländischen Fernunis, um daraus eine Blaupause für das eigene Vorhaben zu entwickeln. Was würde funktionieren? Was nicht? Eine feste Freundschaft verbindet UNISA und FernUni übrigens noch heute – zuletzt bekräftigt mit einem gegenseitigen Memorandum of Understanding.
…und ins World Wide Web
Typisch FernUni ist nicht nur der Blick über den nationalen Tellerrand, sondern auch der furchtlose Umgang mit neuer Technik. Die Geschichte der Hochschule ist zugleich eine Geschichte der Bildungsmedien. Seit Beginn des Studienbetriebs 1975 brach sie mit Konventionen und setzte früh auf einen Mix aus verschiedenen Materialien und Formaten. Das Label „Medienuniversität“? Damals wie heute passend, bestätigt Bernd Sudeick. Vom Studienbrief über Videoproduktionen bis hin zu Virtual Reality – große Scheu vor Innovationen hatte die FernUni nie. Deshalb sieht er sie auch für die Zukunft bestens gerüstet. „Für uns war es damals zum Beispiel nicht denkbar, Klausuren statt an bestimmten Orten unter Aufsicht, zuhause zu schreiben. Wie sollte man das absichern?“, so Sudeick. „Aber es funktioniert!“ Mit Blick auf Erfahrungen wie diese rät er: „Weiterhin mutig und offen für Veränderungen bleiben.“
Jubiläumsjahr
Der DIES ACADEMICUS 2024 markiert den Auftakt zum Jubiläumsjahr, das im November 2025 mit dem nächsten DIES ACADEMICUS endet. In den kommenden Monaten finden unter dem Motto „An jedem Ort der Zukunft nah!“ zahlreiche Veranstaltungen und Aktionen rund um 50 Jahre FernUniversität statt. Zelebriert wird das Jubiläum auch digital: Die Jubiläumswebseite „50jahre.fernuni-hagen.de“ präsentiert Impressionen aus der bewegten Historie, zeigt die vielfältige Gegenwart von Forschung und Lehre und blickt in die Zukunft der Wissenschaft. Besucherinnen und Besucher können mit eigenen Beiträgen Teil der Geschichte werden.