Im Zeichen Immanuel Kants

Eine Hagener Tagung dokumentiert die Chancen eines qualifizierten Dialogs zwischen Philosophie und Rechtwissenschaft.


Nicht immer gelingt es, über die Grenzen der Fakultäten hinweg einen gehaltvollen, beide Seiten bereichernden Austausch zu organisieren – zu unterschiedlich sind die Methoden, die inhaltlichen Voraussetzungen, die Ziele der Wissenschaftskulturen, die hier in der Regel aufeinandertreffen. Dass dies umso mehr bei einer gemeinsam von der Rechtswissenschaft und der Philosophie Ende September auf dem Hagener Campus veranstalteten Tagung zu der Bedeutung des Philosophen Immanuel Kant (1724-1804) für das Recht und die Rechtsphilosophie gelungen ist, war das einhellige Echo aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer des dreitägigen Kolloquiums.

300. Geburtstag Kants

Aus Anlass des nahenden 300. Geburtstags Kants hatte die in Hagen herausgegebene „Zeitschrift für Rechtsphilosophie“ Vertreterinnen und Vertreter beider Fächer eingeladen, ihre jeweilige Perspektive auf Kant zu entfalten und dabei Themen vorzustellen, zu denen beide Seiten jeweils etwas beizutragen haben. Themen dieser Art gibt es überraschend viele – hier nur einige der Beispiele, die in Hagen diskutiert wurden: Wieviel Moral braucht das Recht? (Bernd Ludwig, Göttingen) Verbergen sich in der scheinbar so trockenen Materie des deutschen juristischen Sachenrechts rechtsphilosophische Gedanken aus dem Werk Immanuel Kants? (Eray Gündüz, Regensburg) Was bedeutet das, was Kant über den Frieden als Zielpunkt der Menschheitsgeschichte sagt, gerade auch für unsere Zeit, und warum kann hier ein „Weltstaat“ nicht die Lösung sein? (Klaus Honrath, Hagen) Welche Rolle spielt die Freiheit im Strafrecht? (Luna Rösinger, Bonn) – und manches mehr.

Foto: FernUniversität
Die „Zeitschrift für Rechtsphilosophie“ widmet sich dem interdisziplinären Austausch von Philosophie und Rechtswissenschaft.

Forum für den Nachwuchs

Die Tagung schloß zwei öffentliche Abendvorträge ein, von denen der eine den „rechtsphilosophischen Innovationen“ gewidmet war, die – wie der Begriff der Menschenwürde – mit dem Namen Kants bei allen Deutungsspielräumen bleibend verbunden sind; diesen Beitrag leistete Prof. Dr. Dietmar von der Pfordten aus Göttingen, der als promovierter Jurist und Philosoph in seiner Person beide Wissenschaften verkörperte. Den zweiten hielt die Regensburger Stafrechtlerin und Rechtsphilosophin Prof. Dr. Kathrin Gierhake, die der Frage nachging, inwieweit aus Kants freiheitlichem Ansatz gleichwohl rechtlich wirksame „Solidaritätspflichten“ begründet werden können, deren Sinn eine wechselseitige Ermöglichung von Selbstständigkeit ist. Daneben bot die Tagung auch ein Forum für den wissenschaftlichen Nachwuchs von frisch Qualifizierten bis hin zu Habilitanden. So thematisierte Silan Stübinger (Tübingen) die Relevanz der berühmten Aufklärungsschrift Kants für das 21. Jahrhundert, während Martin Heuser (Regensburg) der überraschend vielschichtigen Begriffsgeschichte und dem mit ihr zusammenhängenden Bedeutungswandel des Begriffs der „Zurechnung“ nachging.

„Kooperationsfreudige Atmosphäre“

„Als Veranstalter haben wir uns über die hochqualifizierten Beiträge und ebenso über die gute, kooperationsfreudige Atmosphäre sehr gefreut!“ bemerkt Prof. Dr. Thomas Sören Hoffmann vom Hagener Institut für Philosophie. „Ich denke, dass niemand diese Tagung verlassen hat, ohne sehr viel gelernt zu haben und dankbar dafür zu sein!“ Sein Kollege, Prof. Dr. Stephan Stübinger, Strafrechtler und Rechtsphilosoph aus Hagen, ergänzt: „Die guten Erfahrungen mit dieser lebendigen Interdisziplinarität fordert Fortsetzungen. Das soll gewiss nicht die letzte Veranstaltung dieser Art gewesen sein.“

Die Tagungsbeiträge werden im achten Heft der „Zeitschrift für Rechtsphilosophie“ dokumentiert werden, das im Kant-Jahr 2024 erscheinen wird. Das Gespräch zwischen Rechtswissenschaft und Philosophie kann weitergehen.

 

Das könnte Sie auch interessieren