Verhalten am Arbeitsplatz: Wie uns Digitalisierung beeinflusst

Seit Juni 2023 leitet Prof. Dr. Jenny Sarah Wesche die Professur für Wirtschaftspsychologie am Forschungsschwerpunkt Arbeit – Bildung – Digitalisierung der FernUniversität.


Portrait von Professorin Jenny Sarah Wesche Foto: Volker Wiciok
Prof. Jenny Sarah Wesche

Jenny Sarah Wesche liebt Komplexität. „Je tiefer man in ein Thema einsteigt, desto komplexer wird es.“ Es mag einer der Gründe sein, warum sie sich am Ende für das Psychologie- und gegen das Journalistik-Studium entschieden hat. Die Komplexität eben. Was die Berlinerin darüber hinaus schätzt: Fokussiert zu arbeiten. „Ich habe in Bielefeld studiert“, setzt sie an und schiebt schnell nach: „Dort herrscht ein sehr produktives Klima und ein persönliches Miteinander.“ Die Bielefelder Uni ist eine Reformuni. Funktional, viel Beton und alle Disziplinen auf dem Campus. Das hat Vorteile. „Man begegnet sich immer wieder und kann sich gut vernetzen, nicht nur mit den eigenen Kommiliton:innen.“ Ihr Studium hat die 40-Jährige zügig durchgezogen. „In Bielefeld gibt es nicht so viel Ablenkung wie in Berlin.“

Einstellungen und soziale Beziehungen

Ihr fachlicher Schwerpunkt hat sich im Studium schnell herauskristallisiert: Arbeits- und Organisationspsychologie. „Mich interessiert, wie sich Menschen im beruflichen Kontext zueinander verhalten – und warum sie sich so verhalten.“ Dafür untersucht sie Verhalten, Einstellungen und soziale Beziehungen. Seit einigen Jahren mit dem besonderen Fokus darauf, wie sich diese Parameter durch zunehmende Digitalisierung in der Arbeitswelt verändern.

Interaktion von Führungskräften und Geführten in Organisationen – dieser thematische rote Faden zieht sich durch Wesches akademischen Werdegang, sie folgt ihm sehr stringent: vom Studium über Promotion und Vertretungsprofessur bis hin zur aktuellen Position. Seit Juni 2023 hat sie die Professur für Wirtschaftspsychologie am Forschungsschwerpunkt Arbeit – Bildung – Digitalisierung (ABD) an der FernUniversität inne, die über die Fakultät für Psychologie dort angeschlossen ist.

Foto: FernUniversität
Prof. Andreas Mokros, Dekan der Fakultät für Psychologie, und Rektorin Prof. Ada Pellert (re.) begrüßen die neue Professorin für Wirtschaftspsychologie Jenny Sarah Wesche.

Menschen befähigen

Durch die Praxis- und Anwendungsnähe ihrer Forschung passt sie ins Profil des Schwerpunktes ABD, der sich um Fragen zur Arbeitsgestaltung und Kompetenzentwicklung sowie zum lebenslangen Lernen von Beschäftigten dreht. „Ich möchte dazu beitragen, das Menschen und Organisationen die Herausforderungen der digitalen Transformation besser meistern können“, erläutert sie. „Dazu untersuche ich beispielsweise, welche Kompetenzen Menschen zukünftig in der Arbeitswelt brauchen, um selbstbestimmt Entscheidungen treffen und die digitale Transformation aktiv mitgestalten zu können.“ Die Wirtschaftspsychologin hat eine konkrete Vorstellung davon, was ihre Untersuchungen bewirken sollen. „Das ist meine Motivation, meine Triebfeder.“

Bereits während der Promotion arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Trainerin am Center for Leadership and People Management der Ludwig-Maximilians-Universität München, wo sie zu Zusammenhängen zwischen Führung und Mitarbeiterleistung forschte. Anschließend ging sie 2011 zurück nach Berlin und lehrte als Post-Doc an der Freien Universität Berlin im Arbeitsbereich Sozial-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie. Von dort übernahm sie 2019 eine Gastprofessur an der Humboldt-Uni in der Hauptstadt. „Ich habe stets versucht, schon die Bachelor-Studierenden für die Arbeits- und Organisationspsychologie zu begeistern, denn selbst wenn diese eine andere Fachrichtung einschlagen, wie bspw. die klinische Psychologie, ist es wichtig, sie für ihr späteres berufliches Umfeld zu sensibilisieren.“

Nicht jede App hypen

Mit ihrem Ansatz möchte die Wissenschaftlerin verändern und gestalten. „Die heutigen Transformationsprozesse haben eine enorme Dynamik, die Umstellung von rein analogen auf virtuelle Arbeitsumgebungen verändern das Interagieren von Menschen – allein durch Tools und Apps, die am Arbeitsplatz eingesetzt werden. Darauf reagieren Menschen unterschiedlich. Wer nicht so technologieaffin ist, bleibt passiv.“

  • Aus der Hauptstadt hat sie ein Forschungsprojekt mitgebracht, für das sie mit der Clubcommission, dem Netzwerk der Berliner Clubkultur e.V., und verschiedenen Berliner Nachtclubs zusammenarbeitet. Die Club-Kultur hat für Berlin einen prägenden Charakter, gleichzeitig kämpfen Clubs und auch ihre Beschäftigten mit großen Herausforderungen. „Die Clubbesitzer haben erkannt, dass sie etwas für ihre Beschäftigten tun müssen. Die Fluktuation ist hoch. Die Nachtarbeit bringt große Herausforderungen mit sich. Die Beschäftigten haben häufig schwierige Arbeitsbedingungen und brennen gleichzeitig für ihren Job.“ In der Regel gibt es kein institutionalisiertes betriebliches Gesundheitsmanagement, die Pflege sozialer Beziehungen und die Teilnahme am Alltagsleben ist aufgrund der Nachtarbeit schwierig. „Clubbesitzer sind an langfristigen Beschäftigungsverhältnissen interessiert. Die Menschen an der Bar und der Tür prägen häufig den Charakter des Clubs.“ Für die Clubcommission untersucht die Wirtschaftspsychologin nun, was im beruflichen Umfeld verbessert werden kann. In diesem Fall mal ohne digitale Technologien.

Ihr Anliegen ist es, dass mehr Menschen technologiebezogene Fertigkeiten und Kenntnissen erwerben, damit sie selbst aktiv werden können. Beispielsweise haben während der Corona-Pandemie viele Teams spontan von gemeinsamer Arbeit vor Ort im Büro auf virtuelle Zusammenarbeit umschwenken müssen, um weiterarbeiten zu können. Dabei lag zuallererst der Fokus darauf, alle Beschäftigten mit der nötigen Hard- und Software auszustatten. „Anschließend folgte aber häufig kein Reflexionsprozess, wie man denn die bisherige Zusammenarbeit gut in den virtuellen Raum übersetzt“, hat Wesche beobachtet.

Mit ihrer Forschung zu virtueller Zusammenarbeit möchte sie dazu beitragen, dass Führungskräfte und Beschäftigte nicht nur wissen, wie sie Software bedienen, sondern auch die geeigneten Kanäle oder Technologien für unterschiedliche Arten von Kommunikation und Zusammenarbeit kennen. „Je nach Kanal kann man besser Vertrauen und Zusammengehörigkeit im Team aufbauen“, so Wesche. Hilfreich sei es auch Strategien an der Hand zu haben, wie man Problemen und Missverständnissen bei virtueller Zusammenarbeit begegnet.

Technologienerd mit grünem Daumen

Sich selbst bezeichnet Jenny Wesche als „Technologienerd“. Sie nutzt ihren Faible auch für ihr Hobby: „Der Garten und die Zimmerpflanzen sind mein Ausgleich zur geistigen Arbeit.“ Damit das Grün regelmäßig gepflegt und gewässert wird, hat sie digitale Helferlein, die sich bei Bedarf melden.


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Anja Wetter | 27.10.2023