campusSOURCE Award rückt wichtige Forschungsunterstützungen in den Fokus

Bei der Online-Tagung 2022 an der FernUniversität wurden fünf Projekte ausgezeichnet, die programmierunerfahrene Forschende bei der Entwicklung eigener Software unterstützten.


Foto: GettyImages-alexsl

Offene Forschungssoftware und die Nationale (Open Source Meta-)Bildungsplattform Deutschland zur digitalen Begleitung des Lebenslangen Lernens waren die zentralen Themen der CampusSource-Tagung 2022. Veranstalter waren der Förderverein CampusSource e.V. und die CampusSource-Geschäftsstelle der FernUniversität in Hagen. Corona-bedingt fand die Tagung wieder online statt. Insgesamt 166 Teilnehmende bewiesen, dass die Themen auf großes Interesse bei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Lehrenden, Digitalisierungs-Beauftragten, IT- und organisationsverantwortliche Mitarbeitenden und Bibliotheksbeschäftigten an Universitäten, Hochschulen und Forschungseinrichtungen stießen.

Der Vormittag stand ganz im Zeichen der Preisverleihung des mit 19.000 Euro dotierten campusSOURCE Awards 2022, der gemeinsam mit dem Helmholtz Open Science Office und der Gesellschaft für Forschungssoftware de-RSE e.V. ins Leben gerufen worden war. Zahlreiche Wettbewerbsbeiträge aus dem gesamten Bundesgebiet waren eingereicht worden, ausgezeichnet wurden davon fünf. Dazu gehörte auch ein Sonderpreis für besonderes studentisches Engagement.

Selbst programmierte Software

Forschungsfragen mit Hilfe selbst programmierter Software zu untersuchen, gehört inzwischen zum Standard wissenschaftlichen Arbeitens. Die Forschungssoftware wird dabei von Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Ausbildungen entwickelt: Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftler, Studierende und Softwareentwicklerinnen und -entwickler aus der Praxis in unterschiedlichen Positionen.

Oft wird Forschungssoftware jedoch noch als „Nebenprodukt“ gesehen. Der campusSOURCE Award 2022 leistet einen Beitrag dazu, dies zu ändern und rückt mit dieser erstmals deutschlandweit vergebenen Anerkennung die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stärker in den Fokus, die auch Software als Teil ihrer Forschung entwickeln.

Entwicklungen für Metaebene ausgezeichnet

CampusSource, das Helmholtz Open Science Office und die Gesellschaft für Forschungssoftware de-RSE e.V. zeichneten mit ihrem Award Personen und Teams aus, die mit ihrer Arbeit wesentliche Beiträge zur Unterstützung von wissenschaftlich Arbeitenden leisten: Sie helfen durch Software oder Projekte programmierunerfahrenen Forschenden dabei, ihre eigene Forschungssoftware einfacher und besser zu entwickeln. Profitieren können alle Forscherinnen und Forscher, die Software entwickeln. Das Wichtige an diesem Award und den Projekten ist also, dass die Metaebenen-Entwicklungen ausgezeichnet wurden, nicht einzelne Forschungssoftware-Projekte.

Die Ausgezeichneten und ihre Entwicklungen

1. Preis (10.000 Euro): „best-practice programming templates with cookietemple“ (Video)

Lukas Heumos, Philipp Ehmele, Tobias Langes, Helmholtz Zentrum München

mehr Infos

Akademische Software muss komplexen Anforderungen genügen, wird jedoch oftmals unter Zeitdruck und von unerfahrenen Programmierinnen und Programmierern in interdisziplinären Projekten entwickelt. Dies führt häufig dazu, dass Projekte unvollständig und fehlerhaft veröffentlicht werden. Hier wird cookietemple vorgestellt, eine best-practice programming template Sammlung, wodurch Nutzern sowohl ein schneller Start in die Implementierung ermöglicht wird als auch der Mangel an professioneller Standardisierung angegangen werden soll. Dies wird anhand mehrerer Anwendungen, die auf Grundlage von cookietemple entwickelt wurden, demonstriert.

2. Preis (5.000 Euro): „Das Citation File Format (CFF): Forschungssoftware zitierbar machen“

Stephan Druskat, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt

mehr Infos

Das Citation File Format (CFF) ist ein offenes Community-Projekt, das ein Format für Softwarezitationsmetadaten spezifiziert und dafür ein entsprechendes Schema, eine Implementierung und Tooling bereitstellt. Das Format befähigt Forschende zur korrekten Zitierung von Softwareprojekten und -versionen, so dass Entwickler:innen von Forschungssoftware die ihnen zustehende Anerkennung erhalten können. Gleichzeitig fördert es Sichtbarkeit, Auffindbarkeit und Nachnutzbarkeit von wissenschaftlicher Software und trägt so auch zu besserer Nachvollziehbarkeit und Reproduzierbarkeit von Forschungsergebnissen bei. Dieser Vortrag gibt einen Überblick über das Projekt und Format CFF, sowie über vorhandene Werkzeuge und Integrationen in Plattformen wie GitHub, Zenodo und Zotero.

3. Preis (2.000 Euro): „SURESOFT: Ein Ansatz für nachhaltige Softwareentwicklung in der Wissenschaft“

Dr. Jan Linxweiler und sein Team, TU Braunschweig

mehr Infos

In vielen Disziplinen ist Forschungssoftware heutzutage von essenzieller Bedeutung für den wissenschaftlichen Fortschritt. In der Regel wird diese Software von den Wissenschaftler*innen selbst geschrieben. Diese verfolgen bei der Entwicklung allerdings zumeist eine kurzfristige Strategie, die auf möglichst frühzeitige Ergebnisse abzielt. In den meisten Fällen führt dieses Vorgehen jedoch zu einer geringen Softwarequalität, zumal die Wissenschaftler:innen im allgemeinen Autodidakten sind. Infolgedessen wird eine weitreichende und langfristige Verwendung der Software verhindert und gleichsam die Qualität der wissenschaftlichen Forschung und das Tempo des Fortschritts beeinträchtigt.

Das Projekt SURESOFT zielt darauf ab, eine generelle Methodik und Infrastruktur auf der Grundlage von Continuous Integration (CI) für Forschungssoftwareprojekte zu schaffen. CI ist die Voraussetzung für die Verbesserung der Qualität von Forschungssoftware, die Vereinfachung der Softwarebereitstellung und die Gewährleistung der langfristigen Nachhaltigkeit und Verfügbarkeit. Darüber hinaus nutzt SURESOFT die technische Grundlage von CI, um eine langfristige Archivierung und die Reproduzierbarkeit von Ergebnissen zu ermöglichen.

Im Rahmen des SURESOFT-Projekts haben sieben Partnerinstitutionen der TU Braunschweig seit nunmehr eineinhalb Jahren eng zusammengearbeitet, um einen Ansatz zur Unterstützung der Entwicklung von nachhaltiger Software sowohl zu entwickeln als auch selbst anzuwenden. Über Erfahrungen und sich gestellten Herausforderungen berichtet Dr. Linxweiler.

3. Preis: „Programmieren und Mehr: Erfahrungen mit der Entstehung von research software engineering“

Dr. Benjamin Fuchs und sein Team, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt

mehr Infos

Research Software Engineering (RSE) ist im letzten Jahrzehnt als Spezialisierung zur Unterstützung der Forschung entstanden. Da Dr. Fuchs seit seiner Promotion im Jahr 2012 in diesem Bereich arbeitet, hat er die Entwicklung dieser neuen Spezialisierung in seiner täglichen Arbeit aus erster Hand erlebt. Als Verantwortlicher für das Software-Engineering in der Abteilung ESY (Energiesystemanalyse) des DLR-Instituts VE (Vernetzte Energiesysteme) hat er gelernt, dass RSE viel mehr umfasst als nur die Erstellung von Quellcode. RSE beeinflusst unsere Kommunikation, unsere Arbeitsprozesse, die Art und Weise, wie wir Wissen austauschen und wie wir unsere Werkzeuge und die von uns eingesetzten Methoden nutzen. Dies wird besonders in Open-Source-Publikationen deutlich, die im Forschungsgebiet der Energiesystemanalyse eine wichtige Rolle spielen und zu denen Dr. Fuchs mit seinem Team aktiv mit Modellen und Werkzeugen beiträgt.

In diesem Vortrag legt Dr. Fuchs dar, was er als entscheidend für eine erfolgreiche, respektvolle Symbiose zwischen Forschung und Softwareentwicklung erlebt hat und wo er und sein Team die Früchte der Zukunft ernten können.

Sonderpreis für besonderes studentisches Engagement

Jonas Hagenberg und Linda Dieckmann, Max-Planck-Institut für Psychiatrie

mehr Infos

Am Max-Planck-Institut für Psychiatrie arbeiten Wissenschaftler:innen mit ganz unterschiedlichen Programmierkenntnissen zusammen. Viele von ihnen haben keine formale Ausbildung in Informatik, benötigen aber Programmierskripte und Forschungssoftware für ihre Forschung. Daher wurde der Codeclub wiederbelebt, bei dem sich gegenseitig Tipps rund um Programmierung, neue Softwarepackages oder beste Vorgehensweisen vorgestellt und Erfahrungen ausgetauscht werden. Außerdem bietet dieser eine Plattform, um Partner:innen für Code Review zu finden. In dem Vortrag wird die Motivation und das Konzept für den Codeclub näher vorgestellt.

Weitere Themen und Vorträge

Hidden Figures – wo sind sie?

Vortrag von Dr. Bernadette Fritzsch, Gesellschaft für Forschungssoftware de-RSE e.V.

mehr Infos

Der Film „Hidden Figures“ basiert auf historischen Tatsachen und zeigte 2017 einem breiten Publikum, dass bereits bei der Einführung von Computern bei der NASA in den 50-er Jahren Frauen an deren Programmierung beteiligt waren, deren Leistung aber weitgehend unbekannt blieb. Heute blicken wir auf eine immer weiter erstarkende Community der Research Software Engineers und fragen nach Diversität und nach Sichtbarkeit von Frauen bei der Entwicklung von Forschungssoftware.

Stand des BMBF-Projektes zur Nationalen Bildungsplattform

Vortrag von Dr. Jan Renz, Bundesministerium für Bildung und Forschung

mehr Infos

Das Projekt der Nationalen Bildungsplattform des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), welches im Handlungsfeld des digitalen Bildungsraumes durchgeführt wird, geht demnächst in die Umsetzungsphase. Dieses Projekt hat zum Ziel den Bildungsraum bereichs- und lebensphasenübergreifend zu vernetzen – dies schließt Universitäten und Hochschulen explizit mit ein. Dr. Jan Renz vom BMBF bringt uns hier auf den aktuellen Stand – was sich als ein Ergebnis der dann abgeschlossenen Konzeptionsphase schon vorsichtig sagen lässt: Die Projekt Bezeichnungen „National“ und „Plattform“ sind vermutlich nicht zutreffend.

SSI, my, oh, my! – Nutzer-Selbst-Souveränität in Lehr- und Lernsystemen

Vortrag von Dr. Gerd Kortemeyer, ETH Zürich

mehr Infos

Was hat das Bezahlen einer Tasse Kaffee mit dem Erwerb eines Master-Abschlusses zu tun? Welche Auswirkungen wird die Datensouveränität in Verbindung mit selbstsouveränen und verteilten Identitäten auf das Bildungsökosystem haben? Wie lassen sich Bildungsdienste am besten verpacken, damit selbstsouveräne Lernende und Lehrende mit ihnen in Verbindung treten können? Wie können Universitäten in einer globalisierten Gesellschaft, in der Betrug an der Tagesordnung ist, die Echtheit von Credits und Abschlüssen überprüfen? Was, wenn gegenseitiges Wohlwollen einfach nicht vorausgesetzt werden kann? Und was hat Einstein mit all dem zu tun? Diese und weitere Fragen werden in diesem Vortrag nicht beantwortet, aber wir können hoffentlich vor dem Hintergrund einer Einführung in Self-Sovereign Identities (SSI) darüber nachdenken, wie wir uns ihnen nähern können.

Open Source, Open Science und Open Access

CampusSource hat das Ziel, Open Source und Open Access in Forschung und Lehre zu fördern. Das Open Source-Softwareangebot richtet sich an nationale und internationale Anwender in allen Bildungseinrichtungen, Institutionen und Unternehmen. Im Rahmen eines Internetportals bietet CampusSource neben Hinweisen zu eigenen Aktivitäten Informationen unter anderem zu den Themen Open Source, Open Science und Open Access, außerdem begleitende Themenstellungen im Kontext zu seinen Produkten und Dienstleistungen.

Gerd Dapprich | 07.04.2022