Prof. Eva Cendon über „Aufstieg durch Bildung“
Die wissenschaftliche Begleitung des Bund-Länder-Wettbewerbs wurde von der FernUniversität aus koordiniert. Die Erkenntnisse macht das Forschungsteam jetzt zugänglich.
Wie sieht die Evolution der Hochschulbildung aus? Für Prof. Dr. Eva Cendon gibt es einen klaren Trend: Die Zukunft der Hochschulen liegt im lebenslangen Lernen, ermöglicht durch gute wissenschaftliche Weiterbildungsangebote. Die Bildungsexpertin der FernUniversität in Hagen ist Leiterin eines Forschungsteams, das den Bund-Länder Wettbewerb „Aufstieg durch Bildung: offene Hochschulen“ wissenschaftlich flankiert (s. Infobox). Die Förderlinie ist eine Initiative von Bund und Ländern; seit 2011 stellte das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hierfür insgesamt 250 Millionen Euro bereit. Im Juli dieses Jahres findet der Wettbewerb seinen Abschluss. Jetzt hat das Konsortium eine Broschüre veröffentlicht, die die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung zusammenfasst.
„Die Idee hinter dem Wettbewerb ist, die Hochschulen für neue Zielgruppen zu öffnen“, erklärt Prof. Cendon. Vor allem Berufstätige und Menschen mit Familie sollen einen leichteren Einstieg in die Hochschulbildung finden. Durch neue Formate, Themen und Strukturen werden Durchlässigkeit in Richtung Berufswelt erhöht und wissenschaftliche Weiterbildungsangebote besser institutionell verankert. Aus Sicht von Eva Cendon ist das ein notwendiger bildungspolitischer Schritt – auch mit Blick auf den demografischen Wandel. Seit dem Start der Förderlinie haben sich über 100 Einrichtungen auf den Weg gemacht. „Es ist eine breite Bewegung entstanden“, resümiert die Bildungswissenschaftlerin. „Etwa ein Viertel der Hochschulen in Deutschland beteiligt sich in insgesamt 77 Projekten – auf ganz unterschiedliche Art und Weise.“ Mit dabei sind Universitäten wie Fachhochschulen, private wie öffentliche Bildungsanbietende.
Nachhaltige Verankerung
In ihrer Broschüre beschreiben die Forschenden die Herausforderungen bei der Etablierung neuer wissenschaftlicher Weiterbildungsangebote. Ausgehend davon leiten sie Handlungsempfehlungen ab. „Ein erster wichtiger Bereich ist die nachhaltige Verankerung an Hochschulen“, fasst Cendon zusammen. Daran schließen sich mehrere Fragen an: „Wie wird das Thema ‚Weiterbildung‘ verstanden, wo wird es verortet, wie wird es implementiert? Wie funktioniert die Finanzierung? Wie muss die Personalstruktur aussehen?“ Dabei müsse jede Hochschule für sich selbst herausfinden, welches Gewicht der Weiterbildungssektor für ihre Zukunftsorientierung hat – vom „Innovationslabor“ bis hin zum reinen Servicecharakter seien hier verschiedene Modelle denkbar. Die FernUniversität zum Beispiel gründete im letzten Jahr ein eigenes Institut in GmbH-Form.
Wissenschaftliche Begleitung durch Konsortium
Das Forschungsteam unterstützt die Förderprojekte dabei, neue Angebote zu konzipieren und institutionell zu verankern. Zugleich sammelt und teilt es Wissen darüber, wie sich lebenslanges Lernen national und international weiterentwickelt. Die Projektleitung liegt bei den Forschenden der FernUniversität Prof. Dr. Eva Cendon (Lehrgebiet Wissenschaftliche Weiterbildung und Hochschuldidaktik) und Prof. Dr. Uwe Elsholz (Lehrgebiet Lebenslanges Lernen) sowie bei Prof. Dr. Karsten Speck (Universität Oldenburg); Prof. Dr. Uwe Wilkesmann (Technische Universität Dortmund) und Dr. Sigrun Nickel (CHE Gemeinnütziges Centrum für Hochschulentwicklung).
Gute Angebote etablieren
Ein zweiter Bereich ist eng verknüpft mit den Ergebnissen aus dem Bund-Länder-Wettbewerb: die Entwicklung von geeigneten Angebotsformaten. „Viele Hochschulen denken grundsätzlich in Studiengängen“, kritisiert die Bildungswissenschaftlerin. „Es muss immer ganze Bachelor- und Masterstudiengänge geben – das ist natürlich ein großer Aufwand.“ Mit Blick auf wissenschaftliche Weiterbildungsangebote schlägt Cendon dagegen die Entwicklung von kompakten Formaten vor: „Wir müssen vom Kleinen zum Großen gehen. Etwa mit Zertifikatsprogrammen, die aus einigen Modulen bestehen.“ Außerdem brauche es unterschiedliche Formen der Zusammenarbeit. „Angebote können etwa gemeinsam mit Unternehmen oder berufsständischen Einrichtungen entwickelt werden.“ Die FernUniversität selbst kooperiert eng mit großen Unternehmen aus der Region.
Berufstätige abholen
„Der dritte Punkt hat uns auch an der FernUniversität sehr beschäftigt“, sagt die Forscherin. „Wie müssen Lehren und Lernen eigentlich gestaltet sein, damit Berufstätige an die Hochschule kommen?“ Laut Cendon sei es entscheidend, die Qualitäten wertzuschätzen, die Menschen aus ihren Jobs mitbringen: Angefangen bei der Anrechnung beruflicher Leistungen und Kompetenzen bis hin zu speziellen Prüfungsformaten, die den Erfordernissen aus der Berufswelt gerecht werden. „An der FernUniversität kann man gut berufsbegleitend studieren – auch im grundständigen Studium. Mit Blick auf unser Weiterbildungsangebot können aber auch wir uns noch verbessern!“
Ende des Nischendaseins
Cendon spricht auch einen neuralgischen Punkt an: „Die Weiterbildung kämpft an Hochschulen damit, dass sie einerseits Kernaufgabe ist, andererseits aber als wirtschaftliche Tätigkeit behandelt wird.“ Das drängt sie bislang oft in einen institutionellen Randbereich. Hier sorgt jedoch die Corona-Pandemie für veränderte Vorzeichen: „Viele Hochschulen stehen vor der Herausforderung, dass sie sich von Null auf Hundert auf neue Formen der Lehre umstellen müssen.“ Was vormals bloß in der Peripherie der Weiterbildung entwickelt und erprobt wurde, erlange nun generell Bedeutung – zum Beispiel mit Blick auf Blended Learning, Online-Formate und Fernlehre. Die Innovationskraft des Weiterbildungssektors wird demnach mehr denn je benötigt, seine Reputation im Vergleich zu klassischer Lehre und Forschung steigt: „Durch die Krise schaut man anders auf das Thema!“