Der inklusive Gedanke treibt ihn an
Leistungssport, Vollzeitjob, Fernstudium und Familie
Er war Europameister und Vize-Weltmeister. Nur eine Medaille bei den Paralympischen Spielen fehlt Mathias Schulze (40) aus Cottbus noch. Deswegen will der fast zwei Meter große Kugelstoßer ohne linken Unterarm noch nicht aufhören mit der Para-Leichtathletik. Ähnlich geht es ihm mit seinem Studium an der FernUniversität in Hagen: Das Bachelor-Studium der Bildungswissenschaft hat ihm zu seinem Traumjob als Inklusionsberater für Paralympischen Sport am Schulamt Cottbus verholfen. Zum Abschluss fehlt jetzt noch die Bachelor-Arbeit.
Für die hat Mathias Schulze aber gerade keine Zeit. Leistungssport, Vollzeitjob, Familie mit zwei kleinen Kindern und der Hausbau auf der Zielgeraden: Da muss das Fernstudium in die zweite Reihe treten. „Es ist schön, dass ich das Studium gefunden habe. Ich habe schon sehr viel Wissen mitgenommen“, sagt Schulze über seine Studienzeit. „Die Inhalte kann ich in meinem Job im Schulamt praktisch anwenden.“ Trotzdem hat Mathias Schulze den Anspruch und Ehrgeiz, irgendwann seinen Abschluss unter Dach und Fach zu haben, spätestens nach Ende seiner aktiven Sportkarriere. Denn das Thema für seine Bachelorarbeit hat er längst im Kopf. Es soll um Bildungsvermittlung im Leistungssport mit Handicap gehen und die Prüfung bestehender Angebote in Brandenburg, die Schule/Studium und Sport parallel ermöglichen.
Traum von einer Medaille bei den Paralympics
Seine eigene Karriere im Kugelstoßen neigt sich langsam dem Ende entgegen. Eigentlich sollte bereits nach den Paralympics in Paris 2024 Schluss sein, die letztlich ohne ihn stattfanden. Hartnäckige Infekte in der Vorbereitung machten ihm einen Strich durch die Rechnung. „Ich war auf einem guten Weg und habe bis zum Schluss um die Teilnahme gekämpft. Es war nicht meine Saison“, zieht er Bilanz. So möchte er sich nicht von der Sportbühne verabschieden, zumal er bei seinen dritten Paralympischen Spielen 2021 in Tokio mit seiner persönlichen Bestweite von 15,60 Metern als Fünfter ganz nah dran war an einer Medaille. Das Drama, das ihn bis heute wurmt: Ein lockerer Klettverschluss an seinem Schuh hatte die Begrenzung des Abwurfrings berührt und so zur Disqualifikation seines 30 Zentimeter weiteren Versuchs geführt. „Mit 16 Metern habe ich nach wie vor eine realistische Medaillenchance in der Startklasse F46“, sagt Schulze. Diese Weite und den Traum vom Edelmetall würde er sich gerne noch erfüllen. Entweder nächstes Jahr bei der Weltmeisterschaft oder vielleicht sogar bei den Paralympics 2028 in Los Angeles, das würde allerdings noch vier harte Jahre bedeuten.
Lange Arbeits- und Trainingstage
Denn der Aufwand ist immens. Der Para-Sport ist in den vergangenen Jahren härter geworden. Acht bis elf Trainingseinheiten stehen in der Vorbereitung auf ein sportliches Großereignis wie die Paralympics pro Woche an. „Die Unterstützung hier in Brandenburg ist groß. Ich habe sehr gute Rahmenbedingungen und sogar eigens ein Kältebecken zum Regenieren.“ Auch deshalb macht Mathias Schulze weiter.
Sieben Jahre hat sein Weg in die internationale Spitze gedauert, parallel zum Vollzeitjob, damals noch im Maschinenbau in der freien Wirtschaft. Als Jugendlicher hielt Mathias Schulze den Schulrekord im Kugelstoßen. Vor 20 Jahren schaute er vor dem Fernseher bei den Paralympics in Athen begeistert zu. Der Funke sprang über. „Das kann ich auch. Mir fehlt doch nur der linke Unterarm“, dachte er sich und nahm dafür lange Arbeits- und Trainingstage mit je zwei Einheiten vor und nach dem Job auf sich.
Bildung und Sport beruflich verbinden
Mathias Schulze ist Kämpfer und Vorbild für andere Menschen mit Beeinträchtigung. Er repräsentiert den inklusiven Gedanken bei Veranstaltungen und bringt sich in die Talentsichtung ein. Seine Erfahrung hilft ihm auch seit drei Jahren im Schulamt der Stadt Cottbus. Ob ein schwerhöriger Junge mit Implantat, eine Schülerin mit Diabetes, Kinder mit Adipositas oder Lehrkräfte, die Fragen zur Versicherung haben: Er ist Anlaufstelle und Kümmerer für Sportler:innen, Schüler:innen, Eltern, Schulen und Vereine. „Auch Menschen mit Handicap möchten sich sportlich messen. Die Anfragen nehmen zu“, berichtet er. Sein Wunsch, Bildung und Sport beruflich zu verbinden, motivierte ihn zum Fernstudium. „Für mich sind es der Sport und die Arbeit mit Menschen, die mich antreiben“, hat Schulze seine Berufung gefunden.
Stand: November 2024