Jean-Philippe Kindler

Die FernUniversität ermöglicht dem erfolgreichen Künstler ein Studium

Junger Mann steht am Bahnhof Foto: Fabian Stürtz
Jean-Philippe Kindler ist einer der erfolgreichsten Poetry-Slam-Künstler in Deutschland. Mittlerweile arbeitet er als Moderator und Autor und bleibt der Szene trotzdem treu, auch wenn er nicht mehr an Wettbewerben teilnimmt.

Mit seinen jungen 23 Jahren hat Jean-Philippe Kindler in der Poetry-Slam Szene alles erreicht, wovon andere Künstlerinnen und Künstler träumen: 2017 gewann er den NRW-Slam und 2018 entschied er die deutschsprachige Meisterschaft für sich. Mittlerweile spielt er erfolgreich sein eigenes Kabarett-Programm, arbeitet als Moderator und Autor. Seit April studiert er zudem Politikwissenschaft, Verwaltungswissenschaft, Soziologie im Bachelor an der FernUniversität in Hagen.

Der Wahl-Bochumer studierte vor ein paar Jahren an einer Präsenzuniversität in Tübingen Rhetorik. Damals musste er sich zwischen seiner Bühnenkarriere und dem Studium entscheiden. „Das hat mich sehr geärgert und ich habe diese Situation als Mangel im Bildungssystem empfunden“, erzählt Kindler. Diese Entscheidung muss er an der FernUniversität glücklicherweise nicht treffen. „Das Angebot der FernUni ist wunderbar, da ich nicht vor Ort sein muss und auch halbtags studieren kann.“ Ein „normales“ Studium würde sich mit seinem Job nicht vereinen lassen.

Corona-Krise trifft Selbstständige hart

Da Kindler selbständig ist, betrifft ihn die aktuelle Corona-Krise sehr. Viele seiner Buchungen werden derzeit abgesagt. „Einige meiner Kolleginnen und Kollegen geraten momentan in finanzielle Not“, erzählt Kindler. Anderseits erfährt er in dieser schweren Zeit auch Solidarität. Einige Auftraggeber wollen ihm seine Gage bereits für die gebuchten Workshops bezahlen, um ihn in dieser Situation zu unterstützen.

Rasante Karriere

Jean-Philippe Kindler besuchte dank seiner besten Freundin zum ersten Mal einen Poetry Slam. Damals wusste er nicht einmal, was das ist. Doch schon nach kurzer Zeit traute er sich selbst auf die Bühne: Sein erster Auftritt war ein U20 Poetry Slam in Bochum. „Am Anfang trug ich echt schlechte Texte vor“, erzählt Kindler lachend. Nach dem ersten holprigen Auftritt entwickelte sich seine Karriere aber rasant.

Seine Slams und auch seine Solo-Programme sind immer politisch geprägt. Anfangs schrieb er nach seinen Angaben gefällige Texte – einfache, verdauliche politische Botschaften, von denen sich niemand angegriffen fühlte. Er akzeptiert seine Anfänge, schreibt mittlerweile aber auch über ernste Themen. „Ich möchte nicht nur Witze erzählen. Ich will erreichen, das Kabarett und Comedy literarischer und schöner werden."

Mittlerweile sei er aus dem Format Poetry Slam „herausgewachsen“. „Ich habe die wichtigsten Preise der Szene gewonnen und möchte mich nicht mehr dauerhaft in einem Wettbewerb stellen“. Trotzdem möchte er der Szene treu bleiben und moderiert weiterhin Slam-Veranstaltungen.

Studium und Arbeit ergänzen sich

Von seinem Studium erhofft er sich, dass er viele Inhalte für seine Arbeit einsetzen kann. Seine Kabarett- und Comedy-Programme sind bereits sehr soziologisch geprägt. Als freischaffender Künstler ist es für den Bochumer sowieso schwierig, Privates und Berufliches zu trennen. Liest er zum Beispiel Literatur, könnte ihn dies auch für seine Arbeit inspirieren.

Junger Mann steht auf einer Bühne Foto: Fabian Stürtz
Regelmäßige Bühnenauftritte gehören zu seinem Leben dazu. Er ist meistens drei oder vier Tage in der Woche unterwegs.

Unter einen Hut bekommen: Arbeit, Engagement und Studium

Neben seiner Tätigkeit u.a. als Autor, engagiert sich Jean-Philippe Kindler für die Gesellschaft. Er gibt sogenannte „Gerechtigkeits-Workshops“ für Kinder und Jugendliche an Schulen und in Stiftungen. Bereits in seinem ersten Solo-Programm „Mensch ärgere dich nicht“ spricht er über soziale Ungerechtigkeit.

Auf die Frage hin, wie er seine Arbeit, sein Engagement und das Studium unter einen Hut bekomme, meint Kindler, dass es nur mit Selbstorganisation funktioniere. „Viele stellen sich die Freiberuflichkeit als Paradies vor, aber so ist es nicht. Ich muss meinen Tag wie andere auch strukturieren“, sagt Kindler. Er hat für sich selbst „normale“ Arbeitszeiten in Blöcken festgelegt, die er versucht einzuhalten. Für sein Studium möchte er die Blöcke anpassen und so verschieben, dass er neben seinem Job auch Zeit für die Studienaufgaben findet.

Bildungsarbeit an Schulen

Wenn er an Schulen und in Stiftungen zu Gast ist, spielt er aus seinem Programm und spricht dann mit den Kindern und Jugendlichen über Gerechtigkeit. Zuerst meldet sich oft niemand. Es wird dann besser, wenn er konkrete Fragen stellt, z.B. wie fair sie die Bezahlung von Pflegekräften finden, und es beginnen Diskussionen. Er gibt dann Hinweise und Hilfestellungen, wie Schülerinnen und Schüler über das Thema sprechen oder schreiben können. Das kommt bei den jungen Leuten gut an.

Wie empfinden junge Menschen Gerechtigkeit?

„Viele junge Menschen haben einen sehr praktischen Zugang zu Themen – es geht oft um Einzelfälle, wie zum Beispiel, die Pflegekraft, die zu wenig verdient“, erzählt Kindler von seinen Erfahrungen. Er findet es gefährlich, dass gerade junge Menschen aber auch die Politik sich oft nur mit Einzelschicksalen beschäftigt, statt generelle Strukturen zu untersuchen. Er will vermitteln, dass es mehr gibt als diese Einzelgeschichten, die gerade auf sozialen Plattformen auf großen Anklang stoßen.

Bühnenprogramm stark von Soziologie geprägt

In seinem nächsten Programm beschäftigt er sich mit dem Thema „Glück“. Warum streben wir Menschen nach Glück? Dieser Frage möchte er auch stark in seinem Soziologie-Studium nachgehen und z.B. danach schauen, in welchen literarischen Werken über Glück gesprochen wird. Durch die Inhalte seines Studiums stützt er nicht nur seine eigenen Ideen, sondern möchte auch andere zum Nachdenken anregen. „Ich möchte wissenschaftliche Themen für ein breites Publikum zugänglich machen, das ist mein Anliegen“, so Kindler.

(Stand: April 2020)