Kerstin Gahr
Auf Spurensuche als IT-Forensikerin
Wenn Kerstin Gahr nach einem Verbrechen auf Spurensuche geht, nimmt sie ein Smartphone in die Hand. Die 29-Jährige ist Mobilfunk-Forensikerin beim Bayerischen Landeskriminalamt. Für ihre Masterarbeit an der FernUniversität in Hagen ist sie mit dem MINT-Award IT-Sicherheit ausgezeichnet worden – gesponsert vom Bundesamt für Verfassungsschutz.
Die Krise in der Autoindustrie war keine Krise für Kerstin Gahr. Nach ihrer Ausbildung zur Fachinformatikerin für Systemintegration lässt die heute 29-Jährige die Automobilbranche hinter sich. Stattdessen rüstet sie ihre Berufserfahrung auf und entscheidet sich für ein Informatik-Studium, zunächst an einer Präsenzuni, dann an der FernUniversität in Hagen. Schon währenddessen begibt sie sich auf digitale Spurensuche beim Bayerischen Landeskriminalamt.
Ihr Einsatzgebiet erstreckt sich weit über die Grenzen der Cyber-Kriminalität hinaus. Beispiel Drogenfahndung: „Nutzt ein Dealer eine Messenger-App, die in Deutschland unbekannt ist, müssen wir die Nachrichten und Kontaktdaten auswerten.“ Die IT-Forensikerin hat sich vor allem auf die Arbeit mit mobilen Geräten wie Tablets und Smartphones spezialisiert. Da die Daten oftmals stark verschlüsselt sind, wird das Smartphone von der Strafverfolgung offiziell „gehackt“.
MINT-Award für Masterarbeit zur IT-Sicherheit
„Um die Daten auswerten zu können, müssen wir die Handys physisch untersuchen. Das ist mit viel Aufwand, Zeit und Kosten verbunden“, sagt Gahr. In ihrer Masterarbeit hat sie sich mit der Frage beschäftigt, wie zum Beispiel Messenger-Apps virtuell ausgewertet werden können, „ohne das Handy in die Hand zu nehmen.“ Noch komplizierter ist es, wenn die Apps mit einer Schadsoftware infiziert sind.
Das Problem dabei: Viele schädliche Apps „merken“, wenn sie in einer virtuellen Untersuchungsumgebung zum Laufen gebracht werden und verstecken ihre bösartigen Funktionen. „Ich habe mich gefragt, wie man diese Schadprogramme austricksen kann, damit sie ihre schädliche Funktionalität auch in einer virtuellen Umgebung offenbaren.“ Kerstin Gahrs Ideen sind in eine Software geflossen, mit der sich eine virtuelle Untersuchungsumgebung einfach konfigurieren und nutzen lässt – auch um Passwortsperren oder andere Hürden schädlicher Apps zu umgehen.
Für ihre Forschung ist die FernUni-Absolventin vom Bundesamt für Verfassungsschutz mit dem MINT-Award IT-Sicherheit ausgezeichnet worden. Absolventinnen und Absolventen aus MINT-Studiengängen waren aufgerufen, ihre Abschlussarbeiten einzureichen. „Die Preisverleihung in Berlin war toll, aber ich hätte nicht damit gerechnet, dass der Pokal so schwer ist“, scherzt die sportliche junge Frau über das „Mordsding“, das sie vorsichtshalber nicht in ihrer Reisetasche im Zug bis nach München transportieren wollte.
Viel leichter als der Pokal war die Entscheidung, an der FernUni zu studieren. „Ich habe öfter im Internet recherchiert, welche Möglichkeiten es für ein Fernstudium oder für Weiterbildungen gibt“, sagt Gahr. Wegen ihres Vollzeitjobs bei der Justiz hatte sie keine Möglichkeit mehr, die Vorlesungen an einer Präsenzuni zu besuchen. „Da bin ich auf einige Anbieter von Fernkursen gestoßen, aber das Angebot der FernUni in Hagen hat mir am besten gefallen. Dann noch eine Info-Veranstaltung im Regionalzentrum München und die Entscheidung stand fest.“
Vom Schreibtisch in die Natur
Und auch wenn das Fernstudium nicht immer stressfrei war, antwortet Gahr auf die Frage nach der doppelten Arbeitsbelastung mit einem bayerischen „Na, das passt scho.“ Überrascht hatte sie vor allem im direkten Vergleich mit einer Präsenzuni der intensive Austausch mit den Lehrbeauftragten. „Ich hätte nicht gedacht, dass die Betreuung so gut ist“, sagt sie auch über die Studienorganisation. „Egal welches Problem ich hatte, ich habe immer schnell eine Lösung bekommen, deshalb kann ich ein Fernstudium nur jedem empfehlen.“
In ihrer Freizeit tauscht die IT-Forensikerin virtuelle Umgebungen gerne mal gegen die grüne Natur, zieht ihre Joggingschuhe an und nimmt regelmäßig an Sport-Wettkämpfen teil. Ausgleich muss sein, vor allem, weil sie schon das nächste Ziel vor Augen hat. Nach einer weiteren Ausbildung – zur Sachverständigen beim Landeskriminalamt – könnte sie sich vielleicht sogar noch eine Promotion vorstellen. „Jetzt muss ich erstmal die Bremse treten, aber wenn es Spaß macht, dann macht man es auch gerne.“
Stand: Dezember 2019