Julia Büsselberg
Mit Bergen von Studienbriefen auf Weltreise
Julia Büsselberg sitzt ausnahmsweise zu Hause in Berlin am Computer. Normalerweise reist die 22-Jährige Seglerin zwei Drittel des Jahres durch die Welt. Der Frühsommer ist durchgetaktet mit Trainingslagern und Regatten. Dann bleibt meist wenig Zeit für ihr Mathematik-Studium an der FernUniversität in Hagen. „Ich habe trotzdem für alle Fälle immer Berge von gedruckten Studienbriefen im Gepäck“, erzählt sie im Videointerview. „Denn ich lerne am liebsten mit Papier.“
Mal besser, mal schlechter
Mit ihrem Bachelor-Studium läuft es mal besser und mal schlechter. Der Start nach dem Abitur fiel ihr leicht. Julia Büsselberg war mit den Leistungskursen Mathematik und Physik bestens vorbereitet. Parallel bildete sie sich während der Schulzeit im Mathe-Zirkel der Humboldt-Universität Berlin fort. Das erste Modul war daher ein Selbstläufer. Doch dann kam die eigentliche Herausforderung: Das Reisen um die Welt mit dem Fernstudium zu kombinieren. „Ich war damit überfordert und habe mich im zweiten Semester nicht zu den Prüfungen angemeldet.“ Zwei Jahre Corona-Pandemie machten auch den Seglerinnen und Seglern einen Strich durch die Rechnung. Viele Trainingslager und Regatten mussten abgesagt werden. „Dadurch haben sich Freiräume für die Mathematik aufgetan und mir ist der Wiedereinstieg ins Fernstudium geglückt." Julia Büsselberg hat das Beste aus der schwierigen Zeit gemacht.
Mathestudium hilft beim Segeln
Mittlerweile hilft ihr das Mathestudium sogar beim Segeln. Denn in den Regatten muss sie mit ihrem Boot den kürzesten und schnellsten Weg um die Strecke aus Tonnen finden. „Inzwischen habe ich mir einen Blick erarbeitet, mit dem ich quasi aus Parallelogrammen bestehend meinen Weg zur nächsten Wendemarke auf dem Wasser sehe“, verrät Büsselberg. „Im besten Fall finde ich so einen deutlich kürzeren Weg.“
Training auf dem Land und auf dem Wasser
Auf dem Wasser sind aber nicht nur ihre mathematischen Fähigkeiten gefordert. In ihrer Bootsklasse ILCA6 (ehemals Laser Radial) ist sie im Rennen Einzelkämpferin und muss das 4,23 Meter lange und 1,37 Meter breite Boot in einem großen Starterfeld mit bis zu 60 Booten bändigen. Dafür trainiert sie hart, um körperlich topfit zu sein. In Berlin stehen Krafttraining im Geräteraum, Jonglieren für die Koordination und Ausdauer auf dem Ruder-Ergometer auf dem Trainingsplan. Am Stützpunkt in Kiel kommen Theorie und Segeleinheiten hinzu. Vier bis fünf Stunden am Tag kommen da schnell zusammen.
Olympia als Lebenstraum
Die Erfolge der Berlinerin können sich sehen lassen. Nach Medaillen bei Welt- und Europameisterschaften bei den Juniorinnen ist der Wechsel zu den Seniorinnen geglückt. Bei der WM 2021 im Oman verfehlte Julia Büsselberg als Fünfte nur knapp das Podest. Ihr Traum sind die Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris. In ihrer Bootsklasse wird es nur einen Startplatz für die deutschen Seglerinnen geben. „Die Qualifikation ist kompliziert, aber eine Teilnahme ist nicht unrealistisch“, will sie für ihren Lebenstraum kämpfen.
Mathe-Abschluss als Basis für die Zukunft
Eine Karriere als Profiseglerin stuft sie dennoch als unwahrscheinlich ein. Vom Segeln allein lässt es sich auf Dauer nicht leben. Aktuell kann sie immerhin die Kosten decken – Verband, Verein, Sponsoren und die deutsche Sporthilfe machen es möglich. Neben der finanziellen Unterstützung sind der Rückhalt von Trainingsgruppe und Familie unverzichtbar. Julia Büsselberg kommt aus einer Seglerfamilie. Als Kind lernte sie das Segeln im Boot vom Opa auf dem Wannsee. Ähnlich wie beim Wassersport ist es im Fernstudium. Meist kämpft sie sich allein durch die Module. Doch im Hintergrund helfen ihr Online-Lerngruppen und der Austausch per Chat.
Wohin die Reise später beruflich gehen soll, lässt Julia Büsselberg vorerst offen: „Mathematik ist spannend. Aber auch Technik fasziniert mich. Ich liebäugele zudem mit Medizin.“ Eine Fortsetzung des Studentinnenlebens ist also wahrscheinlich.
Stand: Mai 2022