„Die einzige Kontinuität ist der Wandel“

Prof. Dr.-Ing. Helmut Hoyer (Rektor 1997 bis 2015) blickt auf die vierte Dekade der FernUni-Geschichte, die Phase der Neustrukturierung, zurück.


Porträtbild von Rektor Prof. Helmut Hoyer Foto: Veit Mette

Es ist das bestimmende Gefühl einer Ära: „Die einzige Konstante in meiner Amtszeit ist der Wandel“, sagt Prof. Dr.-Ing. Helmut Hoyer. Der Rektor der FernUniversität in Hagen überblickt 18 Jahre an der Spitze der Hochschule, gestaltete in vier Amtszeiten die Politik. Und entscheidende Entwicklungen der letzten zehn Jahre FernUni-Geschichte reichen mit ihren Wurzeln weit in die Jahre zuvor.

Wenn Rektor Hoyer bereits zu Beginn dieses Jahrzehnts von einem „Prozess der fortdauernden und zunehmend beschleunigenden Universitätsentwicklung“ schrieb, so hatte er sicherlich die sich mit hohem Tempo verändernden Rahmenbedingungen im Blick, die in Nordrhein-Westfalen alle Hochschulen in die Pflicht nahmen: Zum Beispiel die ökonomisch motivierte Herangehensweise des damaligen nordrhein-westfälischen Wissenschaftsminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart an Hochschulstrukturen.

Sie trieb doch für einige Zeit einen Keil in die Hochschullandschaft und auch in die FernUniversität. Wird der humanistische Bildungsauftrag geopfert? Können unternehmerisch agierende Hochschulen sich klarer und mit größerer Strahlkraft positionieren? Wo bleibt die Freiheit von Forschung und Lehre? Diese Fragen wurden auch in der FernUniversität heftig diskutiert.

Sie war zu dieser Zeit sehr darauf angewiesen, ihr besonderes Studienangebot für Berufstätige und ihre gerade auf diese Zielgruppe zugeschnittene Studienstruktur deutlich zu machen. Denn die vom Land geforderte Studiengebühr für z.B. Langzeitstudierende hatte zur Folge, dass gerade noch 44.000 Männer und Frauen im Jahr 2005 an der FernUni studierten, die hohe finanzielle Verluste verkraften musste.

Vielfältige Umstrukturierungen

Kanzlerin Regina Zdebel schaffte als Verwaltungschefin nicht nur mit dem Rektorat die geforderten Stelleneinsparungen, sondern sie bewältigte auch eine Neuaufstellung der Zentralen Hochschulverwaltung: als Dienstleisterin für die Studierenden und für die Wissenschaft.

Das Rektorat startete zugleich einen Prozess zur Positionierung der FernUniversität in der deutschen Hochschullandschaft. Hoyer: „Als führende Anbieterin eines modernen Fernstudiums.“ Qualitätssicherung in der Lehre, ein Modell zur Fachbetreuung in den neuen Bachelor- und Masterstudiengängen, Förderung der Forschung waren Stichworte für den Hochschulentwicklungsplan 2010.

In dieser Zeit entließ die nordrhein-westfälische Landesregierung mit dem Hochschulfreiheitsgesetz, das zum 1. Januar 2007 in Kraft trat, die Hochschulen in eine neue Autonomie. Es war eine große Herausforderung für die Leitungen: Sie trugen – anstelle des Ministeriums – plötzlich Verantwortung für die Hochschulen in allen Bereichen, einschließlich der Finanzen und für das Personal ihrer Einrichtungen.

Für die Rektorate kam die Hochschulautonomie genau in dem Moment, als deren Unterfinanzierung sichtbar wurde. „Wir erhielten die Verwaltung des Mangels übertragen“, sagt Hoyer in der Rückschau.

Und sie bekamen als neues Aufsichtsgremium zum Januar 2008 einen Hochschulrat, der über externe Mitglieder Ideen aus Wirtschaft und Gesellschaft in die strategische Ausrichtung einbringen sollte. „Wir haben die Gestaltungsspielräume des Hochschulfreiheitsgesetzes gut genutzt, um die FernUniversität sicher und zukunftsfähig aufzustellen“, wertet Hoyer rückblickend.

Entwicklung des Studienangebots

Pocket PC Foto: FernUniversität, Archiv
Bereits zu Beginn des neuen Jahrtausends war die didaktisch sinnvolle Verwendung mobiler Endgeräte ein wichtiges Thema für Forscher und Entwickler.

Die gestuften Bachelor- und Masterstudiengänge wurden in den Folgejahren sehr gut angenommen. Sie sind aufgrund ihrer kürzeren Studienzeit gerade für die besondere Studierendengruppe an der FernUniversität gut geeignet, ermöglichen sie ihr doch neben dem Beruf, der Familie oder anderen Verpflichtungen einen akademischen Abschluss in einer überschaubaren Zeit.

An der Nachfrage orientierte Studiengänge, die Öffnung der Hochschulen und hier insbesondere für Beruflich Qualifizierte haben in den folgenden Jahren zu einem enormen Aufschwung der FernUniversität geführt. Innerhalb weniger Jahre stieg die Studierendenzahl auf 88.000 im Wintersemester 2012/13. Gemessen an dieser Zahl wurde die FernUni zur mit Abstand größten Hochschule Deutschlands. Der gesellschaftliche Bedarf für ein Angebot dieser Art wurde deutlich. Überdies waren die weitaus meisten Beruflich Qualifizierten an der FernUniversität eingeschrieben.

Das wird niemanden verwundern, ist doch der mediengestützte Studienbetrieb aus Hagen gerade für diese Zielgruppe ideal.

FernUni auf dem Campus

Es war ein langgehegter Traum von Gründungskanzler Ralf Bartz und seinem engsten Mitarbeiter Rolf von der Heyden, die Fakultäten und die Verwaltung der FernUniversität auf dem Campus zusammen zu führen. Es brauchte viel Überzeugungskraft, bis er wachsen konnte: mit der Mensa, dem ehemaligen TGZ-Gebäude, der Sanierung von AVZ und ehemaligem Staatlichen Umweltamts auf dem Campusgelände. Jetzt konnten die angemieteten Gebäude in der Stadt freigezogen werden. Seit 2012 vervollständigt ein eigenes Gebäude für die Fakultät Kultur- und Sozialwissenschaften mit angeschlossenem FernUni-Seminartrakt den Campus.

An den Abenden und vielen Wochenenden finden Seminare, Vorträge und Tagungen auf dem Hochschulgelände statt – es bildet sich ein wissenschaftliches, aber auch ein kulturelles Miteinander auf dem Campus aus.

Außenansicht des KSW-Gebäudes Foto: FernUniversität, Veit Mette
Das Seminargebäude der FernUniversität (Mitte) und die drei Trakte der Fakultät für Kultur- und Sozialwissenschaften komplettierten 2012 den Campus.

Digitalisierung der Lehre

Die vergangenen zehn Jahre der FernUniversität waren das Jahrzehnt der Digitalisierung der Lehre, vom Lernraum Virtuelle Universität bis zu einem breiten Spektrum neuer, netzgestützter Lehr- und Lernformen.

Im Uni-Alltag war es ein Spagat zwischen der Freiheit der Lehre des einzelnen Hochschullehrers und der einzelnen Hochschullehrerin und dem Nutzen für die Studierenden und die Hochschule als Ganzes, der nicht immer aufzulösen war. Unis sind komplexe Gebilde, man muss alle mitnehmen. Und so haben sich Lehre und Studium an der FernUniversität in der Folgezeit grundlegend verändert. Hoyer: „Wir haben schnell die Notwendigkeit erkannt, eine neue Infrastruktur aufzubauen.“ Lernen mit Medien wurde den Studierenden genau so vertraut wie den Lehrenden in Hagen.

In dieser Zeit ist der netzgestützte Studienbetrieb noch einmal in eine neue Entwicklungsstufe eingetreten. Laptops, Tablets und Smartphones ersetzen zunehmend den stationären PC. Die mobilen Endgeräte machen neue Lernszenarien möglich und erfordern von der Universität eine Überarbeitung ihrer Angebote.

Nicht nur die didaktischen und technischen Möglichkeiten werden die Weiterentwicklung des Studiensystems befruchten, sagt Helmut Hoyer. Mindestens genauso wichtig werden die rechtliche Anerkennung von neuen Lernformen wie Open Educational Ressources (OER) und das informelle und non-formale Lernen. Und überall braucht man Qualitätsstandards.

Stichworte wie zunehmende Heterogenität der Studierenden, neue Überlegungen zur Studienstruktur oder auch die bessere Sichtbarkeit der Forschung bestimmen den aktuellen hochschulinternen Diskussionsprozess in Hagen. Über allem steht der Wille der FernUniversität, sich in Lehre und Forschung weiter zu entwickeln um – wie im neuen Hochschulentwicklungsplan 2020 als Ziel formuliert – ihre Systemführerschaft als größte Anbieterin universitärer Abschlüsse im Fernstudium aufrecht zu erhalten.