Welche Geschichte Daten erzählen
Prof. Matthias Westphal hat seit 1. Januar den Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik an der FernUniversität inne. Sein Fokus liegt auf Gesundheit und Bildung.
Matthias Westphal ist an der FernUniversität angekommen – wie nach einer langen Reise. Mit der volkswirtschaftlichen Professur hat der 36-Jährige eine wichtige Station erreicht. An der FernUni ist er ein bekanntes Gesicht, nun mit einem festen Engagement. Denn er hat den Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik bereits seit Oktober 2022 als Junior-Professor nach dem plötzlichen Tod von Prof. Joachim Grosser vertreten.
Der Datenanalyst
„Ich fühle mich an der FernUni sehr wohl und willkommen“, sagt Westphal. Durch die Vertretung hat er seine Fühler in der Fakultät schon ausgestreckt. Mit seinen Schwerpunkten kann Westphal gut bei anderen Forschenden in der Wirtschaftswissenschaft anschließen: Er beschäftigt sich mit Gesundheits- und Verhaltensökonomik sowie dem Themenfeld Arbeitsmarktökonomik. „Hier lassen sich spannende Dynamiken beobachten, die empirisch nachweisbar sind.“
Schon während seiner Promotion etwa hat sich Westphal mit den Auswirkungen informeller Pflege von Angehörigen befasst. Daraus haben sich nicht nur wichtige Fachbeiträge entwickelt, sondern auch ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördertes Projekt zu den Ursachen des kognitiven Abbaus im Alter und daraus resultierender Pflegebedürftigkeit. Aktuell evaluiert Westphal die Auswirkungen von Pflegeleistungen auf die Wahl des optimalen Pflegearrangements mit Daten des medizinischen Dienstes. „Insbesondere im Bereich Gesundheit wird die Nutzung von Daten zu Forschungszwecken zu einer besseren individuellen Versorgung führen.“
Dabei interessiert sich Westphal stets für das Was, Wie und Warum in Daten. „Ich versuche herauszufinden, warum Menschen den einen oder anderen Lebensweg eingeschlagen haben und was die langfristigen Konsequenzen davon sind.“ In einem weiteren von der DFG geförderten Forschungsprojekt untersuchte Westphal beispielsweise die kausalen Effekte eines Hochschulstudiums: für die Gesundheit, für die kognitiven Fähigkeiten und das Gehalt. „Da ist die Schätzung von kausalen Effekten aufgrund der Datenlage besonders herausfordernd“, sagt er. Deshalb schaute er sich an, ob der massive Ausbau der Hochschullandschaft im Ruhrgebiet seit Ende der 1960er Jahre ein Studium für alle – wie an der FernUni – ermöglicht hat. „Und nicht nur für Kinder aus Beamten- oder Akademikerhaushalten.“ In einem aktuellen, ebenfalls von der DFG geförderten Projekt, schaut er sich die Auswirkungen des Abiturs mit administrativen Arbeitsmarktdaten im Lebensverlauf an.
Methodenseminar für Studierende
Sein Wissen zu angewandten ökonometrischen Methoden bringt er seit Januar als Mitglied im Center for Economic and Statistical Analysis (CESA) an der FernUni ein. Auch Studierende möchte er dafür begeistern: „Ich möchte den Umgang mit großen Datenmengen als Grundstein im Studium legen.“ An praktischen Beispielen aus seiner Forschung mangelt es Westphal jedenfalls nicht.
„Ich möchte empirisch belastbare Schlussfolgerungen für gesellschaftlich und ökonomisch relevante Fragestellungen liefern, um daraus evidenzbasierte Handlungsempfehlungen abzuleiten“, fasst Westphal zusammen. „Ich analysiere, welche Geschichte die Daten erzählen.“
Ausgezeichneter Werdegang
Seinen wissenschaftlichen Weg dahin ist er Schritt für Schritt gegangen. „Eine akademische Karriere kann man nicht lückenlos planen“, sagt er. Überhaupt daran gedacht hat er zum ersten Mal während des Masterstudiums an der Uni Duisburg-Essen. Bis dahin hatte er sich schwerpunktmäßig mit Statistik befasst, angewandte Mikroökonometrie. Für die Masterarbeit arbeitete er auch empirisch. „Ich konnte endlich Methoden anwenden, die ich im Studium gelernt hatte“, erzählt er. Seine Masterarbeit wurde ausgezeichnet. Der Forscher in ihm hatte sich durchgesetzt.
Westphal promovierte in einem strukturierten Programm der Ruhr Graduate School in Economics in Essen, an der sich verschiedene Unis aus dem Ruhrgebiet und das RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung beteiligen. Sein Doktorvater war ein Junior-Professor für Gesundheitsökonomik mit einem weiteren engagierten wissenschaftlichen Mitarbeiter. Es war wie ein Sog für Westphal. „Ich war insgesamt in ein sehr dynamisches Umfeld eingebunden.“ Es prägte ihn. Während der Promotion publizierte er bereits Artikel. „Peer-reviewt und in anerkannten Journals – daraus erwuchs ein Anspruch an mich selbst.“
Nach Forschungsaufenthalten in England und Kalifornien bekam Westphal 2019 – nur anderthalb Jahre nach seiner Promotion – die Stelle als Junior-Professor in Dortmund. Er begann, seine eigene Forschungsagenda aufzubauen. Der Grundstein im Bereich Gesundheitsökonomik war ohnehin gelegt. Von dort kam er im Herbst 2022 an die FernUni.
Zurück zu den Wurzeln
„Das Ruhrgebiet und die Region ist für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sehr attraktiv. Die Wege sind kurz.“ Zehn Jahre hat Matthias Westphal in Essen gewohnt. Inzwischen hat er zwei Kinder und lebt wieder in seiner Heimatstadt Münster, wo er seinen Bachelor in Volkswirtschaftslehre erworben hat.