Dank Kreislaufführung die Zukunft nachhaltiger gestalten
Im Zentrum des diesjährigen infernum-Tages am 2. Juni stand die Frage, welches Potenzial Kunststoffe für die Gestaltung einer nachhaltigeren Zukunft haben.
Nach fünf Jahren Pause haben das Fraunhofer UMSICHT und die FernUniversität in Hagen wieder zum infernum-Tag geladen. Im Zentrum der virtuellen Veranstaltung am 2. Juni 2023 stand die Frage, welches Potenzial Kunststoffe für die Gestaltung einer nachhaltigeren Zukunft haben. Einschätzungen dazu kamen von Dr. Alexander Kronimus (Plastics Europe Deutschland e.V.) und Jürgen Bertling (Fraunhofer UMSICHT).
"infernum ist einer unserer besten Studiengänge"
Begrüßt wurden die rund 100 Teilnehmenden von Prof. Dr. Ada Pellert. Die Rektorin der FernUniversität hob u.a. die Bedeutung des Interdisziplinären Fernstudiums Umweltwissenschaften infernum hervor, das Fraunhofer UMSICHT und die FernUniversität unter dem Dach der Fraunhofer Academy anbieten. "infernum ist einer unserer besten Studiengänge und 23 Jahre alt", so Ada Pellert. "Man trifft in der Nachhaltigkeitsszene immer auf Menschen, die mit dem Namen etwas anfangen können – und zwar immer positiv." Der interdisziplinäre Ansatz des Studiums sei notwendig für eine zielführende Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit und seiner Ambivalenz. Das gelte auch für aktuelle Diskussionen rund um Kunststoffe.
Diesen Ball griff Prof. Dr. Annette Elisabeth Töller (wissenschaftliche Leitung infernum, FernUniversität in Hagen) in ihrem Grußwort auf. "Noch werden über 90 Prozent unserer Kunststoffe aus fossilen Rohstoffen gefertigt", stellte sie heraus. "Das ist kein Modell für die treibhausgasneutrale Zukunft." Weitere Probleme würden durch die unsachgemäße Entsorgung (z.B. im Meer) sowie zu wenig Wiederverwertung und Recycling entstehen. "Als Alternative gelten bioabbaubare und biobasierte Kunststoffe, doch viele ihrer Eigenschaften sind nicht final erforscht. Es gibt in diesem Bereich also noch jede Menge Herausforderungen für Wissenschaft und Politik."
"Kunststoff ist ein ganz wunderbarer Werkstoff"
Einordnende Worte kamen auch von Prof. Dr.-Ing. Görge Deerberg (wissenschaftliche Leitung infernum, Fraunhofer UMSICHT). Er widmete sich drei Fragen: Warum eigentlich Kunststoff? Was haben Kunststoffe mit Nachhaltigkeit zu tun? Und wie können Lösungsansätze aussehen? "Kunststoff ist einfach ein ganz wunderbarer Werkstoff, mit dem sich viele leistbare Produkte herstellen lassen und den wir – vermeintlich – auch einfach wieder loswerden: durch Verbrennen." Dieses Verbrennen führe allerdings zum Ausstoß von Treibhausgasen. Auch mögliche Alternativen hätten ihre Schattenseiten: Mehr Recycling führe beispielsweise zu einem erhöhten Energieverbrauch. "Da sind jede Menge offener Fragen, die Wissen sowohl über Technologie und Materialien als auch über gesellschaftliche Zusammenhänge erfordern."
Kunststoffe im Kreislauf führen
Antworten auf einige dieser Fragen lieferte Dr. Alexander Kronimus. Der Leiter des Geschäftsbereichs Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft bei Plastics Europe Deutschland e. V. gab in seinem Vortrag Impulse für die Zukunftsfähigkeit von Kunststoffen. "Aktuell werden weltweit pro Jahr 400 Millionen Tonnen Kunststoffe genutzt. Und diese Nachfrage wird dank Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum weiter steigen", so der Experte. "Daraus folgt, dass auch die Abfallmengen dramatisch wachsen werden – mit den entsprechenden Folgen für die Umwelt." Sein Lösungsansatz: Kunststoffe müssen im Kreislauf geführt werden, auf die Nutzung müssen Sammlung, Sortierung und Recycling folgen.
"Aktuell sind da zwei Technologiepfade denkbar", führte Dr. Alexander Kronimus weiter aus. "Das mechanische Recycling, bei dem aus Kunststoffabfall neue Pellets für neue Herstellungsprozesse geschmolzen werden, und das chemische Recycling, bei dem in die molekulare Struktur der Abfälle eingegriffen wird und sekundäre Rohstoffe wie Monomere, Öle oder Synthesegasgemische entstehen." In seinen Augen stehen diese Pfade nicht im Wettbewerb, sondern müssen sich ergänzen, um das Recycling zu maximieren.
Eine plastikfreie Welt ist keine Alternative
Dass eine plastikfreie Welt keine Alternative ist, machte Jürgen Bertling in seinem Vortrag deutlich. Der Wissenschaftler des Fraunhofer UMSICHT betonte: "Kunststoffe mit ihrem spezifischen Eigenschaftsprofil sind kaum substituierbar. Ohne sie wäre die Welt schwerer, kälter, härter und verschwitzter." Seine Lösungsoption ist ebenfalls eine Circular Economy – allerdings eine hierarchische: Sie stellt zum einen Refuse, Rethink, Reduce, Reuse und Repair über Recycling und setzt zum anderen auf erneuerbare stoffliche und energetische Ressourcen. Darüber hinaus spielen bei dieser hierarchischen Kreislaufwirtschaft Bioabbaubarkeit und biotechnologisches Recycling eine zentrale Rolle.
"Noch sind wir allerdings weit entfernt von einer Kreislaufwirtschaft der Kunststoffe und ehrlich gesagt nicht mal auf dem Weg dorthin", zog Jürgen Bertling zum Abschluss seines Vortrages Bilanz. "Wir sollten wieder lernen, Kunststoffe zu lieben, um einen intelligenten, wertschätzenden und sparsamen Umgang mit ihnen zu ermöglichen."
Weitere Informationen
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