„Das Online-Seminar ist zum Standard geworden“
Die Pandemie veränderte die Lehre an allen Unis – allerdings mit unterschiedlicher Wirkung. Fünf Lehrende reflektieren ihre Erfahrung an der FernUniversität jetzt in einem Buch.
Die Coronazeit hat einen kräftigen Digitalisierungsschub mit sich gebracht. Auch für das Historische Institut der FernUniversität in Hagen – da sind sich Florian Gregor, Dr. Arndt Neumann und Dr. Dennis Schmidt einig. Die drei Wissenschaftler arbeiten im Lehrgebiet Geschichte der Europäischen Moderne (Prof. Dr. Alexandra Przyrembel). Gemeinsam mit ihren ehemaligen FernUni-Kolleginnen Dr. Mareen Heying und Svenja Schürmann haben sie ein Buch veröffentlicht, das wichtige Einsichten aus der Coronazeit auf den Punkt bringt: „Präsenz. Online. Hybrid. Universitäre Geschichtslehre nach der Pandemie“, erschienen im Wochenschau-Verlag.
„Einer unserer wesentlichen Gedanken im Buch ist es, Präsenz- und Online-Lehre nicht entgegenzusetzen, sondern eher die Vorteile von beiden miteinander zu verbinden“, erklärt Arndt Neumann. „Es geht um das richtige Mischungsverhältnis.“ Entsprechend plädiert das Autor:innenteam für einen pragmatischen Optimismus: Online-Lehre ist kein minderwertiger Notfallmodus; genauso wenig Technikspielerei oder avantgardistischer Selbstzweck. Vielmehr empfiehlt sich ein kompaktes Repertoire aus Tools, deren Möglichkeiten und Grenzen klar benannt sind. Dieser digitale Werkzeugkoffer kommt eben dort zum Einsatz, wo er die Studienerfahrung erkennbar verbessert, denn: „Nicht die Tools sollen im Vordergrund stehen, sondern der inhaltliche Austausch!“, so Neumann.
Lehre nun digitaler und sozialer
Unter dieser Prämisse bewertet das Team den digitalen Wandel durchaus positiv. Nicht zuletzt wegen der ganz eigenen Dynamik im Hagener Modell, dem das plötzliche Gebot zur Online-Lehre nicht schadete – im Gegenteil: „Im historischen Institut hatten wir schon vor der Pandemie einen relativ engen Kontakt mit den Studierenden. In der Coronazeit ist er aber noch viel enger geworden“, resümiert Florian Gregor. „Das Format des Online-Seminars, das wir vorher nur hin und wieder genutzt haben, ist jetzt zum Standard geworden und die Studierenden haben es enorm gut angenommen.“ Seither käme es viel regelmäßiger zum persönlichen Austausch. Auch Sprechstunden mit den Dozierenden seien nun noch direkter und individueller, weil Studierende wie Lehrende sich offener gegenüber Videocalls zeigten.
Das Konzept macht‘s
Umgekehrt seien nun auch die Vorteile von Präsenzveranstaltungen klarer geworden, ergänzt Neumann: „Das Besondere an ihnen ist der informelle Austausch. Also das Gespräch zwischen Studierenden und Lehrenden sowie der Studierenden untereinander, am Rande der eigentlichen Veranstaltung. Das schafft soziale Beziehungen, die für die Lehre auch sehr wichtig sind. Eine Herausforderung für die Online-Lehre ist deshalb, diesen sozialen Rahmen auch im Digitalen herzustellen.“ Das funktioniert zum Beispiel mit Breakout-Sessions, die lange Videokonferenzen auflockern. Teilnehmende können hier in kleinen Gruppen arbeiten oder einfach ungezwungen plaudern. „Man sollte immer von den Lernzielen der Veranstaltung aus denken“, fügt Schmidt hinzu. Oft bietet sich an, synchrone und asynchrone Lehre zu verbinden; also Live-Veranstaltungen mit längerfristigen Aufgaben zu kombinieren – auf Lernplattformen, in Foren oder Wikis. „In dieser Verschränkung liegt auch für Präsenzunis eine große Chance.“
Beispiel aus der historischen Fernlehre
„Bei uns wie an Präsenzuniversitäten ist die Frage ‚Wie machen wir gute Lehre?‘ noch einmal in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt“, fasst Gregor zusammen. „Einfach dadurch, dass dieser Zuwachs an Möglichkeiten so sichtbar geworden ist.“ Wie man vom klassischen Frontalunterricht weg kommt, zeigt ein Seminar über historische Straßennamen, an dem Gregor und Schmidt voriges Semester mitgewirkt hatten. „Wir haben uns ein halbes Jahr vor dem eigentlichen Präsenztermin online mit den Studierenden getroffen. Dann hatten sie Zeit, eine eigene Präsentation zu einem Straßennamen in ihrem Wohnort zu entwickeln“, erläutert Schmidt. „Die Form konnten sie dabei frei wählen. So kamen Videos, Powerpoints und sogar ein Podcast zustande. Beim Präsenzseminar selbst haben wir die Ergebnisse gemeinsam diskutiert – auch mit Gästen, etwa vom Hagener Heimatbund.“ Im letzten Schritt ist geplant, die studentischen Beiträge noch öffentlich verfügbar zu machen.
Hagen gewinnt an Beachtung
Mit Blick auf solche innovativen Angebote war die FernUniversität schon vor der Pandemie gut aufgestellt, urteilt Schmidt: „Was zum Beispiel die Verwendung von Moodle und anderen Lernplattformen angeht, hatten wir in Hagen einen riesigen Startvorteil.“ Das veränderte auch den Blick traditioneller Unis auf die FernUniversität: „Ich habe allgemein eine größere Wertschätzung gegenüber dem wahrgenommen, was wir hier in der Fernlehre leisten.“ Anerkennung gibt es dabei auch für die Betreuung von besonders vielen Studierenden auf einmal. Allein im geschichtswissenschaftlichen Masterstudiengang sind die Zahlen hoch: „Wir haben zwischen 90 und 100 Neueinschreibungen pro Semester. Das sind so viele Studierende wie andere Unis insgesamt im Master für Geschichte haben“, setzt Schmidt in Relation. Gleichzeitig seien die FernUni-Studierenden auch einfach besonders offen für Neues: „Wir haben einige ältere Teilnehmer:innen hier, denen wir zwar am Anfang viel erklären mussten, die dafür aber jetzt völlig problemlos mit digitalen Tools umgehen.“
Zum Buch
„Präsenz. Online. Hybrid. Universitäre Geschichtslehre nach der Pandemie” von Florian Gregor, Mareen Heying, Arndt Neumann, Dennis Schmidt und Svenja Schürmann ist in der „Kleinen Reihe Hochschuldidaktik” des Wochenschau-Verlags erschienen. Zum Titel im Katalog der Universitätsbibliothek (Vollzugriff für Hochschulangehörige)