Dr. Bernd Sudeick: der Wissenschafts-Macher

Biographisches

  • 1948 geboren in Gelsen­kirchen
  • 1974 Examen mit einer Arbeit über die Open University in Groß­britannien
  • 1974 Tätigkeit beim NRW-Wissen­schaftsminis­terium in dem mit der Gründung der FernUniversität befassten Referat
  • 1974 Aufbau der Geschäfts­stelle des Gründungs­ausschusses
  • Mit Gründung der FernUniversität wissenschaft­licher Mitarbeiter mit Zuständig­keit für die Verwaltung des Fachbereiches Erziehungs­wissenschaften, später der Fakultät für Kultur, Sozial- und Geistes­wissenschaften.
  • Ab 1990 für zwei Jahre abgeordnet zur Umstruk­turierung des Herder-Instituts in Leipzig, Beratung des sächsischen Wissenschafts­ministeriums bei der Strukturierung der geistes­wissen­schaftlichen Studien­gänge.

Ein Non-Gremium: Das war für Bernd Sudeick der Vorbereitende Gründungsausschuss, der Johannes Rau in Sachen „NRW-Fernuniversität“ beriet – „Dafür gab's ja keine Rechtsgrundlage.“ Die gab es erst durch das Errichtungsgesetz für den Gründungsausschuss, in den zusätzlich zu den „vorbereitenden“ Fachleuten weitere Experten berufen wurden. Betreut wurde der Gründungsausschuss, der gerade fünf Monate im Wissenschaftsministerium tätig war. „Und dann hieß es: Marschbefehl, am 1.10. acht Uhr Hagen!“

In den drei Fachgruppen für die Fachbereiche und in der bildungstechnologischen Gruppe diskutierten jeweils fünf, sechs Fachleute über Inhalt und Strukturen der Lehre. Heftig diskutiert wurde über „Kursteams“, in denen zusammen mit dem Lehrenden auch Didaktiker, Grafiker und Layouter mitarbeiten sollten. Doch viele Professoren beharrten auf der Freiheit ihrer Lehre.

Das Ding ans Laufen bekommen

Sie sorgten sich um die Akzeptanz in der Hochschulwelt: „Wird unser Studium anerkannt? Haben wir überhaupt eine Chance, jemals wegberufen zu werden?“ Die FernUni wurde von außen ja durchaus skeptisch betrachtet: „…so ohne Hörsaal…“ oder „Fernstudium? Weiß man ja alles nicht …“ Der Endeffekt war, so Sudeick: „Wir sind ganz grund- und bodenständig angefangen wie jede andere Universität auch, nur dass wir unser Material verschickt haben.“

Das waren aber keineswegs die einzigen Probleme: „Wir haben damals gesagt, wir haben ein Jahr Zeit, um den Studienbetrieb zu eröffnen. Wie kriegt man genug Räume? Wie bekommt man das Ding hier ans Laufen?“ Die Zeit mit der Produktion der ersten Kurse war hektisch: „Wir sind ja nicht mit sehr vielen damals angefangen.“ Aber allen war klar: Wir machen Aufbauarbeit, das ist unsere Hochschule!

Montagsrundebeim Kanzler

Probleme wurden in der „Montagsrunde“ von Kanzler Bartz mit Teilnehmenden aus allen Bereichen besprochen. Und gelöst, schnell und effizient. Sudeick: „Bartz legte sich häufiger auch gerne mit seinem alten Ministerium an.“ Er sagte: Wir machen das. Und jeder wusste: Das gilt.

Wichtig war die Betreuung der Studierenden. Sowohl in den Studienzentren als auch wöchentlich mit einer zentralen Telefonberatung von 16 bis 21 Uhr von Hagen aus. Mit Vertretern der Fachbereiche. Die Studenten wussten: Aus jeder Fakultät ist jemand da. Wenn er heute nicht helfen kann, dann morgen.

 

Das Interview als Text

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Ich hab‘ meine Diplomarbeit geschrieben zum bildungspolitischen und, weiß ich nicht, bildungsöko..., bildungspolitischen und didaktischen Konzept der Open University in Milton Keynes.

Ich fand, das war ein interessantes Thema. Das war greifbar und es ging darum, was sind so die bildungspolitischen Implikationen gewesen, der Labor Regierung, diese Institution zu bauen, die ja letztlich doch anders ist als die FernUniversität. Das muss man immer sagen, also mit University, also „without Walls“, also jetzt nicht die Welle von der, nicht den Wall, nicht die Mauer als Abschottung nach außen, was den Campus angeht, sondern eben ohne jegliche Zugangsberechtigung, also… Müssen lesen und schreiben können, mehr brauchte man da ja nicht.

Und hab‘ diese Arbeit geschrieben. Und dann las ich in der Zeitung plötzlich: Nordrhein-Westfalen plant eine neue Fernuniversität. Das war im März ‘74, hab‘ ich das gelesen. Ich hab‘ mir meine alten Unterlagen ‘rausgesucht und habe … Das ist dann die Chronologie. Habe am 8.3.74 eine Bewerbung als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt der FernUniversität Hagen gestellt.

Und dann, vier Tage später, kam der Anruf von Frau Körnig, ob ich ab sofort mitarbeiten könnte. Bums! Also am 09.04.74. Und dann bekomm‘ ich meinen ersten Arbeitsvertrag: Vertrag zwischen Land Nordrhein-Westfalen bla bla bla bla und Herrn Bernd Sudeick, geboren 05.04.48. Herr Bernd Sudeick wird für die Zeit vom 01. Mai 74 bis zum 31.08.74 die in Absatz zwei näher beschriebene Aufgabe übertragen.

Die haben mich eingebunden, dass ich nämlich plötzlich Gremienbetreuung gemacht hab‘ und Protokolle geschrieben hab‘. Das heißt, ich hab‘ nicht mehr als zwölf Stunden in der Woche gearbeitet, ich war noch Student, ich hatte noch gar keinen … Ich hab noch gar kein Examen gehabt, als sie mich eingestellt haben.

Und dann bin ich also mit in den vor..., in den vorbereitenden Gründungsausschuss. Das war dann die, glaub‘ ich, erste oder zweite Sitzung. Der war noch ganz neu. War faszinierend, wenn die sich alle vorstellten.

Lange saß da vorne und ich saß mit vorne vor Kopf und machte das Protokoll. Zumindest den Protokollentwurf, der wurde etwas verbessert und… Nicht viel. Und das war für mich interessant.

Da waren die Sitzungen, erst im großen Sitzungssaal in, im Ministerium mit … Ja, da war auch viel, wie man sagt, Schaulaufen und viel Radschlagen mit dabei, um sich zu verkaufen, der Herren. Und eigentlich… Gab‘s Damen dabei? Ich überleg‘ gerade. So gut wie keine. Nee, eigentlich nur Frau Körnig, als, Referentin und als Referatsleiterin.

Marschbefehl „Hagen“

So weit, wie gesagt, zu meiner Zeit im Ministerium, das waren fünf Monate. Rolf von der Heyden, den Sie ja interviewen werden, und Ralf Bartz, wir haben uns in diesen fünf Monaten, oder sechs Monaten, die ich im Ministerium war, nicht ein einziges Mal gesehen, wir kannten uns nicht. Und diese Truppe, die dann … Auf einmal hieß es, Marschbefehl, also mein Vertrag lief ja auch aus, und dann hieß es, Marschbefehl, am 01.10. morgens acht Uhr oder neun Uhr, wie auch immer, Hagen. Fachhochschule Hagen, Kanzler Crämer. Crämer oder Cramer, ich weiß es nicht mehr. In der Fachhochschule, auf der Feithstraße. Ich bin dann nach Hagen gefahren und traf dann Rolf von der Heyden,

Ich bekam dann auch einen Arbeitsvertrag, mein Anschlussvertrag, ich wurde also auf unbefristete Zeit eingestellt an der Fachhochschule, mit der einzigen… Das dürfte der erste Arbeitsvertrag überhaupt für die FernUniversität gewesen sein dann, oder ist mein zweiter dann gewesen... An der Fachhochschule mit der Aufgabe, ausschließlich für die FernUniversität tätig zu sein.

Wenn Sie wollen, das war so dann die Keimzelle, dieser FernUniversität. Und dann ging's einfach los, dass wir die Geschäftsstelle des Gründungsschuss..., Gründungsausschusses aufgebaut haben.

Vorbereitende Gremien

Dieser vorbereitende Gründungsausschuss exis…, war ja, wenn Sie wollen, ein Non-Gremium, weil dafür gab's ja keine Rechtsgrundlage. Es gab auch kein Fernuniversitätserrichtungsgesetz. Im Fernuniversitätserrichtungsgesetz, da stand eben drin, dass es hierfür einen Gründungsausschuss gibt. Und der hat ja auch berufen, die Professoren berufen, alle, die dann auch, ihr Professorenamt angetreten haben. Und der konnte ja erst tätig werden ab dem 01.12.74 mit Ein..., mit Inkrafttreten des Gesetzes. Da wurde also im Prinzip vorläufig abgeschnitten vorne und dann blieb noch der Gründungsausschuss übrig.

Fachgruppe Wirtschaft, Fachgruppe Erziehungswissenschaft, bildungstechnologische Gruppe und Fachgruppe Mathematik. Das waren die kleinen Zirkel, da saßen sie dann mit fünf, sechs Leuten ‘rum. Und da wurde dann wirklich diskutiert und wurde… Da wurde eigentlich inhaltlich, aber auch strukturell diskutiert.

Und die trafen sich dann auch weitaus häufiger und das war…, das war die Arbeitsebene, das andere war – wenn Sie wollen – Repräsentation ist Entscheidungsebene

Freiheit der Lehre versus Teamwork

Auch die Diskussionen fand ich damals interessant, ich weiß nicht, ob… Woraus nix geworden ist: Sie erinnern sich, die Freiheit von Forschung und Lehre, die grundgesetzlich garantierte, ist ja ein Steckenpferd aller Professoren, auf dem man besonders gerne ‘rumreitet. Der Unterschied war: Wir haben uns überlegt, wie kann man Lehre organisieren? Und eine der großen Diskussionen ist ja gewesen, ob man Kursteams ein…, wie die Open University macht. Man setzt sich also Didaktiker, Grafiker… – also Leute, die Studienmaterial erstellen, setzen sich an einen Tisch. Also die, die die Inhalte verantworten, die das Layout verantworten und wa..., alles, was mit dazu gehört.

Aber diese Frage der Kursteams ist abgeschmettert worden von den Professoren damals, ganz klipp und klar. Das war die Anfangsphase, da hat man ja die Weichen gestellt: Entweder ein Team entwickelt einen Kurs, oder Professor X entwickelt den Kurs. Und da war dann eben die Frage, dass sie eben gesagt haben, das können wir nicht tun, weil wir als Professoren lassen uns nicht unserer Lehrfreiheit einschränken durch die Entscheidung eines Kursteams. Ende, aus die Maus,

Das hat diese bildungstechnologische Gruppe damals groß diskutiert und es ist ‘ne Empfehlung ‘rausgekommen. Aber Sie werden dann festgestellt haben, dass in den Fachgruppen sich – als die ersten Studienmaterialien ‘74 entwickelt wurden, um ‘75 eingesetzt zu werden – sich niemand an diese Empfehlung gehalten hat. Die Professoren haben also ihre Kurse schlicht und einfach individuell entwickelt und geschrieben.

Hektische Zeiten

Die hektische Zeit damals mit der Kursproduktion, das war schon heftig. Das erste Jahr, bis die ersten Kurse… Wir sind ja nicht mit sehr vielen damals angefangen. Dass die Kursmaterialien teilweise adaptiert worden – die Leute schrieben Kurse, haben damit auch gutes Geld verdient –, das darf man nicht vergessen. Die in…, natürlich im Gründungsausschuss waren, schrieben natürlich auch Kurse, und da ist auch gut für bezahlt worden. Die Werkverträge, die gemacht wurden, wurden dann teilweise nicht gern unterschrieben, weil man die Rechte abtrat. Das war schon alles, alles neu. Wirklich Neuland.

Wir haben also damals gesagt: Wir haben ein Jahr Zeit, um Studienbrief…, den Studienbetrieb zu eröffnen. Und wir haben eben in dieser Zeit als Aufgabe gesehen: Wie kriegt man genug Räume, wie kriegt man genug…? So, wie bekommt man das Ding hier ins Laufen?

Weiterbildung – eine Frage der Akzeptanz

Ich hab den Rau gestern nochmal kurz gelesen, was da so drinstand, was so die Vorstellungen waren. Davon haben wir eigentlich nicht viel rela..., nicht viel... was die innovative Ebene, die Weiterbildung angeht, nicht viel wirklich verwirklicht. Denn die Weiterbildung ist hinterher dann ja teilweise, wie soll man sagen: individualistisch betrieben worden. Aber nicht mit dem Schwerpunkt, wo wir das damals hatten.

Das waren eben die beiden anderen Fachgruppen, die gesagt haben: „Wir können das nicht.“ Aus dem ganz einfachen Grund: Die Frage ist die der Akzeptanz. Wenn Sie eine neue Hochschule, die eh schon von außen so – weiß ich nicht – mit spitzen Fingern angefasst wird: „Hah, so ohne Hörsaal und Fernstudium…“ und „Weiß man alles nicht so…“, „…die Akzeptanz, hm…“, „…und ist das dann überhaupt was?“ und „…wenn wir jetzt noch anfangen und revidieren also den Fa...“. Sag‘ mal, weiß ich nicht: Ich sag mal: „Weiß ich nicht, dass Mathematik, das grundständige Studium Mathematik oder…“, „Das können wir nicht machen, das tun wir nicht, das wollen wir nicht.“ Das ist ‘ne Frage der Akzeptanz durch andere Universitäten; „Wird unser Studium anerkannt? Ist das so?“, „Haben wir als Hochschullehrer, wenn wir an so eine Hochschule kommen, überhaupt eine Chance, noch jemals wegberufen zu werden?“ Das ist sicherlich auch dabei, das hat man auch diskutiert. Und das ist sicherlich schwierig geworden und… Wäre schwierig geworden. Endeffekt ist: Wir sind ganz grund- und bodenständig angefangen wie jede andere Universität auch, nur dass wir unser Zeug verschickt haben.

Über die Akzeptanz müssen wir uns heute nicht mehr unterhalten. Vielleicht auch deshalb, weil die Leute wirklich gute Sachen gemacht haben und gut ausgebildet haben.

Die Montagsrunde

‘Ne gute Einrichtung war: Unter der Leitung des Kanzlers tagte jeden Montag die berühmte „Montagsrunde“. Und das war ‘ne gute Sache. Wie gesagt: Ich kannte Herrn Bartz aus dem Ministerium auch nicht und Bartz war ja schon ein sehr taffer Zeitgenosse, das kann man gar nicht anders sagen. Legte sich auch gerne mit seinem alten Ministerium dann an, häufiger.

Das war schon eine gute Zusammenarbeit. An diesem Montag trafen wir uns dann mit dem Kanzler ‘ne Stunde oder anderthalb Stunden und wir sind…: Wo sind Probleme? Probleme im Versand, Probleme in… egal… Alle Probleme, die antra..., auf..., zwischen Fakultäten und Verwaltung auftraten, wo Sie heute Briefe schreiben oder anrufen, saß der Kanzler und jeder konnte sagen: Herr Bartz, das läuft nicht, da haben wir Probleme. Oder die sagten: So, was ist bei Ihnen? Wie läuft das da mit der Planung nicht? Das heißt, das war diese berühmte Montagsrunde. Betriebssystemrunde hieß die damals, da war das Rechenzentrum drin, da war der, das ZFE drin, da waren alle vier Fakultäten drin, da waren Leute aus Verwaltung drin und geleitet wurde die Sache vom Kanzler. Und das, muss ich sagen war wirklich ‘ne tolle Sache in den ersten zwei Jahren, glaube ich.

Aber damals war das, um Probleme kurzfristig und wirklich effizient zu lösen, war diese Montagsrunde da und da ging man ‘raus und man wusste, das Problem war vom Tisch. Bartz hatte gesagt, wir machen das so, oder wir machen das nicht so und die Fakultäten wussten, was war. Die Zusagen wurden auch eingehalten, denn in der nächsten Woche wurde ja sofort nachgehakt: Ist das so, geht das so? Das war schon ‘ne tolle Zeit.

Telefonsprechstunde in munterer Runde

Die andere Sache war natürlich die Betreuung der Studenten, dass wir über Land gefahren sind. Dann wurden die berühmten Studienzentren ein... Haben wir ja probiert, die Leute vor Ort zu beraten. Da sind wir durch die Gegend gefahren, haben uns dann... Was auch heutzutage irgendwie kaum noch möglich sein dürfte: an jedem Mittwoch von 16 bis 21 Uhr eine zentrale inhaltliche Studienberatung. Da sind wir im Roggenkamp schon gewesen. Da gab‘s schon Gebäude im Roggenkamp, wo die Fakultäten untergebracht wurden. Wir später hinterher auch. Man traf sich da zu einer Studienberatungsaktion. Also einer von WiWi, einer von Mathe, meine Wenigkeit oder jemand anderes für Erziehungswissenschaftler, auch die Professoren teilweise. Und das war immer eine sehr muntere und lustige Runde, das... Der Bernd Franke aus der Mathematik oder Peter Klewe oder meine Wenigkeit… Meistens gab's ‘nen Kasten Bier dabei. Unvorstellbar heute, aber das war … Die Zeiten waren anders, das muss man deutlich sagen. Und die Frau Linnhoff saß dann da in der, in der, Telefonzentrale. Und da wurde man weiterverbunden und informierte da die Studierenden.

Die Studenten riefen an, die wussten alle: Freitags von16 bis 21 Uhr ruft ihr bei der Nummer an in Hagen und ihr werdet irgend... aus jeder Fakultät einen Ansprechpartner finden. Und wenn er euch nicht helfen kann, dann schreibt er es auf ‘nen Bierdeckel oder auf ein Stück Papier und wird euch am nächsten Tag zurückrufen oder weiterleiten an den Prof. oder an die …, an die Mitarbeiter der Verwaltung, die euch dann entsprechend Auskunft geben können oder euer Problem klären können.

Potemkin‘sche Dörfer

Und ich erinner‘ mich: Wir haben so ‘ne Tournee gemacht, zur Eröffnung von Studienzentren, also ’75. Die waren dann in der Presse angekündigt und ähnlichem mehr. Aber dann ist in einem Zentrum zum Beispiel, in Saarbrücken waren wir, ‘ne in Völklingen an der Saar – ich glaub‘ Eberhard Müller, Tilly, meine Wenigkeit, noch einige mehr. Aber es waren keine Studenten da. Weil irgendein … Dummerweise sind die Einladungen nicht ‘rausgegangen. Aber es war der Saarländische Rundfunk mit dem Fernsehen da. Also was jetzt? Dann haben wir uns in diesem Riesenraum alle in eine Ecke gequetscht, dass das so aussah, als wenn die Bude proppenvoll wär‘. Und vorne hat dann einer die Eröffnungsrede gehalten, also im Prinzip potemkinsche Dörfer ein Stück gebaut.

Und ich habe das in meinem Büchlein damals geschrieben, April 75, da war Rau auch da, und gab's einen kleinen Empfang und unter anderem hat Rau gesagt, er wollte mal einen Fernstudenten sehen, wenn wir doch jetzt eine Fernuniversität wären. Ja, aber ist doch keiner dagewesen, da hatten sie gar keinen da. Ja, was, oder? Von der Heyden ist schon ein schlaues Bübchen gewesen, der hat dann… Wir hatten zwei spätere Verwaltungsbeamte, die wirklich aussahen wie klassische Studenten. Kann man auch ruhig die Namen nennen, das ist der Manfred Kutter und der spätere Baudezernent Nolte gewesen, Gerd Nolte. Die sahen auch alle so bärtig aus, die waren ja auch alle jung. Und die wurden dann abkommandiert, die standen an der Tür und standen als unsere ersten Fernstudenten da. Rau hat's gefressen, wir haben's ihm gut verkauft. Also da muss ich sagen: Rolf von der Heyden, alle Achtung!

Selbstläufer

Diese ersten zehn Jahre... Wir sind relativ schnell, fand ich, auch in ‘nen… Ich will nicht sagen, in einen Trott gekommen. Aber ich hab‘ mich sehr gewundert, wie schnell das System begonnen hat, doch von selbst zu laufen. Und auch relativ reibungsfrei, hab ich gefunden. Relativ reibungsfrei, zweifelsohne.

WiWi war natürlich immer die größte Fakultät, natürlich auch mit den entsprechenden Abschlüssen. Das war bei uns schon ein bisschen problematischer eher, KSW hat sich fangen müssen oder selbst entwickeln müssen, denn sie haben festgestellt: Diese Entlastungsfunktion für Lehrämter war eigentlich eine relativ geringe. Also dass wir Kapazitäten, Kapazitätsengpässe im Lehramtswesen wirklich hätten auf..., abfangen können, ist so nicht passiert. Das mag eher für die Diplomstudiengänge WiWi oder… Auch bei Mathe stell‘ ich es mir auch nicht so vor, weil Mathe war… Und E-Technik, das waren auch nicht unbedingt die Renner, was die Zahlen angeht. Und so ist dann unser Magister eigentlich relativ gut eingeschlagen im Laufe der Zeit und Sie sehen ja auch: Durch den Magister als auch durch den Bachelor und die Psychologie heute ist KSW nun mittlerweile der größte Laden geworden.

Eigentlich war für die alle klar: „Wir machen Aufbauarbeit, das ist unsere Hochschule.“ Sie haben auch bei allem Widerst..., bei allen Konflikten, die es in so ‘ner Fakultät gibt, aber doch so was wie einen Grundkonsens gehabt, so ‘nen Kit, der eigentlich diese Fakultät relativ gut zusammengehalten hat. So: „Wir ziehen alle an einem Strang für diese Fakultät.“

Aber letztlich ist doch das ‘ne tolle Einrichtung geworden, nicht? 40 Jahre und 80.000 Studenten. Wobei ich mit den großen Zahlen gar nicht so begeistert bin. Man muss das auch immer etwas differenzierter sehen. Aber letztlich: Folgs..., Erfolgsstory. Na, das kann man überhaupt nicht anders sagen.

 

Über das Projekt Zeugen der Zeit

Interviews und Redaktion:
Dr. Almut Leh (Institiut für Geschichte und Biographie)

Produktion:
Jennifer Dahlke, Alexander Reinshagen, Sascha Senicer (Zentrum für Medien und IT)

Texte:
Carolin Annemüller, Susanne Bossemeyer, Gerd Dapprich, Anja Wetter, Multimediale Umsetzung: Oliver Baentsch (Dezernat 7 Hochschulstrategie und Kommunikation)

Fotos:
Jakob Studnar, Stefanie Loos, Archiv der FernUniversität

Plakate:
Gabriele Gruchot (Dez. 5 Technische Medienadministration)