Neue Leitung der Medizinethik mit frischem Konzept
Orsolya Friedrich, promovierte Philosophin und promovierte Medizinerin, ist Juniorprofessorin für Medizinethik an der FernUni. Damit verantwortet sie auch das Weiterbildungsangebot für Ärztinnen und Ärzte, für welches sie neue Pläne hat.
FernUniversität: Frau Prof. Friedrich, nun sind sie ein Jahr an der FernUniversität in Hagen. Wie haben Sie sich eingelebt?
Orsolya Friedrich: Gut, würde ich sagen. Ich wurde sehr hilfsbereit und offen empfangen, das hat mir in den ersten Monaten die Phase der Eingewöhnung erleichtert. Mittlerweile sind auch die neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in meiner Forschungsgruppe und im Bereich der Medizinethik gut angekommen, sodass wir produktiv arbeiten können. Abgesehen von grundsätzlichen Hindernissen, denen wir durch die Corona-Krise gerade alle begegnen.
Philosophie und Medizin ist eine spannende Kombination. Was reizt Sie an dem einem, was an dem anderen?
Medizin hat viele reizvolle Seiten. Erkrankten Menschen zu helfen war sicherlich der größte Antrieb für mich, das Studium zu beginnen. Faszinierend sind aber auch viele Details, die man in der Medizin über den Menschen und die „Heilkunst“ erfährt. Besonders spannend fand ich immer schon die menschliche Psyche. Von dort ist die Philosophie eigentlich gar nicht mehr so weit weg. Auch sie fragt schließlich in vielen ihrer Teilbereiche nach dem Menschen, etwa wenn es um das Verhältnis von Leib und Seele oder das gute Leben geht. In der Philosophie setze ich mich natürlich auf einer anderen Ebene mit Fragen auseinander, aber auch das ist für mich besonders reizvoll. Aus einer gewissen Metaperspektive über konkrete Fragen des Lebens nachzudenken, fand ich immer spannend. Am interessantesten finde ich, beide Perspektiven – die philosophische und die medizinische – zu verbinden.
Im Bereich der Weiterbildung für Berufstätige aus medizinischen Berufen haben Sie die wissenschaftliche Leitung von Prof. Dr. Beckmann übernommen. Wo soll die Reise hingehen?
Herr Prof. Dr. Beckmann hat in den Jahrzehnten seiner Tätigkeit ein sehr wertvolles Erbe aufgebaut und für mich hinterlassen, von wo ich die Reise leicht starten konnte. Da in den letzten Jahren viele neue medizinethische Fragen diskutiert wurden, so etwa in den Bereichen der Neurowissenschaften, der Psychiatrie und Psychotherapie, oder auch hinsichtlich der zunehmenden Technisierung und Ökonomisierung im Gesundheitssystem, möchte ich aber auch neue inhaltliche Angebote machen. Zudem möchte ich die Weiterbildung stärker mit den didaktischen Möglichkeiten der FernUni ausstatten.
Wieso ist es wichtig, dass sich Medizinerinnen und Mediziner im ethischen Bereich weiterbilden?
Wenn Menschen in Gesundheitsberufen moralische Konflikte erleben, nehmen sie dies mitunter als Stress wahr. Moralische Konflikte und Unsicherheiten nehmen durch gesellschaftliche und medizinische Entwicklungen stetig zu. Wenn Medizinerinnen und Mediziner sich intensiv mit der Medizinethik beschäftigen und dabei auch über erlebte moralische Konflikte reflektieren, dann kann das sehr entlastend wirken. Zudem können bei einer Auseinandersetzung mit der Medizinethik Fähigkeiten geschult werden, die einen sichereren und ethisch fundierten Umgang mit moralisch unsicheren Situationen erlauben.
Sie sind ja in der Forschung sehr aktiv und leiten eine DFG Emmy Noether-Nachwuchs-Forschungsgruppe. Mit welcher Forschungsfrage beschäftigen Sie sich momentan am intensivsten?
Im Moment erforschen wir philosophische Implikationen von Informationsprozessen, die bei der Interaktion zwischen Menschen und Maschinen ablaufen. Die Fragestellungen dazu lauten etwa: Wie können wir Informationsprozesse in neuartigen Interaktionen beschreiben? Welche Rolle spielt künstliche Intelligenz (KI) in diesem Zusammenhang? Unsere Beschäftigung mit diesem Thema ist vielschichtig. Wir veranstalten im Herbst einen internationalen Workshop zu dem Thema sowie verschiedene Vortragsabende in Kooperation mit der LMU München, wo wir insbesondere den Einsatz von KI in der Medizin, etwa in Bereichen wie der Bildgebung oder der Robotik, mit ausgewiesenen Expertinnen und Experten reflektieren. Gleichzeitig schreiben wir an verschiedenen Publikationen aus diesem Themenfeld, zum Beispiel zu KI im Bereich der Psychiatrie, oder zu Grenzen von KI im Vergleich zur menschlichen Intelligenz.
Schildern Sie doch einmal ein besonderes Erlebnis aus dem vergangenen Jahr, das sie gern an die FernUniversität denken lässt.
Die Erfahrung der gelebten interdisziplinären Auseinandersetzung an der FernUni gefällt mir sehr gut und ich denke gerne an einzelne Veranstaltungen der KSW Fakultät, in denen aus verschiedenen disziplinären Perspektiven zum Thema Digitale Kultur oder Figurationen von Unsicherheit diskutiert wird. Solche niederschwellig organisierte und regelmäßig gelebte Interdisziplinarität scheint mir besonders wertvoll und an Unis gar nicht selbstverständlich zu sein.
Was wird wohl das Erste sein, was sie tun, wenn Sie wieder zurück auf dem FernUni-Campus sind?
Ich werde bei etlichen Kolleginnen und Kollegen klopfen und mich mit ihnen kurz austauschen. Etwas, worauf ich mich bereits sehr freue!
Vielen Dank für das Gespräch.