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Seltene Einblicke in das türkische Rechtssystem

[27.01.2020]

Professor Dr. Faruk Turhan machte in einem Vortrag an der FernUniversität in Hagen auf aktuelle Probleme im Auslieferungsverkehr zwischen Deutschland und der Türkei aufmerksam.


Foto: FernUniversität
Der Forscher äußerte sich kritisch zu den Haftbedingungen in türkischen Gefängnissen.

Seinen Zuhörerinnen und Zuhörern gab er interessante Einblicke in den Auslieferungsverkehr mit der Türkei. Seit dem Putschversuch im Jahr 2016 habe sich die Situation dieser Zusammenarbeit zugespitzt. Während Deutschland Auslieferungsersuchen aus der Türkei in der Regel ablehne, lasse die Türkei entsprechende Verfahren immer öfter in einem unerledigten Status ruhen. Inzwischen bestehe ein großes Misstrauen gegenüber dem jeweils anderen Rechtssystem. „Diese Entwicklung ist bemerkenswert“, fasste Professor Faruk Turhan die aktuellen Entwicklungen zusammen. „Durch den Putschversuch hat nicht nur die gesellschaftliche Ordnung in der Türkei gelitten, sondern auch die Justiz Schaden genommen.“

Professor Faruk Turhan gilt als renommierter Kenner der deutsch-türkischen Rechtshilfe. Er ist derzeit an der Süleyman Demirel Universität in Isparta (Türkei) tätig und promovierte 1992 zum deutsch-türkischen Auslieferungsverkehr an der Universität Freiburg.

Vor allem die unverhältnismäßig hohen Strafen in der Türkei führte Turhan als einen Grund dafür an, dass türkische Ersuchen in Deutschland immer öfter abgelehnt würden. „Wer in der Türkei eine lebenslange Freiheitsstrafe ohne bedingte Entlassung verbüßen muss, hat keine Chance, seine Freiheit jemals wiederzuerlangen“, so der Forscher zur derzeitigen Lage.

Turhan berief sich unter anderem auf einen aktuellen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, das die Auslieferung eines Verfolgten an die Türkei jüngst für unzulässig erklärt hatte. Bei einer Haftstrafe bestehe zudem die Gefahr auf „menschenrechtswidrige Behandlung“, so die Begründung. Türkische Gefängnisse seien ohnehin überbelegt, was den Auslieferungsverkehr zusätzlich belaste.

Der Vortrag gehörte zur Reihe Colloquia Iuridica, in der die Rechtswissenschaftliche Fakultät der FernUniversität regelmäßig hochkarätige wissenschaftliche Vorträge und Forschungskolloquia mit gesellschaftlicher und praktischer Relevanz anbietet. Die Fakultät bedankte sich zum Schluss für den Einblick in die deutsch-türkische Rechtshilfe, die selten in diesem Umfang einen Weg in die öffentliche Wahrnehmung finde.

Sarah Müller | 13.08.2021