Das Wiener Determinationsgerät
Aufmerksamkeitsprüfung bis zur Belastungsgrenze
Schaufenster zum Forschungsarchiv Nr. 31
Einige wenige Apparate, die noch aus der Zeit der Psychotechnik stammen, sind stetig verbessert und viele Jahrzehnte bis in die Gegenwart hinein verwendet worden. Eins dieser Geräte ist das Determinationsgerät, das auf die Zeit der Wehrmachtpsychologie zurückgeht. Es wird dem Psychologen Karl Mierke (1896-1971) als dem wissenschaftlichen Leiter der Marinepsychologie zugeschrieben (Lück, 2017). Mierke lehrte nach dem Zweiten Weltkrieg in Kiel und beschrieb das Gerät als Kieler Determinationsgerät (Mierke, 1955). Das international verbreitete Gerät diente vor allem der Leistungsdiagnose von Personen, von denen im Beruf ständige Aufmerksamkeit verlangt wurde, z.B. Zugführer, Straßenbahn- oder Busfahrer.
Das Bild zeigt die Perspektive der Psychologin bzw. des Psychologen. Die zu untersuchende Person sitzt auf der gegenüberliegenden Seite. Sowohl Farbreize als auch akustische Signale werden laufend ausgegeben, auf die der Proband durch Drücken der Tasten und durch Bedienung von Fußpedalen reagieren soll. Die standardisierte Untersuchung beginnt nach einer festgelegten Übungsphase. Die Leistung des Probanden liegt im fortlaufenden, möglichst fehlerfreien Reagieren auf wechselnde Reize. Der Versuchsleiter kann die Geschwindigkeit des Testablaufs mit einem Zeitintervallregler (Mitte) einstellen und links an den vier Zählwerken die Anzahl der Reize, die Anzahl der richtigen Reaktionen, die Anzahl der verzögerten Reaktionen sowie die Fehlerzahl ablesen.
Mierke hatte auch das Ziel, nicht nur die Leistungen, sondern auch das Verhalten der Probanden beim Erreichen der Belastungsgrenze zu ermitteln. Wie würde da eine Person reagieren? Würde sie aufgeben oder z.B. Aggressionen zeigen? Durch die lange Zeit der Anwendung der Determinationsgerätes wurden vielfältige Ergebnisse zu den Gütekriterien des Verfahrens gewonnen.
Das hier gezeigte Wiener Determinationsgerät ist eine Weiterentwicklung durch die Firma Schuhfried in Österreich. Das Gerät wurde ab 1960 vertrieben. Mit Zählwerken, anschließbarem Drucker und anderen Eigenschaften war es leistungsfähiger als das Kieler Gerät. Einsatzgebiete waren auch medizinisch-psychologische Untersuchungen, Berufsberatung und -förderung sowie Pharmaforschung (Paulitsch, 2007, S. 117). Das hier gezeigte Gerät stammt aus dem Psychotechnischen Institut Wien (Prof. Karl Hackl).
Seit Beginn der achtziger Jahre ist das Determinationsgerät Teil des Wiener Testsystems. Die Darbietung der Reize verlagerte sich immer mehr auf den Computerbildschirm, was auch den Transport des schweren Gerätes erübrigte (Schuhfried, 2006).
Der wissenschaftliche Nachlass von Karl Mierke, der über Begabung, Willenspsychologie und Konzentrationsfähigkeit gearbeitet hat, befindet sich im Hagener Archiv.
Lück, H. E. (2017). Mierke, Karl. In U. Wolfradt, E. Billmann-Mahecha & A. Stock (Hrsg.), Deutschsprachige Psychologinnen und Psychologen 1933-1945. Ein Personenlexikon, ergänzt um einen Text von Erich Stern, 2. Aufl. (S. 314-316). Wiesbaden: Springer.
Mierke, K. (1955). Wille und Leistung. Göttingen: Hogrefe.
Paulitsch, C. (2007). Psychologische Apparate, Band 2. Passau: Universitätsverlag.
Schuhfried, G. (2006). Das Zeitalter der computergestützten Diagnostik. In G. Lamberti (Hrsg.), Intelligenz auf dem Prüfstand – 100 Jahre Psychometrie (S. 121-136). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
H.E.L. / M.B.