Die erste psychologische Nachkriegstagung in Bonn

Max Simoneit im Berufsverband Deutscher Psychologen

Schaufenster zum Forschungsarchiv Nr. 8

Programm Erste NachkriegstagungFoto: FernUniversität
Programm der ersten Nachkriegstagung

Der Berufsverband Deutscher Psychologen e.V. führte vom 29.8.–2.9.1947 in Bonn seine erste Nachkriegstagung durch. Bonn gehörte zu den wenig zerstörten Städten. Organisatoren waren die Professoren Siegfried Behn (1884-1970) und Max-Joseph Hillebrand (1896-1984). Die Teilnehmer wurden privat untergebracht und mussten Bettwäsche und Essenmarken mitbringen. Es gab ca. 300 Voranmeldungen, die Hörsäle waren teilweise überfüllt und es musste viel improvisiert werden.

Mitschrift Erlebtes als Wegweisung für unser FachFoto: FernUniversität

In der Eröffnungsfeier bezeichnete der Oberbürgermeister der Stadt Bonn das deutsche Volk als innerlich erkrankt und versprach sich von der Tagung Aufklärung, auf dass diese „auch dazu beitrage, auch den Weg zu einer Versöhnung der Völker zu ebnen“. Walter Jacobsen, der erste Vorsitzende, sprach vom deprimierenden Ansehensverfall der deutschen Wissenschaft während der NS-Zeit. Diesen Verfall sah er zum Teil im „widerstandslosen und leichtgläubigen Sichverschreiben“ an eine „den Geist terrorisierenden Strömung wie den Nationalsozialismus“.

Max Simoneit (1896-1962), zweiter Vorsitzender des Vorstandes hielt schon am Eröffnungsabend eine Rede mit dem Titel „Erlebtes als Wegweisung für unser Fach“.

Simoneit war 1930-1942 der wissenschaftliche Leiter der Wehrmachtpsychologie gewesen und vertrat die Meinung, für Auswahlverfahren sei neben spezifischen Eignungsverfahren eine ganzheitliche Charakterprüfung notwendig. Nach Auflösung der Wehrmachtpsychologie 1942 kämpfte Simoneit an der Front und wurde mit dem Ritterkreuz ausgezeichnet. Nach Kriegsende kam er in das Re-Education Camp Neuengamme bei Hamburg. Gemeinsam mit anderen Psychologinnen und Psychologen gründete er bereits im Juni 1946 in Hamburg den Berufsverband Deutscher Psychologen (heute: Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen) für die Britische Besatzungszone.

In seinem Eröffnungsvortrag sprach Simoneit seine Zuhörer als ihm bekannte und vertraute Kollegen an. Tatsächlich war er ja bis vor wenigen Jahren der Vorgesetzte vieler anwesender Psychologen gewesen. Dabei erinnerte Simoneit mit pathetischen Worten an die frühere Zusammenarbeit.

Für die anwesenden Psychologinnen und Psychologen war der Kontakt mit Kolleginnen und Kollegen jetzt besonders wichtig. Es galt, die Zeit der materiellen Not, der Besatzung und Entnazifizierung zu meistern, neue Berufsfelder zu finden, das vorhandene Wissen zu nutzen und sich sachkundig zu machen, wie sich die Psychologie während der NS-Zeit in anderen Ländern entwickelt hatte. Die Tagung in Bonn war hierfür ein bescheidener Anfang der Neuorientierung.

Der wissenschaftliche Nachlass von Max Simoneit mit Dokumenten aus der Nachkriegszeit – darunter das gezeigte Redemanuskript – befindet sich im Psychologiegeschichtlichen Forschungsarchiv der FernUniversität.

Bönner, K.-H. (1986). Das Leben des Dr. phil. habil. Max Simoneit. Geschichte der Psychologie, 3 (3), 5-30. Online: http://journals.zpid.de/index.php/GdP/article/view/395

Bönner, K.-H. & Lück, H. E. (Hrsg.).(1998). Die Mitteilungen des Berufsverbandes Deutscher Psychologen 1947-1950. Frankfurt: Lang.

Lück, H. E. (2017). Simoneit, Max. In U. Wolfradt, E. Billmann-Mahecha & A. Stock (Hrsg.), Deutschsprachige Psychologinnen und Psychologen 1933-1945. Ein Personenlexikon, ergänzt um einen Text von Erich Stern. 2. Aufl. (S. 415-417). Wiesbaden: Springer.

Wikipedia: Max Simoneit. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Simoneit

H.E.L.

Alexander Moroz | 12.08.2021