Ein psychologisches Kabarett 1956
Schaufenster zum Forschungsarchiv Nr. 25
Zu einem typischen wissenschaftlichen Kongress gehört der Gesellschaftsabend. Als der Berufsverband Deutscher Psychologen e.V. (Heute: Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V.) noch sehr viel weniger Mitglieder hatte, ging es auf Gesellschaftsabenden offenbar recht familiär zu. Am 3. Oktober 1956 trat auf dem Kongress des BdP in Freiburg eine „Spielgruppe der Landesgruppe Berlin“ auf, die den kabarettistischen Beitrag „Pro-Test“ aufführte. Die gereimten Texte hatte Dr. Wolfram Lüders verfasst. Fast alle sechs Mitwirkende waren Studierende der Psychologie. Einige von ihnen waren später als Psychoanalytiker tätig. Die humorvollen Gedichte waren zur Unterhaltung der Anwesenden verfasst worden, sie werfen aber auch ein Licht auf die Lage der Psychologie in der jungen Bundesrepublik.
Da ist von der zunehmenden Popularität der Psychologie die Rede:
Wir hab´n genug von jenen Gruppen,
die psychologisch sich entpuppen,
weil´s heut´ zum guten Ton gehört,
daß psychologisch man verfährt.
Karikiert werden die verschiedenen, damals diskutierten psychologischen Theorien (Ganzheit vs. Elemente, Psychoanalyse, Schichtenlehre der Persönlichkeit usw.) und deutlich wird, wie schwierig es Mitte der Fünfzigerjahre für Diplompsychologen war, ohne Berufserfahrung eine Stelle zu bekommen. In einem „Kinderlied“ wird der Bewerber überall abgewiesen, weil ihm die Praxis fehlt. Schließlich heißt es zum Schluss:
Dann haben längst schon uns´re Nachbarn
uns´re Plätze eingenommen,
und wir sind dann wie so oft schon
wieder mal zu spät gekommen.
Auch das Theorie-Praxis-Verhältnis wird humorvoll beleuchtet. Zum Schluss des Kabaretts heißt es dazu:
Ja, die Theorien blühen
Wie die Bäum´ im Monat Mai,
doch beim ersten Praxiswetter,
doch beim ersten Praxiswetter,
ist die ganze Pracht vorbei.
Das Psychologiegeschichtliche Forschungsarchiv der FernUniversität bewahrt ein Exemplar des 18seitigen Manuskriptes der Kabarettaufführung „Pro-Test“ im Bestand Friedhelm Burkardt.
Foto: Fernuni-HagenAusschnitt aus der Titelseite des Manuskriptes (PGFA, Bestand Friedhelm Burkardt)
Foto: Fernuni-HagenAusschnitt aus dem „Kinderlied“. (PGFA, Bestand Friedhelm Burkardt)
H.E.L.
