Ehrig Wartegg und der Wartegg-Zeichentest (WZT)
Schaufenster zum Forschungsarchiv Nr. 55
Zu den Tests, die das Hagener Archiv bewahrt, gehören einige Exemplare des Wartegg Zeichentests (WZT), die bereits von Personen bearbeitet wurden. Der Test besteht aus acht kleinen Zeichenfeldern im Format 4x4cm mit sparsamen, genau definierten Vorgaben, beispielsweise einem Punkt, einem Kreisabschnitt oder drei verschieden langen parallelen Linien. Die Aufgabe für die Probanden besteht darin, in jedes Zeichenfeld ein Bild zu zeichnen. Dabei werden die Vorgaben in der Regel weitergeführt. Aus dem Bogen in Tafel 8 wird dann z.B. eine untergehende Sonne. Die Wahl der Motive bleibt der Zeichnerin oder dem Zeichner überlassen. Dieser Test geht zurück auf den Psychologen Ehrig Wartegg (1897-1983).
Wartegg wurde in Dresden geboren, er studierte von 1927 bis 1932 an der TH Dresden und der Universität Leipzig. Mit seinem Eintritt in die NSDAP im Jahr 1933 erlangte Wartegg, der bis dahin die tschechoslowakische Staatsangehörigkeit besessen hatte, die deutsche Staatsbürgerschaft. Ab 1933 war er als Assistent am Psychologischen Institut Leipzig tätig, aus dem er nach eigenen Angaben 1938 ausscheiden musste. 1939 promovierte Wartegg mit der Schrift „Gestaltung und Charakter“ in Leipzig. In den Jahren 1938 bzw. 1941 bis 1945 war er als Ausbildungsleiter des mitteldeutschen Landesarbeitsamtes in Erfurt tätig, wo er u.a. die Überprüfung von Berufseignungen durchführte. Es folgte eine Anstellung am Kulturamt der Stadt Erfurt sowie als Fachpsychologe in einer Praxis in Erfurt (1946 bis 1949). Ab 1950 war Wartegg für die Versicherungsgesellschaft Berlin (Ost) als Mitarbeiter der Poliklinik für Psychotherapie tätig. Ab 1952 arbeitete er als wissenschaftlicher Leiter im Haus der Gesundheit in Berlin (Ost). Hier führte er sowohl analytische Lehrtherapien, Gruppenpsychotherapien und die stufenweise Entwicklung eines Systems der experimentellen Psychodiagnostik durch. Wartegg wurde 1960 mit der Hufeland-Medaille sowie 1977 mit dem Vaterländischen Verdienstorden der DDR in Bronze ausgezeichnet. (Biogr. Angaben nach Geyer (2011), sowie dem Bundesarchiv, in dem sich der Nachlass Wartegg befindet.)
Ehrig Wartegg vertrat eine Schichtentheorie der Persönlichkeit und entwickelte mehrere projektive Testverfahren, von denen der Wartegg-Zeichentest (WZT) der bekannteste ist. Der WZT ist eine Weiterentwicklung des Fantasietests von Friedrich Sander. Sein Verfahren beschrieb Wartegg in seiner Dissertation (Wartegg, 1939). Der WZT war aber schon früher verbreitet. Die hier gezeigten Beispiele aus dem Forschungsarchiv sind mit 1937 datiert. Manche Quellen nennen eine noch frühere Verbreitung.
Der Test wird noch heute als projektives Verfahren verwendet, häufig wohl in Europa und Südamerika, seltener in englischsprachigen Ländern (Roivainen, 2009). Trotz der Verbreitung des Tests über Jahrzehnte sind Untersuchungen zu den Gütekriterien vergleichsweise selten. Schon die Objektivität ist schwer zu bestimmen. Die Reliabilität nach Testwiederholung ist niedrig. Es gibt zudem nennenswerte Korrelationen mit Schulnoten in Zeichnen. Für Eignungsuntersuchungen wird der WZT daher heute nicht mehr empfohlen. Verbreitet ist der WZT aber in der psychologischen Beratung und Therapie, indem die Zeichnungen mit der Klientin bzw. dem Klienten betrachtet und im Gespräch interpretiert werden (Spindler, 2020). Ein Schweizer Berater berichtet z.B. über seine Arbeit mit dem WZT:
„Es sind wirklich Hypothesen. So vermittle ich das auch im Gespräch. Der Wartegg ist ein super Hypothesengenerator für mich. Diese analysiere ich dann mit den Kunden im Gespräch.” (Spindler, 2020, S. 41).
Seinen Reiz hat der Wartegg-Zeichentest über fast 100 Jahre auch dadurch behalten, dass Probandinnen und Probanden die vorgegebenen kleinen Zeichnungen kreativ erweitern, spielerisch ausschmücken und ausdeuten können. Die Testkarten im Hagener Archiv lassen dies gut erkennen.
Geyer, M. (2011). Ehrig Wartegg (7.7.1897– 9.12.1983) in M. Geyer, M. (Hrsg.), Psychotherapie in Ostdeutschland. Geschichte und Geschichten 1945–1995 (S. 79 -86), Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht.
Roivainen, E. (2009). A Brief History of the Wartegg Drawing Test. Gestalt Theory, 31(1), 55–71.
Spindler, G. (2020). Der Wartegg Zeichentest in der modernen Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung. Masterarbeit. Zürich: IAP Institut für angewandte Psychologie. https://digitalcollection.zhaw.ch/bitstream/11475/23023/3/Spindler.Georg.Masterarbeit.pdf
Wartegg, E. (1939). Gestaltung und Charakter. Ausdrucksdeutung zeichnerischer Gestaltung und Entwurf einer charakterologischen Typologie. Diss. Univ. Leipzig; Leipzig: Barth (= Beiheft 84 zur Zeitschrift für angewandte Psychologie und Charakterkunde).
H.E.L.