Bemühen um Anschluss an die internationale Psychologie

Schaufenster zum Forschungsarchiv Nr. 20

Hans Anger bei L. L. Thurstone

Da durch die Entnazifizierungsverfahren nur wenige Hochschullehrer der Psychologie ihrer Ämter enthoben wurden, trug dies in Westdeutschland zur Kontinuität von Institutionen, Personen und Lehrmeinungen bei. Die nachwachsende Generation der Assistentinnen und Assistenten war dagegen bestrebt, den Anschluss an die internationale Psychologie zu finden, denn in der Nachkriegszeit war sehr bald klar, dass vor allem die amerikanische psychologische Forschung der deutschsprachigen Psychologie weit voraus war. Von Interesse waren daher amerikanische Fachliteratur, Kontakte zu Kolleginnen und Kollegen im Ausland und – wenn möglich – Reisen in die USA.

In gewisser Weise typisch ist die Biographie von Hans Anger (1920-1998). Er hatte in Marburg Medizin (1944 Dr. med.) und bei Heinrich Düker Psychologie (1950 Dr. phil.) studiert, als er Anfang der fünfziger Jahre zu Studienaufenthalten in die USA reiste und sich bei Louis Leon Thurstone (1887-1955) in die moderne Testtheorie einarbeitete und neuere psychologische Methoden, insbesondere die Faktorenanalyse, erlernte. Zum Abschied schenkte Thurstone seinem deutschen Gast ein Foto „mit aufrichtigen besten Wünschen“.

Nach seiner Habilitation erhielt Anger 1962 in Köln die erste Professur für Sozialpsychologie an einer deutschen Universität. Das Kölner Institut für Sozialpsychologie in der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät hatte für die damalige Zeit moderne technische Einrichtungen. Dazu gehörten zwei Versuchsräume und ein Beobachtungsraum, Ton- und Videogeräte. Zum Bemühen, den Anschluss an die internationale Forschung zu gewinnen, gehörte Hans Angers Ziel, „klassische“ Experimente der amerikanischen Sozialpsychologie in Deutschland zu replizieren. So entstanden u.a. Untersuchungen zum Asch-Konformitätsexperiment, zum Sherif-Gruppennorm-Experiment und zur Verbalen Konditionierung nach Greenspoon.

Das Hagener Archiv beherbergt den wissenschaftlichen Nachlass von Hans Anger.

H.E. L.

Foto: Fernuniversität Hagen
Portrait von L. L. Thurstone mit Widmung (PGFA: Bestand Anger)
Foto: Fernuniversität Hagen
Hans Anger (links) und Wolfgang Manz etwa 1965 im Beobachtungsraum des Kölner Instituts für Sozialpsychologie (PGFA: Bestand Anger)
Gerhard Tübben | 12.08.2021