Anpassung der Typologie an die Rassenlehre

Rudolf Jaensch im Kreis von Mitarbeitern und Schülern

Schaufenster zum Forschungsarchiv Nr. 5

Foto JaenschFoto: FernUniversität
Rudolf Jaensch

Als Rudolf Jaensch (1883-1940) 1913 nach Marburg berufen wurde, gab es einen heftigen Streit, der heute als „Marburger Lehrstuhlstreit“ bezeichnet wird. Der Amtsvorgänger des jungen Psychologen war nämlich Hermann Cohen, ein bedeutender Philosoph. Wie seine Kollegen lehnte er die Besetzung von Philosophielehrstühlen mit Experimentalpsychologen wie Jaensch ab. Jaensch machte sich jedoch einen Namen, u.a. mit Untersuchungen zum sog. eidetischen Gedächtnis, einem bildhaften Gedächtnis, über das auch manche Kinder verfügen. Auf einem Kongress in Marburg führte Jaensch einen Jungen vor, dem kurz ein Bild mit vielen Einzelheiten gezeigt wurde, an die sich der Junge genau erinnern konnte. Ein anderes Gebiet war eine von Jaensch begründete Typologie menschlicher Charaktere, die er später in Verbindung mit verschiedenen Völkern brachte.
Dieses Bild zeigt Jaensch im Kreis von Mitarbeitern und Schülern. Das Bild mag etwa 1930 entstanden sein. Es entstammt einem Album, das Schüler und Mitarbeiter von Jaensch 1933 zum 50. Geburtstag ihres Lehrers gestaltet haben.
Ziemlich genau mit der „Machtergreifung“ 1933 passte Jaensch seine Lehre der Charaktertypen an die nationalsozialistische Rassenlehre an. Er steigerte nunmehr seine Publikationsaktivitäten, hielt Vorträge und sprach auch ideologiekonform zur Hitlerjugend. Im Jahr 1938 erschient sein Werk Der Gegentypus, in dem er nun vollständig seine Typologie im Sinne der NS-ldeologie akzentuierte (Jaensch, 1938). Anfang 1940 starb Jaensch überraschend an den Folgen einer Operation.

Jaensch, E. R. (1938). Der Gegentypus. Psychologisch-anthropologische Grundlagen deutscher Kulturphilosophie, ausgehend von dem was wir überwinden wollen. Leipzig: Barth.
H.E.L.

Alexander Moroz | 08.04.2024