Präsenzveranstaltung

Der Aufstieg und Zerfall großer Reiche – dies ist eines der klassischen Themen der Geschichtsschreibung. Wir wollen uns der imperialen Geschichte der europäischen Mächte von der Eroberung Ceutas durch Portugal 1415 bis zur Übergabe Hongkongs an China 1997 widmen: Was ist überhaupt ein „Imperium“? Wodurch unterscheiden sich die Imperien, ist dabei eine bestimmte Einteilung möglich? Jenseits der Eigenheiten der jeweiligen Imperien geht es um die Herausarbeitung von Strukturen innerhalb großer analytischer Räume. Dazu zählen beispielsweise die Entwicklungen gleich nach dem Erstkontakt, wie etwa Kolonisierungsarten und ihre geopolitischen Auswirkungen sowie die Ausbreitung von Krankheiten. Wirtschaftlich und sozial sollen die Entwicklung kapitalistischer Systeme und globaler Wertschöpfungsketten, Formen unfreier Arbeit sowie freiwillige und erzwungene Migration betrachtet werden. An neueren Forschungsthemen werden Fragen des Wissenstransfers sowie weitreichende ökologische Umwälzungen und Zerstörungen behandelt.

Wir wollen anhand dieser Bereiche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Imperien im Verlauf der Neuzeit untersuchen und diskutieren. Dadurch wollen wir besser verstehen, wie räumlich und zeitlich analytische Räume geschaffen werden können – auch in der eigenen Forschungsarbeit. Dazu werden wir ausgehend von einer geopolitischen Sicht sehr rasch auch ganz konkret in pragmatische Quellenarbeit gehen. Wir werden reichhaltiges Quellenmaterial gemeinsam diskutieren, um damit auch Anregungen für Hausarbeiten, Abschlussarbeiten und andere Prüfungsformen zu geben. Zu den Materialien zählen u.a. historische Karten, Reisetagebücher, Missionsberichte, ethnografische Beschreibungen und auch Handelsaufzeichnungen.

Am Freitagnachmittag werden wir gemeinsam eine Führung durch die Linga-Bibliothek für Lateinamerika-Forschung haben, welche reiche Bestände zu den Imperien des amerikanischen Doppelkontinents hält: Von mexikanischen Kodizes des 16. Jahrhunderts bis hin zur neuesten Forschungsliteratur.

Erste Literaturhinweise

Abernethy, David B.: The Dynamics of Global Dominance. European Overseas Empires, 1415-1980, New Haven 2000.

Gammerl, Benno: Der Vergleich von Reich zu Reich. Überlegungen zum Imperienvergleich anhand des britisch-habsburgischen Beispiels, in: Agnes Arndt/ Joachim C. Häberlen/ Christiane Reinecke (Hg.): Vergleichen, verflechten, verwirren? Europäische Geschichtsschreibung zwischen Theorie und Praxis, Göttingen 2011, S. 221-242.

Osterhammel, Jürgen: „Imperiologie“? Neues nach der New Imperial History, in: Neue Politische Literatur 67/3 (2022), S. 229-248, open access über: https://link.springer.com/journal/42520/volumes-and-issues/67-3

Osterhammel, Jürgen: „Über die Periodisierung der neueren Geschichte (Vortrag in der Geisteswissenschaftlichen Klasse am 29. November 2002)”, in: Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berichte und Abhandlungen, Bd. 10, 2006. S. 45–64. online zugänglich: https://d-nb.info/1238864201/34