Präsenzveranstaltung

Wenn der Poltergeist Oscar Wildes die Romantik heimsucht; wenn die Verwandlung von Kafkas Gregor Samsa zum Schmutzverwaltungsproblem wird und Bruno Latour ihn in seinem Home Office im Lockdown begegnet, um die Frage zu stellen „Wo bin ich?“; wenn Walter Benjamin auf Ibiza das Stühlerücken wiederentdeckt; wenn Carl Schmitt 1947 in Nürnberg in seiner Zelle sitzt und sich fragt, wer sein Feind ist; wenn Martin Heidegger in seiner Hütte in Todtnauberg dem Sturm und den Glocken der Schafe nachhorcht und ihm die Sprache in Hölderlins Turm zum „Haus des Seins“ wird; wenn Friederike Mayröcker das Messi-Sein zur Poetologie erhebt und ein Fenster bedichtet; wenn der Ethnologe Marc Auge sich als Obdachloser in einem Tagebuch erfindet; George Perec von Räumen träumt und eine Wohnungsauslösung bei Angelika Meier zur Erkundung der „Trutzburgen moderner Ichbildung“ wird, gar ein Haus verkauft wird, dann stellen sich die großen Wohnungsfragen.

„Voll Verdienst, doch dichterisch, wohnet der Mensch auf dieser Erde", sagt eine änigmatische Formulierung Friedrich Hölderlins. Die Wohnungsfrage ist vielleicht die kulturwissenschaftliche Frage schlechthin. Wir wollen Hölderlins Satz auslegen, indem wir ihr in Texten aus Literatur, Philosophie, Ethnographie und Epistemologie nachgehen. In einer Vorbesprechung (online; Termin wird noch bekanntgegeben) erörtern wie den Ablauf der Veranstaltung und die Möglichkeit von Kurzreferaten.

Seminarlektüre:

Marc Auge: Tagebuch eines Obdachlosen. Ethnofiktion. Aus dem Französischen von Michael Bischoff, München: C. H. Beck Verlag 2012 [Auszüge].

Wolfgang Hildesheimer: Hauskauf. Hörspiel. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1974 (Bibliothek Suhrkamp 417).

Carl Schmitt: „Weisheit der Zelle (April 1947)“. In: Ex Captivitate Salus. Erfahrungen der Zeit 1945/47. 4. erw. Aufl., Berlin: Duncker & Humblot 2015.

Martin Heidegger: „Denken, Bauen, Wohnen“. In: Vorträge und Ausätze. Teil II. Neske: Neske 1967, S. 19-36.

Frederike Mayröcker: Mein Herz, mein Zimmer, mein Name. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 1988. [Auszug]

Franz Kafka: Die Verwandlung (1915).

Bruno Latour: „Wo bin ich?“. Corona-Lektionen.

Walter Benjamin: „Das Schwierige in der Betrachtung des Wohnens“. In: Das Passagen-Werk (1927-1940).Gesammelte Schriften, Band V.I, , S. 291-292.

Walter Benjamin: „Raum für das Kostbare“ („Ibizenkische Folge“,1932) In: Kleine Prosa. Baudelaire-Übertragungen. Gesammelte Schriften. Hg. von Tillmann Rexroth, Band IV, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1991, S. 403f.

George Perec: Träume von Räumen (1974). Aus dem Französischen von Eugen Helmlé, Berlin: Diaphanes 2013. [Auszüge]

Angelika Meier: Die Auflösung des Hauses Decker. Roman. Zürich: Diaphanes 2021.*

Katharina Greve: Das Hochhaus. 102 Etagen Leben. Berlin: Avant-Verlag 2017.

https://www.das-hochhaus.de/index.php.*

Oskar Wilde: Das Gespenst von Canterville. Stuttgart: Reclam 2008.*

*Text selbst besorgen / die anderen Texte werden in einem Moodle-Kurs zur Verfügung gestellt.

Hintergrundlektüre:

Bill Bryson: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge. München 2013.

Emanuelle Coccia: Das Zuhause. Philosophie eines scheinbar bekannten Ortes. München 2022.