Präsenzveranstaltung

Die historische Betrachtung des Wirtschaftslebens wurde lange Zeit vornehmlich von zwei Perspektiven geprägt. Einerseits wurden aus höchster Vogelperspektive übergreifende Räume und Konjunkturen analysiert. Andererseits nahmen regelrecht mikroskopische Tiefenbohrungen die ökonomische Entwicklung einzelner Unternehmen, Standorte, Märkte etc. in den Blick. Die durch den Handel erzeugten Verbindungslinien wurden zudem gerne für sich stehend betrachtet. Mittlerweile verfolgt die Historiographie der Weltwirtschaft weitaus integrativere Ansätze- Globale reziproke Austauschbeziehungen (Verflechtungen) und regionale oder lokale Auswirkungen (Glokalisierung) werden miteinander in Beziehung gesetzt, um vielschichte Zusammenhänge rekonstruieren zu können. In den letzten drei Jahrzehnten wurde eine Reihe richtungsweisender Studien vorgelegt, die anhand von Gütergruppen, aber auch Institutionen oder Akteur*innen solche weltweiten Zusammenhänge beschrieben haben. Dabei wurden auch andere unumstößlich erscheinende Vorgaben der Wirtschaftsgeschichte abgeräumt. Das Zeitalter der Industrialisierung (das lange 19. Jahrhundert) steht nun nicht mehr herausgehoben für sich im historischen Raum, sondern wird in langfristige Entwicklungsprozesse integriert. Und Wirtschaftsgeschichte ist nicht mehr nur eine Angelegenheit von Zahlen und Maßen, sondern hat ihre kulturhistorischen oder anthropologischen Seiten entdeckt. Dabei konnte auf älteren Forschungen zu kulturübergreifenden Wirtschaftsbeziehungen aufgebaut werden, die lange als „außereuropäisch“ im Exotikregal abgelegt worden waren.

Das Seminar unternimmt den Versuch, globale Wirtschaftszusammenhänge exemplarisch, aber aus möglichst vielen unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten. Dabei sollen verschiedene weiträumige Theorien ebenso wie lokale empirische Fallstudien zur Sprache kommen, akteurs- und institutionenbezogene Ansätze ebenso wie umfassende Betrachtungen einzelner Güter thematisiert werden, Technologie und Verkehr genauso wie Interaktion und Verhandlung diskutiert werden. In der Gesamtschau wird das komplexe Bild einer Weltwirtschaft angestrebt, die sich über Jahrhunderte hinweg mit unterschiedlichen Schwerpunkten entwickelte und stets neue Dynamiken erzeugt hat. Im Rahmen der Veranstaltung können letztendlich nur Facetten hervorgehoben werden, die jedoch zum Weiterdenken und Neu-Entdecken anregen wollen.

Literaturhinweise

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