Forschung

Foto: VectoMine - stock.adobe.com

Wie funktioniert die Interaktion von Wahrnehmung, Entscheidung und Handlung? Warum sind wir in der Lage andere Personen zu imitieren und uns Urteile über deren Intentionen zu bilden? Welche kognitiven und neuronalen Mechanismen erlauben es Menschen Handlungen in Echtzeit miteinander in Raum und Zeit zu koordinieren? Wie stabil ist unser Ich-Bewusstsein und welche Rolle spielt das Gefühl von Handlungsurheberschaft (Agency) für dessen Entwicklung? Welche Rolle spielt verkörperte Wahrnehmung (Embodied Cognition) im Multitasking? Und welche Impulse kann die Beantwortung dieser Forschungsfragen für die Entwicklung neuartiger technischer Systeme und das Interaktionsverhalten in realen, digitalen und virtuellen Umgebungen haben? Diese Fragen bilden das Kernstück des UEH Forschungsprogramms.

Unsere Forschungsschwerpunkte sind:

 
Foto: Matthieu - stock.adobe.com

Interaktion Wahrnehmung – Handlung: Entscheidungskonflikte beim gemeinsamen Handeln

In dem noch recht jungen Forschungsfeld des gemeinsamen Handelns (Joint Action) gibt es eine ganze Reihe aktueller Befunde, die Interaktionen zwischen Wahrnehmung und Handlung mit der Annahme einer gemeinsamen Kodierungsebene von Wahrnehmung und Handlungsplanung (Common coding) erklären. Diese Annahme spielt für die Beantwortung der eingangs aufgeworfenen Forschungsfragen eine wichtige Rolle. Im Kontext von dyadischen Interaktionen kommt es durch diese Art der Handlungskodierung zur Ko-repräsentation von Handlungen (oder besser von Handlungseffekten) der Interaktionspartner. Je nach situativem Kontext kann dies den Ablauf einer gemeinsam ausgeführten Handlung erleichtern und die Gruppenleistung verbessern unter gewissen Umständen aber auch verschlechtern. Ein Grund hierfür ist, dass die eigens initiierten Handlungseffekte von extern aktivierten Handlungseffekten unterschieden werden müssen. Die Beschreibung und der experimentelle Nachweis, wie solche Entscheidungskonflikte beim gemeinsamen Handeln gelöst werden ist zentraler Bestandteil der DFG Drittmittelprojekte LI 2115/1-1 und LI 2115/1-3. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Untersuchung der Mensch-Roboter Interaktion in realen und digitalen Umwelten und die Frage, wie sich menschliche und nicht menschliche Interaktionsprozesse unterscheiden.

Zentrale Publikationen

Liepelt, R. & Raab, M. (2021). Metacontrol and joint action: How shared goals transfer from one task to another. Psychological Research, 85, 2769–2781. https://doi.org/10.1007/s00426-020-01443-9

Liepelt, R., Porcu, E., Stenzel, A., & Lappe, M. (2019). Saccadic eye movements do not trigger a joint Simon effect. Psychonomic Bulletin & Review, 26, 1896-1904. https://doi.org/10.3758/s13423-019-01639-0

Liepelt, R., Klempova, B., Dolk, T., Colzato, L. S., Ragert, P., Nitsche, M., & Hommel, B. (2016). The medial frontal cortex mediates self-other discrimination in the Joint Simon task: a tDCS study. Journal of Psychophysiology, 30, 87-101. https://doi.org/10.1027/0269-8803/a000158

Dolk, T., Hommel, B., Prinz, W., & Liepelt, R. (2013). The (not so) Social Simon effect: A referential coding account. Journal of Experimental Psychology: Human Perception and Performance, 39, 1248-1260. https://doi.org/10.1037/a0031031

Stenzel, A., Chinellato, E., Tirado Bou, M. A., del Pobil, Á. P., Lappe, M., & Liepelt, R. (2012). When humanoid robots become human-like interaction partners: co-representation of robotic actions. Journal of Experimental Psychology: Human Perception and Performance, 38, 1073-1077. https://doi.org/10.1037/a0029493

Liepelt, R., & Prinz, W. (2011). How two share two tasks: evidence of a Social Psychological Refractory Period effect. Experimental Brain Research, 211, 387-396. https://doi.org/10.1007/s00221-011-2703-2

Liepelt, R., Wenke, D., Fischer, R., & Prinz, W. (2011). Trial-to-trial sequential dependencies in a social and non-social Simon task. Psychological Research, 75, 366-­375. https://doi.org/10.1007/s00426-010-0314-3


Foto: vectorfusionart - stock.adobe.com

Verkörperte Wahrnehmung (Embodied Cognition) und Multitasking

Die Kontrolle von Multitasking Aufgaben beinhaltet eine Reihe komplexer Entscheidungsprozesse. Die Steuerung dieser Aufgaben wird zunehmend mit modernen technischen Geräten ermöglicht. Neuartige technische Geräte erfordern dabei in vielen Fällen eine sehr direkte Steuerung komplexer Inhalte in räumlicher Nähe zu unseren Händen (z.B. manuelle Steuerung von Tablet-PCs). Diese werden zudem häufig zur Steuerung von komplexen technischen Multitasking Umwelten eingesetzt (z.B. in Cockpits von Zügen). In diesem Forschungsbereich verfolgt UEH die Perspektive der verkörperten Kognition im Multitasking. In aktuellen DFG Projekten (DFG Drittmittelprojekt LI 2115/2-1 und LI 2115/6-1) konnte erste Evidenz dafür gezeigt werden, dass eine größere Körpernähe die Leistung in komplexen Multitasking Aufgaben verbessert. Weitere Forschungsarbeiten beschäftigen sich mit der Trainierbarkeit von zentralen exekutiven Funktionen im Multitasking.

Zentrale Publikationen

Ellinghaus, R., Janczyk, M., Wirth, R., Kunde, W., Fischer, R., & Liepelt, R. (2023). Opposing influences of global and local stimulus-hand proximity on crosstalk interference in dual-tasks. Quarterly Journal of Experimental Psychology. https://doi.org/10.1177/17470218231157548

Fischer, R., Liepelt, R. (2020). Embodied cognition in multitasking: increased hand-specific task shielding when stimuli are presented near the hand. Psychological Research, 84, 1668–1682. https://doi.org/10.1007/s00426-019-01174-6

Liepelt, R., & Fischer, R. (2016). Task demands determine hand posture bias on conflict processing in a Simon task. Psychonomic Bulletin & Review, 23, 579-586. https://doi.org/10.3758/s13423-015-0901-9

Liepelt, R., Strobach, T., Frensch, P., & Schubert, T. (2011). Improved Inter-task Coordination Skills after extensive Dual-task Practice. Quarterly Journal of Experimental Psychology, 64, 1251.1272. https://doi.org/10.1080/17470218.2010.543284


Foto: form and form - stock.adobe.com

Ich-Bewusstsein und multisensorische Integration

Unser Selbst erscheint uns typischerweise fest im eigenen Körper verortet und wird auch über die Zeit als relativ stabiles „Körper-Ich“ wahrgenommen. Dabei zeigt aktuelle Forschung zur multisensorischen Wahrnehmung, dass es bemerkenswert einfach ist Störungen des körperlichen Selbstbildes zu erzeugen. Sehr kontrovers diskutiert wird bislang die Frage, ob es möglich ist externe technische Geräte, wie beispielsweise moderne Smartphones, in das Körper-Ich zu integrieren. Einige unserer Arbeiten zeigen erste Evidenz für die Möglichkeit der Integration von technischen Geräten in das körperliche Selbst. Die vergangene Erfahrung im Umgang (sog. Agency Erfahrung) scheint dabei eine große Rolle zu spielen.

Zentrale Publikationen

Liepelt, R., Dolk, T., & Hommel, B. (2017). Self-perception beyond the body: The role of past agency. Psychological Research, 81, 549-559. https://doi.org/10.1007/s00426-016-0766-1

Liepelt, R., & Brooks, J. (2017). Understanding Body Ownership and Agency. The Scientist, 31, 1-7. https://www.the-scientist.com/features/understanding-body-ownership-and-agency-31597


Foto: sompong_tom - stock.adobe.com

Imitationshandlungen und Urteile über Intentionen

Menschen imitieren Handlungen anderer Personen scheinbar automatisch. Die Integration fremder Handlungen in das eigene Handlungsschema hat dabei viele Vorteile und ermöglicht eine soziale Interaktion in Echtzeit. Es entstehen aber auch Kosten für das kognitive System. So müssen eigene und fremde Handlungen durch Inhibitionsprozesse getrennt werden. In diesem Forschungsbereich geht es um die Trennung von bottom-up und top-down Effekten im Imitations-Inhibitionsparadigma, um non-verbale Kommunikation und die Frage, ob Intentionszuschreibung zu verstärkten Imitationseffekten führt.

Zentrale Publikationen

Cracco, E., Liepelt, R., Brass, M., & Genschow, O. (2024). Top-Down Modulation of Motor Priming by Belief About Animacy: A Registered Replication Report. Experimental Psychology, 70, 355–365. https://doi.org/10.1027/1618-3169/a000605

Rudolph, A., Liepelt, R., Kaffes, M, Hofmann-Shen, C., Montag, C., Neuhaus, A. H. (2022). Motor cognition in schizophrenia: Control of automatic imitation and mapping of action context are reduced. Schizophrenia Research, 240, 116-124. https://doi.org/10.1016/j.schres.2021.12.024

Liepelt, R., Prinz, W., Brass, M. (2010). When do we simulate non-human agents? Dissociating communicative and non-communicative actions. Cognition, 115, 426-434. https://doi.org/10.1016/j.cognition.2010.03.003

Liepelt, R., von Cramon, D. Y., Brass, M. (2008). How do we infer Others’ Goals from Non-stereotypic Actions? The Outcome of Context-Sensitive Inferential Processing in Right Inferior Parietal and Posterior Temporal Cortex. Neuroimage, 43, 784-792. https://doi.org/10.1016/j.neuroimage.2008.08.007

Liepelt, R., von Cramon, D. Y., Brass, M. (2008). What is matched in direct matching? Intention attribution modulates motor priming. Journal of Experimental Psychology: Human Perception and Performance, 34, 578-591. doi: https://doi.org/10.1037/0096-1523.34.3.578