PD Dr. Steffen Herrmann

Steffen Herrmann Foto: FernUniversität

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Raum: C.1004 / Universitätstraße 33, 58084 Hagen

Homepage: https://fernuniversitaet.academia.edu/SteffenHerrmann

Lebenslauf

seit 2/2020

Akademischer Rat a.Z. am Institut für Philosophie an der FernUniversität in Hagen

4/2022-6/2022 Gastprofessor am Institut für Philosophie der Universität Wien
9/2019-2/2020 Gastprofessor am Institut für Philosophie an der FernUniversität in Hagen
2015-2017 Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für phänomenologische Forschung
2014-2018 Vertreter des akademischen Mittelbaus im Fakultätsrat Kultur- und Sozialwissenschaften
Dez. 2012 Promotion am Institut der Philosophie der Freien Universität Berlin mit einer Arbeit über: Symbolische Verletzbarkeit. Die Grundlegung des Sozialen (summa cum laude)
2012-2019 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie an der FernUniversität in Hagen am Lehrgebiet von Prof. Dr. Thomas Bedorf
2011 Stipendiat am Integrierten Graduiertenkolleg des SFB "Transzendenz und Gemeinsinn" an der Technischen Universität Dresden
2008-2010 Mitarbeiter am Sonderforschungsbereich "Kulturen des Performativen" im Projekt "Zur Performanz sprachlicher Gewalt" bei Prof. Dr. Sybille Krämer
2000-2006 Studium der Philosophie, Soziologie und Literaturwissenschaft an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt/Main und der Freien Universität Berlin. Abschlussarbeit über: Verletzende Worte. Mechanismen sprachlicher Missachtung

Publikationen

Monographien

  • Demokratischer Streit. Eine Phänomenologie des Politischen, Baden-Baden: Nomos (Open Access hier).
  • Ich – Andere – Dritte. Eine Einführung in die Sozialphilosophie, Freiburg: Alber 2018.
  • Symbolische Verletzbarkeit. Die doppelte Asymmetrie des Sozialen nach Hegel und Levinas, Bielefeld: Transcript 2013.

Zeitschriftenartikel

Editionen

  • The Routledge Handbook on Political Phenomenology, London: Routledge (hg. mit Nils Baratella, Sophie Loidolt, Tobias Matzner und Gerhard Thonhauser) (im Erscheinen).
  • Institutionen des Politischen. Perspektiven der radikalen Demokratietheorie, Baden-Baden: Nomos 2020 (hg. mit Matthias Flatscher).
  • Political Phenomenology. Experience, Ontology, Episteme, London: Routledge 2019 (hg. mit Thomas Bedorf).
  • Korporation und Sittlichkeit. Zur Aktualität von Hegels Theorie der bürgerlichen Gesellschaft, München: Fink 2016 (hg. mit Sven Ellmers).
  • Das soziale Band. Geschichte und Gegenwart eines sozialtheoretischen Grundbegriffs, Frankfurt am Main: Campus 2016 (hg. mit Thomas Bedorf).
  • Philosophien sprachlicher Gewalt. 21 Grundpositionen von Platon bis Butler, Weilerswist: Velbrück 2010 (hg. mit Hannes Kuch).
  • Verletzende Worte. Zur Grammatik sprachlicher Missachtung, Bielefeld: Transcript 2007 (hg. mit Hannes Kuch und Sybille Krämer).
  • Das gute Leben. Linke Perspektiven auf einen besseren Alltag, Münster: Unrast 2007 (im Hg.-Kollektiv).
  • Antisemitismus und Geschlecht. Von ‚maskulinisierten Jüdinnen‘, ‚effeminierten Juden‘ und anderen Geschlechterbildern, Münster: Unrast 2005 (im Hg.-Kollektiv).

Einleitungen

  • »Institutionen des Politischen. Ein Problemaufriss aus radikaldemokratischer Perspektive«, in: Steffen Herrmann und Matthias Flatscher (Hg.), Institutionen des Politischen. Perspektiven der radikalen Demokratietheorie, Baden-Baden: Nomos 2020, 7-23.
  • »Three Types of Political Phenomenology« (gemeinsam mit Thomas Bedorf), in: Steffen Herrmann und Thomas Bedorf (Hg.), Political Phenomenology. Experience, Ontology, Episteme, London: Routledge 2019, S. 1-14.
  • »Das Gewebe des Sozialen. Geschichte und Gegenwart des sozialen Bandes« (gemeinsam mit Thomas Bedorf), in: Thomas Bedorf und Steffen Herrmann (Hg.), Das soziale Band. Geschichte und Gegenwart eines sozialtheoretischen Grundbegriffs, Frankfurt am Main: Campus 2016, S. 11-50.
  • »Die Korporation und ihre wirtschaftliche, soziale und politische Funktion nach Hegel«, in: Sven Ellmers und Steffen Herrmann (Hg.), Korporation und Sittlichkeit. Zur Aktualität von Hegels Theorie der bürgerlichen Gesellschaft, München: Fink 2016 (gemeinsam mit Sven Ellmers), S. 7-25.
  • »Philosophien sprachlicher Gewalt. Eine Einführung«, in: Hannes Kuch, Steffen K. Herrmann (Hg.), Philosophien sprachlicher Gewalt. 21 Grundpositionen von Platon bis Butler, Weilerswist: Velbrück 2010 (mit Hannes Kuch), S. 7-37.
  • »Verletzende Worte. Eine Einleitung«, in: Steffen K. Herrmann, Sybille Krämer, Hannes Kuch (Hg.), Verletzende Worte, a.a.O. (mit Hannes Kuch), S. 7-30.

Buchbeiträge

  • »Demokratische Gleichheit. Eine politische Phänomenologie epistemischer Macht«, in: Lucas von Ramin, Karsten Schubert, Vincent Gengnagel, Georeg Spoo (Hg.), Transformationen des Politischen. Radikaldemokratische Theorien für die 2020er Jahre, Bielefeld: transcript 2023, 41-58.
  • »Agonale Institutionen. Für einen radikaldemokratischen Republikanismus«, in: Manon Westphal (Hg.), Agonale Demokratie und Staat, Baden-Baden: Nomos 2021, 97-120.
  • »Radikaldemokratische Institutionen. Gruppenvertretung und Volkstribunat«, in: Steffen Herrmann und Matthias Flatscher (Hg.), Institutionen des Politischen. Perspektiven der radikalen Demokratietheorie, Baden-Baden: Nomos 2020, 225-250.
  • »The Struggle for a Common World. From Epistemic Power to Political Action With Arendt and Fricker«, in: Thomas Bedorf und Steffen Herrmann (Hg.), Phenomenology of the Political, London: Routledge 2019, S. 277-299.
  • »Drei Pathologien der Anerkennung. Kritische Theorie nach Rousseau, Hegel und Marx«, in: Sven Ellmers und Philip Hogh (Hg.), Warum Kritik? Begründungsformen kritischer Theorie, Weilerswist: Velbrück 2017, S. 164-189.
  • »Vom Ich im Wir zum Wir im Ich. Einheit und Vielheit in Hegels Theorie der Sittlichkeit«, in: Sven Ellmers und Steffen Herrmann (Hg.), Korporation und Sittlichkeit. Zur Aktualität von Hegels Theorie der bürgerlichen Gesellschaft, München: Fink 2016, S. 117-139.
  • »Dissymétrie alternée. L'agonalité du social selon Marcel Hénaff«, in: Louis Carré, Alain Loute (Hg.), Donner, reconnaitre, dominer. Hegel, Mauss et les autres, 2016, S. 105-120.
  • »Agonale Vergemeinschaftung. Normative Grundlagen des Gabentausches nach Marcel Mauss«, in: Thomas Bedorf und Steffen Herrmann (Hg.), Das soziale Band. Geschichte und Gegenwart eines sozialtheoretischen Grundbegriffs, Frankfurt am Main: Campus 2016, S. 124-146.
  • »Politischer Antagonismus und sprachliche Gewalt«, in: Sabine Hark, Paula-Irene Villa (Hg.), (Anti-)Genderismus. Sexualität und Geschlecht als Schauplätze aktueller politischer Auseinandersetzungen, Bielefeld: Transcript 2015, S. 79-92.
  • »Politik der Leiblichkeit. Von Maurice Merleau-Ponty zu Iris Marion Young und Judith Butler«, in: Thomas Bedorf, Tobias N. Klaas (Hg.), Leib – Körper – Politik. Untersuchungen zur Leiblichkeit des Politischen, Weilerswist: Velbrück 2015, S. 61-82.
  • »Was heißt sprechen? Sozialität, Gewalt und Leiblichkeit der Sprache bei Pierre Bourdieu«, in: Emmanuel Aloa, Miriam Fischer (Hg.), Leib und Sprache. Zur Reflexivität verkörperter Ausdrucksformen, Weilerswist: Velbrück 2013, S. 135-156.
  • »Beleidigung«, in: Christian Gudehus und Michaela Christ (Hg.), Gewalt. Ein interdisziplinäres Handbuch, Stuttgart: Metzler 2013, S. 110-115.
  • »Recognition and Disrespect. Lordship and Bondage in Hegel's Phenomenology of Spirit«, in: Alice Lagaay, Michael Lorbeer (Hg.), Destruction in the Performative, Amsterdam: Rodopi 2012, S. 23-46.
  • »Die Sprache der Anerkennung. Hegel über Verkennung und Verdinglichung«, in: Andreas Hetzel, Heidi Salaverría, Dirk Quadflieg, Anerkennung und Alterität, Baden-Baden: Nomos 2011, S. 187-202.
  • »Das erotische Prinzip der Rede. Kommunikation als Kommunion bei Bronislaw Malinowski«, auf: Drehmomente. Philosophische Reflexionen für Sybille Krämer, URL: www.geisteswissenschaften.fu-berlin.de/v/drehmomente/
  • »Levinas - Von der Gewalt des Angesichts zur Gewalt des Schweigens«, in: Hannes Kuch, Steffen K. Herrmann (Hg.), Philosophien sprachlicher Gewalt. 21 Grundpositionen von Platon bis Butler, Weilersiwst: Velbrück 2010, S. 172-195.
  • »Social Exclusion«, in: Paulus Kaufmann, Hannes Kuch, Christian Neuhäuser and Elaine Webster (Hg.), Humiliation, Degradation, Dehumanization: Human Dignity Violated, New York, Amsterdam: Springer, 2010, S. 133-150.
  • »Gespräch und Gewalt. Verantwortung und Verletzbarkeit im Denken von Levinas«, in: Sybille Krämer, Elke Koch (Hg.), Gewalt in der Sprache. Rhetoriken verletzenden Sprechens, München: Fink 2010, S. 157-178.
  • »Die Gewalt des Namens. Von der Missachtung zum sozialen Tod«, in: Mirjam Schaub (Hg.), Metaphysik und Grausamkeit, Bielefeld: Transcript 2009, S. 153-174.
  • »Symbolische Verletzbarkeit und sprachliche Gewalt«, in: Steffen K. Herrmann, Sybille Krämer, Hannes Kuch (Hg.), Verletzende Worte, a.a.O. (mit Hannes Kuch), S. 179-210.
  • »Performing the Gap - Queere Gestalten und geschlechtliche Aneignung«, in: A.G.Gender-Killer (Hg.), Das gute Leben, a.a.O., S. 195-204 (erstmals erschienen in: arranca! Nr.28, Aneignung I, Berlin, 2003, S. 22-26).
  • »Ein Körper werden. Praktiken des Geschlechts«, in: A.G.Gender-Killer (Hg.), Das gute Leben, a.a.O., S. 13-32.
  • »Bühne und Alltag. Über zwei Existenzweisen des Drag.«, in: Pia Thilmann, Tania Witte, Ben Rewald (Hg.), Drag Kings. Mit Bartkleber gegen das Patriarchat, Querverlag: Berlin 2007, S. 115-132.
  • »Geschlechterbilder im Nationalsozialismus. Eine Annäherung an den alltäglichen Antisemitismus«, in: A.G.Gender-Killer (Hg.), Antisemitismus und Geschlecht, a.a.O. (im Kollektiv), S. 9-68.
  • »Queer(e) Gestalten. Praktiken der Derealisierung von Geschlecht«, in: Elahe Haschemi Yekani, Beatrice Michaelis (Hg.), Quer durch die Geisteswissenschaften, Perspektiven der Queer Theory, Berlin: Querverlag 2005, S. 53-73.

Handbucheinträge

  • »Anerkennung bei Sartre«, in: Ludwig Siep, Heikki Ikäheimo, Michael Quante (Hg.), Handbuch Anerkennung, Wiesbaden: Springer 2020, S. 1-5.
  • »Beleidigung«, in: Christian Gudehus und Michaela Christ (Hg.), Gewalt. Ein interdisziplinäres Handbuch, Stuttgart: Metzler 2013, S. 110-115.

Rezensionen

  • »Was ist politischer Streit? Zeichenkonflikte zwischen Habermas und Lyotard«, Rezension von: Tilmann Reitz, Sprachgemeinschaft im Streit. Philosophische Analysen zum politischen Zeichengebrauch, Bielefeld: transcript 2015, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, Jg. 63, Heft 6, 2015, S. 1169-1175.
  • Rezension von: Oliver Marchart: Das unmögliche Objekt. Eine postfundamentalistische Theorie der Gesellschaft, Berlin: Suhrkamp 2013, in: Zeitschrift für philosophische Literatur, Bd. 2, Nr. 4, 2014, S. 1-11.
  • Rezension von: Stephan Schmitt, Rechts jenseits des Rechts. Gerichtsmediation im Lichte von Emmanuel Lévinas, Baden-Baden: Nomos 2012, in: Cahiers d'Études Lévinassiennes, Bd. 12, 2013, S. 230-232.
  • »Anerkennung von Alterität«, Rezension von: Thomas Bedorf, Verkennende Anerkennung. Über Identität und Politik, Berlin: Suhrkamp 2010, in: Allgemeine Zeitschrift für Philosophie, Heft 1, 2011, S. 107-117.

Forschung

Politische und kritische Phänomenologie (seit 2023)

Der politischen und kritischen Phänomenologie geht es darum, sich mit der Erfahrung und Struktur von politischen Konflikten und sozialen Herrschaftsverhältnissen beschäftigen und damit die Krisen der Gegenwart als auch auf innerphänomenologische Desiderate zu reagieren. Das Projekt entwickelt den systematischen Zugriff einer kritisch-politischen Phänomenologie auf drei Ebenen:

(i) Situierung: Zunächst geht es darum, sozial situierten Erfahrungen in ihrer Breite Rechnung zu tragen, so dass ihre Ermöglichungsbedingungen auch machtkritisch reflektiert werden können. Im Fokus stehen zunächst die durch soziale Herrschaftsverhältnisse erzeugten Subjektivierungen mit ihren je spezifischen Weltzugängen wie z.B. „Nicht-Können“ (S. Ahmed), „Mestiza Consciousness“ (M. Ortega) oder „misfitting“ (R. Garland-Thompson).

(ii) Stiftung: Im Anschluss an Husserls Stiftungsbegriff sollen auf einer zweiten Ebene historisch spezifische Sedimentierungsschichten von Wissen (epistemic styles) und Nicht-Wissen (epistemic ignorance) (L.-M. Alcoff) freigelegt werden, die in ihrem jeweiligen Kontext die Form eines historischen Apriori annehmen und als „quasi-transzendentale Strukturen“ (L. Gunther) Erfahrungs- und Möglichkeitsräume präfigurieren.

(iii) Streit: Situierte Erfahrungen verdanken sich einer Pluralität von Welthorizonten, die sich nicht mehr mit der unterstellten Hoffnung auf eine Horizontverschmelzung miteinander versöhnen lassen (B. Waldenfels). Die demokratische Verfasstheit unserer Gegenwart zeichnet sich entsprechend durch einen Widerstreit aus. Im Anschluss an die Rekonstruktion von Praktiken des politischen Streithandelns in öffentlichen und institutionellen Ordnungen soll hier untersucht werden, welche Urteils- und Sprachpraktiken geeignet sind, Konflikte unter Bedingungen von tiefen Meinungsverschiedenheiten zu bewältigen.

Was ist demokratischer Streit? Eine Phänomenologie des Politischen (2016-2022)

Nachdem die politische Philosophie lange Zeit mit der Diagnose der Postdemokratie und einer damit einhergehenden Streitvergessenheit der Politik operiert hat, stehen wir heute im Zuge des Aufstiegs des Populismus vor einer Rückkehr des Streits. Die politische Streitkultur unserer Gegenwart lässt allerdings Zweifel aufkommen, ob dies für eine Demokratie wünschenswert ist. Weit davon entfernt, sich mit agonalem Respekt zu begegnen, scheinen die politischen Akteure nämlich vielfach damit beschäftigt, sich wechselseitig herabzusetzen und zu stigmatisieren. Vor diesem Hintergrund geht das Projekt der Frage nach, was genuin demokratischen Streit auszeichnet und wie er geführt werden sollte. Als Leitfaden zur Beantwortung dieser Frage dienen dabei die Arbeiten Hannah Arendts. Das hat seinen Grund darin, dass ihre politische Phänomenologie es erlaubt, die Demokratie als ein Streitganzes aus drei zusammenhängenden Teilen zu verstehen: Ihre Phänomenologie von Stiftungsereignissen nimmt Auseinandersetzungen in den Blick, in denen sich herauskristallisiert, wer überhaupt als politisches Subjekt gilt; ihre Phänomenologie politischer Institutionen reflektiert auf die Form, die ein Institutionengefüge annehmen muss, damit sich politischer Streit unter der Bedingung der Gleichheit vollzieht; und ihre Phänomenologie des politischen Handelns macht es sich zur Aufgabe, die Vollzüge zu thematisieren, mit denen tiefe Meinungsverschiedenheiten ausgetragen werden können. Auch wenn Arendts Analysen erstaunlich weitsichtig sind, wird man sie nicht ungebrochen auf unsere Gegenwart übertragen können. Entsprechend macht es sich das Projekt zur Aufgabe, Arendts Überlegungen mit den Mitteln der radikalen, der kontestativen und der agonalen Demokratietheorie weiterzuentwickeln und drei grundlegende Formen des demokratischen Streits herauszuarbeiten: Den Streit um den Demos (Volk), den Streit um den Kratos (Herrschaft) und den Streit um die Res Publica (öffentliche Sache).

Ich – Anderer – Dritter. Grundlagen der Sozialphilosophie (2014-2015)

Über die Bestimmung dessen, was Sozialphilosophie ist, herrscht Uneinigkeit. Das betrifft sowohl ihre historische Genese, ihre Methode als auch ihr Aufgabenfeld. In diesem Projekt soll eine konzeptionelle Antwort auf alle drei Fragen geliefert werden. Zunächst wird dabei herausgearbeitet, dass sich die Sozialphilosophie als eine normativ-ethische Wissenschaft bei Rousseau, Hegel und Marx als Antwort auf die zeitgenössische soziale Frage entwickelt hat. Methodisch greift die Sozialphilosophie dabei bereits bei ihren Gründervätern entweder auf eine Form der Genealogie oder der immanenten Kritik zurück, wodruch sie den Standpunkt ihrer Kritik nicht einer übergeordneten ›view from nowhere‹ entnimmt, sondern aus der Praxis der sozialen Akteure gewinnt. Als das eigentliche Aufgabenfeld der Sozialphilosophie wird schließlich eine Fundamentalontologie des Sozialen herauszuarbeiten sein: Da das ›Wir‹ des Sozialen nicht selbstverständlich vorausgesetzt werden kann, sondern selbst erst konzeptuell zu erschließen ist, muss dabei die Frage gestellt werden ›Wer sind wir?‹ Um diese Frage zu beantworten, werden einschlägige philosophiegeschichtliche Positionen zu den Figuren von Ich, Anderem und Dritten rekapituliert und systematisch in ihrer Relationalität erschlossen.

Die doppelte Asymmetrie des Sozialen (2011-2013)

(u.a. im Rahmen eines Stipendiums am Sonderforschungsbereich 804 »Transzendenz und Gemeinsinn«)

Theorien des Sozialen gehen klassischerweise davon aus, dass die intersubjektiven Beziehungen einer Gemeinschaft symmetrisch verfasst sind. Im Anschluss an die Figuren von Ego und Alter, Ich und Du oder Subjekt und Anderer wird argumentiert, dass sich Individuen erst in dem Moment voll zu entfalten vermögen, in welchem sie sich als gleichrangige gegenüberstehen. Demgegenüber ging es in dem Projekt im Anschluss an G.W.F. Hegel und E. Levinas darum zu zeigen, dass am Grunde unserer sozialen Beziehung eine doppelte Asymmetrie am Werk ist. Dafür wurde zunächst im Anschluss an die Theorien der Anerkennung (Honneth, Taylor, Butler) gezeigt, dass Subjekte für die Realisierung ihrer sozialen Existenz fundamental auf Andere angewiesen sind. Diese Angewiesenheit hat eine asymmetrische Abhängigkeit zur Folge, die Subjekte für symbolische Verletzungen empfänglich macht. Im Anschluss daran wurde ausgehend von den Theorien der Alterität (Derrida, Løgstrup, Waldenfels) gezeigt, dass eben diese Verletzungsoffenheit zur Quelle eines moralischen Anspruchs wird. Dieser zeigt sich als asymmetrische Ausgesetztheit an die Verantwortung für Andere. Als Ergebnis dieser zweifachen Analyse wurde abschließend die Idee profiliert, dass sich unsere sozialen Beziehungen durch eine chiastische Verschränkung von Anerkennung und Verantwortung auszeichnen: Der Abhängigkeit von Anerkennung steht die Ausgesetztheit an die Verantwortung gegenüber. Die Symmetrie sozialer Beziehungen, so hat sich damit gezeigt, zehrt von einer ihr vorauslaufenden wechselseitigen Asymmetrie.

Philosophien sprachlicher Gewalt (2008-2011)

(im Rahmen eines DFG-Forschungsprojektes am Sonderforschungsbereich 447 »Kulturen des Performativen«)

Sprache kann Gewalt nicht nur beschreiben oder androhen, sondern der Sprachgebrauch selbst kann eine Form von Gewaltausübung sein. Diese Einsicht ist im philosophischen Diskurs der Moderne lange Zeit unberücksichtigt geblieben. Das hat seinen Grund einerseits darin, dass sich die Sprachphilosophie lange Zeit ausschließlich auf den positiven und produktiven Charakter der Sprache fokussiert hat. Das Sprechen gilt hier in erster Linie als ein Mittel, mit dem sich durch den zwanglosen Zwang des besseren Arguments soziale Ordnungen stiften lassen. Andererseits hat auch die Gewalttheorie die sprachliche Verletzbarkeit nicht in den Blick bekommen, insofern ihr allein die physische Verletzung als Gewalt gilt. Sprachliche Gewalt wird damit von vornherein aus der Analyse ausgeschlossen. Das Projekt hatte die Aufgabe, die so entstandene Leerstelle zu füllen und den Zusammenhang von Sprach- und Gewalttheorie herzustellen. Dabei wurde zwischen zwei grundlegenden Ebenen unterschieden. Einerseits einer ›Gewalt durch Sprache‹ und andererseits einer ›Gewalt der Sprache‹. Während auf der ersten Ebene Phänomene der Beleidigung, der Missachtung oder der Demütigung in den Blick genommen und im Ausgang von der Sprachakttheorie auf ihren spezifisch destruktiven Charakter hin untersucht wurden, ist auf der zweiten Ebene die Gewalt des Sprachsystems selbst in den Blick geraten. Die Gewaltsamkeit der Sprache wurde hier nicht in bestimmten Sprechhandlungen verortet, sondern in der begrifflichen Verfasstheit der Sprache selbst, welche die von ihr benannten Gegenstände immer schon auf eine bestimmte Weise zurüstet.

Körper, Leib und Geschlecht (2005-2007)

(u.a. im Rahmen eines Stipendiums der Heinrich-Böll-Stiftung)

Ausgehend von der Philosophie Edmund Husserls ist die Unterscheidung zwischen Körper und Leib in der Phänomenologie des 20. Jahrhunderts zu einem zentralen methodischen Instrument geworden (Merleau-Ponty, Waldenfels, Schmitz). Dem objektivierenden Zugriff aus der Perspektive der dritten Person wird der phänomenologische Zugriff aus der Perspektive der ersten Person zur Seite gestellt. Dieser erlaubt es, unseren Körper nicht nur als beherrschbares Ding, sondern als eigenständiges Handlungsmedium zu verstehen. Während wir einen Körper haben, sind wir ein Leib. Die Produktivität wurde am Beispiel von Geschlechtlichkeit deutlich gemacht. Im Ausgang vom Leibbegriff lässt sich nämlich ein Verständnis von Geschlechtlichkeit gewinnen, das geschlechtliche Körper weder einfach als Effekt von Diskursen, noch als rein faktische Materialität versteht, sondern vielmehr als Resultat von sozial und kulturell gesättigten Inkorporations­praktiken (Bourdieu, Young). Der Leibbegriff ermöglicht so eine theoretische Mittelstellung zwischen Konstruktivismus und Objektivismus. Er vermag zu betonen, dass Geschlecht eine unumgängliche Materialität besitzt, ohne dieser einen substantiellen Charakter verleihen zu müssen. Körper, so hat sich im Projekt gezeigt, sind wird nicht je schon, zu Körper werden wir gemacht.

Mitgliedschaften

Lehre

Lehrgebiet Philosophie III | 10.04.2024