Projekt „Kollusives Verhalten im Konsumgütersektor“

Projektbeschreibung

Hintergrund:

Der deutsche Konsumgütersektor ist seit einigen Jahren durch tief greifende Konzentrations- und Verdrängungsprozesse gekennzeichnet. Als Triebfedern der damit einhergehenden Veränderungen der wettbewerblichen Rahmenbedingungen können aus ökonomischer Sicht u. a. die fortschreitende Handelskonzentration, die zunehmende Verbreitung von Handelsmarken sowie die Verdrängung kleiner Händler durch innovative Angebotsformen ausgemacht werden. So entwickelten sich die preisaggressiven Discounter zu einer sehr umsatzstarken Angebotsform des deutschen Konsumgütersektors. Darüber hinaus wird der Preiswettbewerb mit Blick auf die rechtlichen Rahmenbedingungen in starkem Maße vom Verbot der vertikalen Preisbindung beeinflusst. Hiernach ist es den Herstellerunternehmen i. d. R. nicht möglich, die Höhe der Weiterverkaufspreise ihrer Produkte dem Handel gegenüber verbindlich festzuschreiben. Vielmehr entscheidet der Handel sowohl über die Preise seiner Eigenmarken als auch die Preise von Markenartikeln der Industrie. Damit liegt die Preishoheit zu weiten Teilen beim Handel.

Problemstellung:

Für die meisten Unternehmen nimmt der Preis im Rahmen der Ausgestaltung des Marketing-Mix einen besonders hohen Stellenwert ein. So orientiert sich das Kaufverhalten der Verbraucher und damit auch ihre Nachfrage in starkem Maße am Preis.

Die Intensivierung des Preiswettbewerbs birgt aus unternehmerischer Sicht zumindest in einigen Segmenten des Konsumgütersektors die Gefahr, in eine abwärtsgerichtete ‚Preisspirale‘ zu geraten. Eine Stabilisierung oder gar Steigerung des Umsatzes wäre in diesen Fällen nur über hohe Absatzzuwächse möglich. Langfristig sind Unternehmen also nur dann überlebensfähig, wenn sie alternative Strategien zur Profilierung entwickeln oder aufgrund gewisser Vorteile der Betriebsform die Möglichkeit besitzen, sehr niedrige Preise setzen zu können.

Die sich verschärfenden Konzentrations- und Verdrängungsprozesse dürften darüber hinaus bei einigen Unternehmen den Anreiz schaffen, über eine gemeinsame Koordinierung der Preisgestaltung mit Konkurrenten oder Lieferanten eine Reduktion des Wettbewerbsdrucks zu erzielen. Mit Blick auf den Konsumgütersektor ist die Besonderheit zu beachten, dass die Herstellerunternehmen ihre Produkte häufig ubiquitär über eine Vielzahl unterschiedlicher Handelsunternehmen vertreiben und damit die Höhe der Endverbraucherpreise aufgrund des Verbots der vertikalen Preisbindung in starkem Maße von der Preisstrategie des Handels abhängig ist. Aus Herstellersicht stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, inwieweit eine Beeinflussung der Endverbraucherpreise möglich ist und welche Auswirkungen auf den betriebswirtschaftlichen Erfolg zu erwarten sind.

Zielsetzung:

Im Rahmen dieses Projekts soll die Preissetzung im deutschen Konsumgütersektor und die damit verbundenen Auswirkungen auf das Kaufverhalten der Verbraucher und den betriebswirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen untersucht werden. Die Untersuchung konzentriert sich hierbei exemplarisch auf Absprachen zwischen Süßwarenherstellern, die auf eine Koordinierung der Preissetzung und die Beeinflussung der Endverbraucherpreise abzielen. Auf Basis dieser Absprachen soll aufgezeigt werden, welche Folgen sich hieraus für die konsumentenseitige Nachfrage und den betriebswirtschaftlichen Erfolg der betrachteten Unternehmen ergeben. Die Untersuchung soll damit Ansatzpunkte für die betriebswirtschaftliche Bewertung einer koordinierten Preissetzung liefern und damit ein tiefer gehendes Verständnis für die hinter dem intensiven Preiswettbewerb liegenden Wirkungsmechanismen schaffen. Darüber hinaus sollen die gewonnenen Ergebnisse für eine wettbewerbspolitische Bewertung von kollusivem Verhalten genutzt werden.

Kooperationspartner:

Als Kooperationspartner für dieses Projekt steht uns die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) zur Seite. Die zur Verfügung gestellten Haushaltspaneldaten bilden die Einkäufe von durchschnittlich 30.000 Haushalten in verschiedenen Artikelgruppen über einen Zeitraum von sechs Jahren ab.

Ergebnisse und ausgewählte Publikationen

Ausgewählte Publikationen:

Am Beispiel von Absprachen über Preiserhöhungen bei Tafelschokoladen zwischen den vom Bundeskartellamt beschuldigten Süßwarenherstellern Kraft Foods (Milka) und Ritter Sport wurden die Auswirkungen auf das Kaufverhalten der Konsumenten und den betriebswirtschaftlichen Erfolg der betrachteten Unternehmen bereits untersucht. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Absprachen zwar zu einer Erhöhung der Normalpreise beigetragen haben, die Verbraucher jedoch zunehmend auf Preisaktionen ausgewichen sind, sodass keine generell nachteiligen Auswirkungen der Absprachen für die Konsumenten erkennbar sind. Während der Süßwarenhersteller Kraft Foods trotz der mutmaßlichen Absprachen einen Marktanteilszuwachs bei Tafelschokoladen erzielen konnte, stagnierten die Marktanteile von Ritter Sport im Untersuchungszeitraum.

  • Olbrich, R./Teller, B./Grewe, G. 2016: Wohlfahrtseffekte von Absprachen über Preiserhöhungen im Lebensmittelsektor – der Fall Milka und Ritter Sport als Lehrstück moderner Messansätze für die Wettbewerbspolitik und den Verbraucherschutz, in: Olbrich, R. (Hrsg.), Berichte aus dem Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insb. Marketing, FernUniversität in Hagen, Forschungsbericht Nr. 21, Hagen 2016. [pdf download (PDF 787 KB)]

Auf Basis einer empirischen Untersuchung von Produkten, denen von der Stiftung Warentest ein schlechtes Testurteil ausgestellt wurde, konnte u. a. nachgewiesen werden, dass der Handel bei Markenartikeln der Industrie als Folge einer negativen Bewertung von einer weiteren Nutzung von Preisaktionen absieht, sodass die Verbraucher für diese Produkte vielfach im Durchschnitt steigende Preise zu entrichten haben. Demgegenüber verzichten die Handelsunternehmen bei ihren Eigenmarken im Fall eines schlechten Testurteils zumeist auf eine Anpassung des Verkaufspreises. Stattdessen überarbeiten sie ihre Produkte, um der im Rahmen des Produkttests geäußerten Kritik an der Produktqualität Rechnung zu tragen.

  • Olbrich, R./Jansen, H. C./Teller, B. 2016: Quantifying Anti-Consumption of Private Labels and National Brands: Impacts of Poor Test Ratings on Consumer Purchases, in: Journal of Consumer Affairs, Vol. 50, 2016, No. 1, pp. 145–165.
  • Jansen, H. C./Olbrich, R./Teller, B. 2014: Quantifying Anti-Consumption of Private Labels and National Brands: Impact of Poor Test Ratings on Consumer Behavior, in: Lee, M. S. W./Hoffmann, S. (Eds.), ICAR Educators Proceedings: Anti-Consumption and Consumer Wellbeing, Kiel 2014, pp. 65–70.

Ausgewählte Vorträge:

  • Jansen, H. C./Olbrich, R./Teller, B. 2014: Quantifying Anti-Consumption of Private Labels and National Brands: Impact of Poor Test Ratings on Consumer Behavior, 2014 ICAR Symposium, 04.–05.07.2014, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (Vortrag: H. C. Jansen und B. Teller).

Für eine tiefer gehende Darstellung weiterer Ergebnisse der Untersuchung sei auf das Projekt „Preis-Qualitäts-Relationen“ verwiesen.

Ansprechpartner

Für weitere Informationen zu diesem Projekt steht Ihnen Herr Univ.-Prof. Dr. Rainer Olbrich gerne zur Verfügung.

Kontaktdaten:

E-Mail: Lehrstuhl.Marketing

Telefon: +49 2331 987-2541

Lehrstuhl Marketing | 08.04.2024