Aquitanien – Randlandschaft oder eigenständige Region in der Vormoderne?
- Thema:
- Aquitanien – Randlandschaft oder eigenständige Region in der Vormoderne?
- Veranstaltungstyp:
- Exkursion
- Zielgruppe:
- Alle Studierende der Studiengänge BA KW, MA GE und MA EM
- Ort:
- Aquitanien
- Termin:
- 09.05.2022
bis
20.05.2022 - Zeitraum:
- Zeitplan wurde auf dem Vorbereitungsseminar besprochen
- Leitung:
-
Prof. Dr. Felicitas Schmieder
Dr. Daniel Syrbe
Dr. Julia Breittruck - Anmeldung:
- Online-Anmeldung ist abgeschlossen. Alle bestehenden Anmeldungen bleiben bestehen! Eine erneute Anmeldefrist wird es geben, falls nicht alle angemeldeten Teilnehmer/innen dabei bleiben können.
- Auskunft erteilt:
-
Prof. Dr. Felicitas Schmieder
, E-Mail:
felicitas.schmieder
, Telefon: +49 2331 987 2120
Dr. Daniel Syrbe , E-Mail: daniel.syrbe
Dr. Julia Breittruck , E-Mail: julia.breittruck
Christiane Eilers, Sekretariat Schmieder , E-Mail: sekretariat.schmieder , Telefon: +49 2331 987 4752
„Aquitanien – Randlandschaft oder eigenständige Region in der Vormoderne?
Die historische Landschaft Aquitanien scheint heute ein selbstverständlicher Teil Frankreichs, doch gibt es eine starke regionale Identität. Man sprach in weiten Teilen lange Zeit eine eigene romanische Sprache (die langue d’oc) und bis heute spricht man, moderne Grenzen übergreifend, mit dem Baskischen eine der ganz eigenen Sprache Europas im Rückzugsgebiet zwischen Atlantik und Pyrenäen. Die Region ist offen nach Norden, könnte andererseits zwischen Atlantik, Pyrenäen und Zentralmassiv eingekeilt erscheinen und damit eher wie eine Sackgasse wirken. Der Pyrenäenpaß von Roncevaux ist durch die Chanson de Roland (Rolandslied) legendär als Engpaß zwischen Spanien und Frankreich festgeschrieben, das Vordringen der Muslime von dort aus auf das Herz Frankreichs wurde ebenso legendär in der „Schlacht von Tours und Poitiers“ von Karl Martell gestoppt (732).
Diese scheinbar randständige Lage hatte Aquitanien schon in der Antike. Als die Römer nach Gallien ausgriffen und Caesar begann, die keltischen Stämme sukkzessive zu unterwerfen, spielte Aquitanien praktisch keine Rolle. Auch in späteren Jahrhunderten lag die Region eher abseits der „großen“ historischen Ereignisse und erscheint zumindest bis ins 3. Jahrhundert eher als Anhängsel der gallischen Provinzen. Als Rom die Westgoten im frühen 5. Jahrhundert, mitten in der sogenannnten „Völkerwanderungszeit“, hier ansiedelte, dürfte dieser radikale Schritt einerseits durch die vergleichsweise abseitige Lage Aquitaniens motiviert gewesen sein, andererseits aber auch dadurch, dass die gotischen Foederaten sich von hier aus relativ schnell sowohl auf die Iberische Halbinsel als auch in den Norden Galliens verschieben ließen. Aquitanien erscheint am Ende der Antike nicht mehr nur als Randlandschaft, sondern als strategische Region.
Auch im fränkischen Reichs Karls des Großen war Aquitanien einerseits strategisch wichtig, denn es öffnete den Weg auf die Iberische Halbinsel (778 Roncesvalles/ Roncevaux), andererseits eine Art Nebenland: So wurde Karls Sohn Ludwig der Fromme 781 im Alter von drei Jahren dort König (der symbolisch, aber auch mit seinem Kriegsvolk eben auch diese wichtige Pforte bewachte). Das mittelalterliche Herzogtum Aquitanien war dann jahrhundertelang ein mächtiger und weitgehend unabhängiger Vasall der Krone Frankreich, nicht zuletzt nachdem es als Kern ihres Festlandsbesitzes an die englische Krone gelangt war – und auch hier ist die Erinnerung durch eine legendäre Figur, durch Eleonore von Aquitanien (und, weniger intensiv, durch ihren hier gefallenen Sohn Richard Löwenherz) fest im kollektiven Gedächtnis verankert. Der Grenzverlauf wurde lokal von beiden Seiten durch systematischen Landesausbau mit Hilfe der kleinen Wehrstädten der „bastides“ gesichert.
Erst seit dem Hundertjährigen Krieg – in dem der Hauptort der „Guyenne“, Bordeaux, erst 1453 unter französische Herrschaft kam – wurde Aquitanien mehr und mehr in den entstehenden französischen Zentralstaat eingegliedert (stand allerdings vor allem in Konkurrenz zur zweiten Zentrale der Region und vor allem der langue d‘oc, Toulouse, das seit um 1200 herrschaftlich andere Wege gegangen war). Aus dem Süden Aquitaniens, aus dem pyrenäenübergreifenden Königreich Navarra, stammte der protestantische König Heinrich IV., der erste Bourbone auf dem französischen Thron.
Die Grenzen der Region sind schwer greifbar, zumal sie historisch wieder und wieder verändert wurden. Wir wollen Schauplätze wichtiger historischer Entwicklungen zwischen Bordeaux, Poitiers, Limoges, Périgueux, Cahors und Pau sowie Schlösser und Klöster auf dem Lande besuchen und ein Gefühl für eine historisch besondere Region und ihre Grenzgebiete zu entwickeln versuchen – nicht zuletzt der erinnerungskulturelle Zugriff wird uns der Aufstellung des Lehrgebiets entsprechend interessieren.