Arbeitsfelder und Forschungsprojekte

Foto: Lehrgebiet Allgemeine Bildungswissenschaft

Hier erhalten Sie einen Überblick zu abgeschlossenen und aktuellen Forschungsprojekten des Lehrgebiets, sowie einen Einblick in unsere Forschungsschwerpunkte. Innerhalb dieser Auswahl finden Sie neben den jeweiligen Beschreibungen der Forschungsinhalte, auch weiterführende Texte und Vorträge zu den Themengebieten.

Bei Fragen und Anregungen schreiben Sie uns gerne an:
allgemeine.bildungswissenschaft


  • Projektleitung: Ann-Kathrin Hoffmann B.A., Dr. Marc Fabian Buck

    Die Waldorfschulen (und in geringerem Maße auch die Kindergärten) blicken auf eine mehr als 100-jährige Tradition zurück und sind eine der beständigsten Organisationen im Bildungssystem. Ihr Ruf und ihre Beliebtheit variieren jedoch von Gesellschaft zu Gesellschaft. Noch bemerkenswerter ist die oft starke Kontroverse über die ideologischen Grundlagen, Methoden und andere Aspekte der Waldorfpädagogik. Beispiele und Auslöser für diese öffentlichen Kontroversen und Diskussionen sind zahlreich: die Veröffentlichung und Diskussion von "What they don't tell us" zweier Waldorf-entfremdeter Eltern in Norwegen im Jahr 2010, die Nähe zu rechtsextremem Gedankengut von Waldorflehrern in Deutschland im Jahr 2015, die gescheiterten Ofsted-Inspektionen von Waldorfschulen in Großbritannien im Jahr 2019. Zuletzt, Ende 2020, war die Diskussion um die Kritik des französischen Philosophielehrers Grégoire Perra an der Nähe der Anthroposophen zu Verschwörungstheoretikern in den Nachrichten sowie die teilweise enge Verbindung zwischen Waldorfschulen und -lehrern und den Leugnern und Verschwörungstheoretikern um Covid-19, insbesondere, aber nicht nur in Deutschland.

    Inzwischen ist die Waldorfpädagogik nur noch ein Randthema im wissenschaftlichen Diskurs. Selten ist sie Teil historischer Diskussionen über Reformpädagogik um 1900 oder in Bezug auf andere Reformer (vor allem Maria Montessori), mitunter wird sie als typischer Fall für Privatschulen heute herangezogen. Dieser Sammelband versammelt Perspektiven aus aller Welt, um herauszufinden, wie die Waldorfpädagogik im öffentlichen und akademischen Diskurs wahrgenommen und diskutiert wird. Bildungssysteme sind in einer globalisierten und vernetzten Welt eine der letzten nationalen Zufluchtsstätten (aufgrund nationaler oder staatlicher Gesetzgebung und Lehrpläne) und daher ein plausibler Ausgangspunkt für globale Forschung zu diesem Thema. Darüber hinaus sind lokale, regionale oder nationale Sprachen wichtige Bezugspunkte für Diskurse und die Übernahme und Übersetzung von Steiners Ideen.

    Der Sammelband versammelt als internationales Forschungsprojekt insgesamt 15 Fallstudien aus europäischen, asiatischen, afrikanischen und amerikanischen Ländern. Ziel ist es, erste Einblicke in identifizierte und rekonstruierte Orte, Strukturen und Formen von Diskursen über Waldorfpädagogik zu geben. Mit dem Projekt sollen auch Vorarbeiten für weitere Forschungen im Bereich der internationalen Waldorfbewegung geleistet werden, etwa zu Akteuren und Akteursnetzwerken, Diskurssouveränität etc. Ein Alleinstellungsmerkmal dieser Arbeit ist die Internationalisierung der akademischen Waldorfforschung, die sich bisher vor allem auf einzelne Phänomene oder Länder beschränkt hat. Der Band fördert vergleichende Studien zu einer scheinbar einheitlichen Pädagogik und ihrer Diskussion und geht der Frage nach Kontinuität und Wandel von Ideen und Praktiken der Waldorfpädagogik in unterschiedlichen Konstellationen nach. Dabei rekurriert er einerseits auf die globale Verbreitung von Ideen und andererseits auf das historische Konzept der "fortschrittlichen Pädagogik" als internationale Bewegung.

    Dieses Buchprojekt ist der erste international vergleichende Versuch, die Waldorfbewegung und ihre vielfältigen Erscheinungsformen zu analysieren. Die internationalen Fallbeispiele haben unterschiedliche methodische Ansätze, die sich auf verschiedene Forschungsstände und Ebenen der öffentlichen oder akademischen Diskussion beziehen. Das gemeinsame Band der Beiträge sind vor allem zwei Leitfragen: Erstens, wie die Waldorfpädagogik a) in der Öffentlichkeit und b) in der Wissenschaft wahrgenommen und diskutiert wird, ob sie demnach ein Konzept ist, das akzeptiert/angesehen/kanonisiert und/oder Teil der (öffentlichen) Lehrer- oder Berufsausbildung ist; zweitens, was die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen "öffentlichen" und "akademischen" Diskursen sind und ob es Einflüsse zwischen beiden gibt.

    Laufzeit: 2022-2023

  • Projektleitung: Dr. Carlos Willatt (UC, Santiago de Chile), Dr. Marc Fabian Buck, Dr. Miriam Diederichs (beide FernUniversität in Hagen)

    In diesem Forschungsprojekt werden drei unterschiedliche, miteinander verknüpfte Ziele verfolgt:

    1. Erstens streben wir die Weiterentwicklung theoretischer Perspektiven auf Politische Bildung (Caruso & Schatz 2018) im internationalen Kontext an, jenseits von standardisierten Zielen einer Global Citizenship Education (GCE bzw. GCED) und ihrer Kritik (Drerup 2019). Mit dem Konzept der Glocalization (Robertson 1995; Roudometof 2016) soll am Beispiel der Colonia Dignidad eine produktive Irritation der GCE und ihrer standardisierten Messung in Form der ICCS erfolgen.
    2. Zweitens sollen zweisprachige, didaktische Materialien für den Einsatz in (mindestens) chilenischen und deutschen Schulen erstellt werden. Hierfür werden sowohl bereits veröffentlichte Augenzeugenberichte herangezogen, als auch die Interviews des CDOH, als auch neues Material erhoben und erstellt werden. Hier wurden im November 2022 bereits ethnographische Studien und Interviews in der Villa Baviera durchgeführt.
    3. Drittens erforschen wir aus Perspektive Ästhetischer Bildung (Willatt 2019) die Frage nach dem Zusammenhang von ästhetischer Kontinuität (am Beispiel der Colonia Dignidad bzw. Villa Baviera) und der (Un-)Möglichkeit der Genese eines historisch-politischen Bewusstseins. Auch hierfür greifen wir auf vor Ort erhobenes Material zurück und verbinden in innovativer Weise Vorarbeiten zum kollektiven Gedächtnis und Erinnerungskulturen (Erll 2008) mit Gedenkstättenarbeit und -pädagogik.

    Laufzeit: 2022-

  • Projektleitung: Dr. Marc Fabian Buck, Miguel Zulaica y Mugica

    Digitale Technologien sind nicht mehr Teil utopischer oder dystopischer Beschreibungen, sondern selbstverständlicher Teil der heutigen Lebenswelt. Diese bildet den Boden für Sozialisations-, Bildungs- und Erziehungsprozesse. Im Zentrum des Bandes steht diese postdigitale Alltäglichkeit, die sich begleitet von Sachzwängen, Ernüchterungen, Normalisierungen und Pragmatik etabliert hat und hier bildungstheoretisch reflektiert wird. Untersucht werden lebensweltliche Differenzerfahrungen, die sich aus der konkreten Praxis und ihren Brüchen ergeben, hinsichtlich bedeutsamer Fragen nach Formen und Orten pädagogischen Handelns, nach Erfahrbarkeit von Anderen und Anderem, nach Verantwortung, Sozialität, Subjektivität und Unbestimmtheit. Der Band zielt auf eine Aktualisierung bildungstheoretischen Denkens, das sich anschlussfähig erweist an lebensweltliche Bezüge in einer sich rasch verändernden Welt.

    Der aus 18 Beiträgen bestehende Band und die einzelnen Beiträge können hier eingesehen bzw. heruntergeladen werden: https://doi.org/10.1007/978-3-662-66123-9.

  • Projektleitung: Dr. Miriam Diederichs (geb. Böttner)

    Organisiertes Lernen findet in unserer Gesellschaft in spezifischen Ordnungsarrangements statt, die weit mehr regeln als nur den Erwerb bestimmter intellektueller Fähigkeiten. Miriam Böttner gibt mittels Feinanalysen von Videodaten einen Einblick in das Interaktionsgeschehen in der ‚Junior Uni‘ und die hier zu beobachtenden Ordnungsprozesse. Über verschiedene Formen der Datenaufbereitung macht die Autorin sichtbar, dass es an einer Kinderuniversität nahezu allen an der Interaktion beteiligten Akteuren schwer fällt, den Anspruch, Lernen in ein neues Arrangement zu verlagern, einzulösen. Sie ziehen sich häufig auf ein Lehr-Lernarrangement zurück, bei dem sich schul- und altersspezifische Körper-Raum-Konstellationen sowie Rede- und Schweigegebote verstetigen.

    Abrufbar unter: https://doi.org/10.1007/978-3-658-22153-9

  • „Gegenschicksalsgeschichten“ ist ein Ausdruck, der in den Arbeiten Jacques Rancières recht prominent auftaucht. Es geht ihm dabei um solche Erzählungen, in denen sich Menschen von außen auferlegte Zuschreibungen und Zumutungen zu entziehen versuchen – und genau solche Geschichten dienen als gemeinsamer Nenner fast aller hier versammelten Texte und Vorträge. Jacques Rancière ist ein französischer Philosoph, der 1969 die Universität Paris VIII mitbegründete und dort bis ins Jahr 2000 lehrte. Die Universität war ein Kind der Studentenunruhen. Professor*innen und Student*innen sollten sich dort auf Augenhöhe begegnen. Ziel war es, ganz im Geiste der 68er-Revolte, neue Formen der gemeinsamen wissenschaftlichen Arbeit zu erproben. Und auch Rancière ist kein Philosoph, wie er im Buche steht. Er interessiert sich mehr für die Archive als für die Größen der Philosophie; er spricht lieber über Romane als über Hegel; dem Kino, das er immer wieder zum Gegenstand macht, begegnet er nicht als Filmwissenschaftler, sondern als Laie und Liebhaber. Er interessiert sich kaum für disziplinäre Grenzen oder die korrekten wissenschaftlichen Methoden.

    Vielleicht lässt sich das, was den? Reiz seines Denkens ausmacht, am besten an einer kleinen, aber entscheidenden biographischen Episode aufzeigen. In den frühen 1960er Jahren war Rancière ein Schüler Louis Althussers, der wie kein zweiter Professor die linken Student*innen in den Bann zog. Althussers Vorhaben war es, den Marxismus zu erneuern und ihm den Status einer Wissenschaft zu geben. Die Maxime lautete: Vor der politischen Praxis muss die genaue Lektüre der Marxschen Texte stehen. Bevor man sich ins Handgemenge begibt, gelte es, die Logik des Kapitals genau zu verstehen. Die Student*innen taten zunächst, wie ihnen befohlen und stürzten sich in die Schriften von Marx – aber sie zogen ganz andere Schlüsse, als sich Althusser dies vorgestellt hatte. Sie dachten gar nicht daran, sich unter Anleitung des Meisterphilosophen jahrelang in das Studium des Kapitals zu vertiefen, sondern das Lesen entfachte bei ihnen den Wunsch zur Revolte, und anstatt am Schreibtisch zu sitzen, bauten sie lieber Barrikaden. Althusser und die kommunistische Partei, deren Mitglied er war, stellten sich auf die Seite des Staates und gegen die revoltierenden Student*innen. Und eben dies brachte viele von diesen dazu, mit ihrem „Lehrmeister“ zu brechen. Unter ihnen war auch Jacques Rancière. Er schrieb eine heftige Polemik gegen Althusser, kehrte dem wissenschaftlichen Marxismus den Rücken und versenkte sich in die Archive. Er las nicht Marx oder Hegel, sondern die Tagebücher, Artikel und Briefe von einfachen Arbeiter*innen, die um 1830 lebten. Und aus dieser Arbeit in den Archiven entstand „Die Nacht der Proletarier“. Hier versucht Rancière zu zeigen, dass die Arbeiter*innen keiner Wissenschaft bedürfen, die sie über ihre Ausbeutung und ihre eigentlichen Bedürfnisse aufklärt. Sie nehmen sich die Nacht, um zu leben, als wären sie keine Arbeiter*innen, um zu lesen, was Arbeiter*innen „eigentlich“ nicht lesen, um sich zu kleiden, wie sich Arbeiter*innen „eigentlich“ nicht kleiden, um wertzuschätzen, was Arbeiter*innen „eigentlich“ nicht wertschätzen können. Sie haben sich dafür entschieden, dass sie nicht dazu bestimmt sind, nur ihre Muskelkraft zu verausgaben. Das, was sie lesen, verführt sie zu einem anderen Leben, stiftet sie an, weiter zu lesen und zu lernen. Sie wissen um ihre Ausbeutung und darum, was sie eigentlich nicht können sollten, aber sie ignorieren beides und emanzipieren sich von den Zumutungen und Zuschreibungen, die sie an „ihrem“ Platz zu halten versuchen.

    Texte

    Emanzipation. In: Milena Feldmann, Markus Rieger-Ladich, Carlotta Voß und Kai Wortmann (Hrsg.): Pädagogisches Vokabular in Bewegung. Stimmen aus der Allgemeinen Erziehungswissenschaft. Weinheim und Basel: Beltz 2022, S. 119-126.

    Figuren politischer Subjektivierung. In: Norbert Ricken, Rita Casale und Christiane Thompson (Hrsg.): Subjektivierung. Erziehungswissenschaftliche Theorieperspektiven. Weinheim und Basel: Beltz 2019, S. 245-262.

    Formexperimente als Theoriepolitik. Zu den Schreibstrategien Jacques Rancières. In: Ralf Mayer, Alfred Schäfer und Steffen Wittig (Hrsg.): Jaques Rancière - Pädagogische Lektüren. Wiesbaden: Springer VS 2019, S. 71-89 (gemeinsam mit Markus Rieger-Ladich).

    Bildung als Kunst, sich zu entziehen. Vom Verweigern, Desertieren, Abfallen und Aussteigen. In: Ingried Miethe, Anja Tervooren und Norbert Ricken (Hrsg.): Bildung und Teilhabe. Zwischen Inklusionsforderung und Exklusionsdrohung. Wiesbaden: Springer VS 2017, S. 157-177.

    Transparenzträume. Über "die Lyrik Rousseaus und die Obsession Benthams". In: Carsten Heinze, Egbert Witte und Markus Rieger-Ladich (Hrsg.): "... was den Menschen antreibt ..." Studien zu Subjektbildung, Regierungspraktiken und Pädagogisierungsformen. Oberhausen: Athena 2016, S. 81-82.

    Der Lärm der Demokratie. In: Philosophie Indebate 2013. Online unter: philosophie-indebate.de/1136/schwerpunktbeitrag/

    Vorträge

    Emanzipation – mit oder von Theorie? Vortrag im Rahmen der Arbeitstagung „Lebendige Theorie“. Berlin, 17. und 18. Januar 2020.

    Spielen als Privileg? Ein Disput zwischen Pierre Bourdieu und Jaques Rancière. Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung „Spiel: interdisziplinäre Annäherungen an ein menschliches Grundphänomen“, Studium Generale, Universität Tübingen. 24.1.2019 (zusammen mit Markus Rieger-Ladich).

    „Dear Board, I don't want to belong to any club that would have me as a member. Sincerely yours, Groucho Marx“. Über Mitgliedschaft und (Un-)Zugehörigkeit. Vortrag im Rahmen der Vernetzungstagung der unterschiedlichen Nachwuchswissenschaftler*innengruppen der DGfE. Universität Kassel, 28. und 29. März 2019.

    Spielen als Privileg? Ein Disput zwischen Pierre Bourdieu und Jaques Rancière. Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung „Spiel: interdisziplinäre Annäherungen an ein menschliches Grundphänomen“, Studium Generale, Universität Tübingen. 24.1.2019 (zusammen mit Markus Rieger-Ladich).

    Der ‚Exzess der Wörter‘ und der (nicht nur) pädagogische ‚Krieg gegen die Schrift‘ - oder: Warum Badame Bovary sterben musste. Vortrag am 07.12.2016 im Rahmen des Masterseminars „Jacques Rancières ‚Unwissender Lehrmeister‘“ im Herbstsemester 2016 an der Universität Basel.

  • Im März 2001 hält Pierre Bourdieu seine letzte Vorlesungsreihe am Collège de France. In dieser Vorlesung, die zuerst 2002 in deutscher Sprache und dann 2004 in französischer veröffentlicht wurde, unternimmt Bourdieu den Versuch, seinen theoretischen Ansatz auf die eigene Lebensgeschichte anzuwenden. Ganz konkret geht es ihm dabei um die Frage, welche Umstände ihn dazu gebracht haben, sich der soziologischen Perspektive zuzuwenden, wie sich also bei ihm ein ganz spezifischer Blick auf die soziale Welt entwickelt hat.

    Dabei ist schon der Umstand, überhaupt eine akademische Karriere eingeschlagen zu haben, bemerkenswert: Aufgewachsen in einer ländlichen Gegend, in einem Milieu und in Familienverhältnissen, die ihn dazu – aus seiner eigenen theoretischen Perspektive – kaum auserwählt haben, ist es Bourdieu doch gelungen, sich von seinem familiären Erbe und seinem ‚Klassenhabitus‘ zu entfernen und das fast Unmögliche zu schaffen, also nicht nur das Gymnasium zu besuchen, sondern eine Ausbildung an der angesehenen École normale supérieure zu meistern. Bourdieu schreibt sich nun etwas zu, was er einen gespaltenen Habitus nennt. Dieser gespaltene Habitus verdammt ihn dazu, ewig zwischen den Welten zu wandern, ohne irgendwo wirklich ankommen zu können.

    Auch wenn es ihm gelingt, das familiäre Erbe hinter sich zu lassen, sucht ihn seine Geschichte doch immer wieder heim. In der Schule, in der Universität und in dem Pariser intellektuellen Milieu fühlt er sich nie ganz zu Hause. Er bemerkt den Abstand zwischen sich und denjenigen, die von Anfang an für eine solche Laufbahn vorgesehen waren, die sich wie Fische im Wasser in einer Welt bewegen, die dem Aufsteiger immer ein Stück weit fremd bleiben wird.

    Bourdieu thematisiert das Leiden an seinem gespaltenen Habitus – aber er betont auch noch etwas anderes. Der gespaltene Habitus, der ihm ein Gefühl von Zugehörigkeit versagt, stellt zugleich so etwas wie ein epistemologisches Privileg dar. Damit ist gemeint: Dieser Habitus lässt ihn sehen, was andere nicht sehen. Bourdieu kann unter der Oberfläche der Normalität jene symbolische Gewalt wahrnehmen, die die Menschen mit unsichtbaren Fäden an ihre Plätze kettet.

    Was Bourdieu in seinem „soziologischen Selbstversuch“ beschreibt, ist also nichts weniger als die Geburt einer Theorie aus einem Leiden an einer Welt, die nicht die seine ist, in der er mit seinem Habitus immer wieder aneckt und die ihn immer wieder auszustoßen versucht.

    Mittlerweile haben viele Autor*innen den Faden, den Bourdieu gelegt hat, aufgenommen. Annie Ernaux, Didier Eribon, Christian Baron, bell hooks oder D Hunter haben in ihren autosoziobiografischen Texten das eigene Aufwachsen in einem nicht-privilegiertem Milieu zum Gegenstand gemacht – und so das Nachdenken über die Gewalt der Verhältnisse und die Zerrissenheit der Bildungsaufsteiger*innen stimuliert. Autosoziobiografische Texte geben nicht nur Einblicke in jene Sozialisationsbedingungen und sozialen Praktiken, durch welche die Einrichtungen des Bildungswesens Ungleichheiten reproduzieren, sondern sind zudem dafür geeignet, die Reflexionsfähigkeit pädagogischer Akteur*innen zu stimulieren. Auch davon handeln diese und noch kommende Texte.

    Texte

    Theorien der Sozialisation: Möglichkeiten, Grenzen, Perspektiven. In: Martin Harant, Philipp Thomas und Uwe Küchler (Hrsg.): Theorien! Horizonte für die Lehrerbildung. Tübingen: Tübingen University Press 2020, S. 145-157.

    Bourdieu, Eribon und die beschwerliche „Odyssee der Wiederaneignung“. In: Ulrike Deppe (Hrsg.): Theorie und Empirie zu Bildungsaufstiegen und exklusiven Karrieren. Springer VS 2019, S. 85-104.

    Didier Eribon. Porträt eines Bildungsaufsteigers. In: Zeitschrift für Pädagogik 64 (6), S. 788-804 (zusammen mit Markus Rieger-Ladich).

    Pierre Bourdieu: Pädagogische Lektüren. Wiesbaden: Springer VS 2017 (herausgegeben mit Markus Rieger-Ladich).

    Kollektive Konversionen. In: Markus Rieger-Ladich und Christian Grabau (Hrsg.): Pierre Bourdieu: Pädagogische Lektüren. Wiesbaden: Springer VS 2017, S. 315-334.

    Der Beitrag der Erziehungswissenschaft zur Sozialisationsforschung. In: Klaus Hurrelmann/Ullrich Bauer/Matthias Grundmann/Sabine Walper (Hrsg.): Handbuch Sozialisationsforschung. 8., vollständig überarbeitete Auflage. Weinheim und Basel: Beltz 2015, S. 114-127 (zusammen mit Markus Rieger-Ladich).

    Vom ‚Ringen um Selbstachtung‘ und den ‚Kollateralschäden des sozialen Aufstiegs‘. Überlegungen im Anschluss an Zadie Smiths London NW. In: Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Pädagogik 91 (2015), S. 47-63.

    Vorträge

    Das „hidden curriculum“ von Hochschulen erforschen. Wie Autosoziobiografien Praktiken der Diskriminierung aufdecken. Podiumsdiskussion auf der Tagung „Klassismus in Hochschule und Gesellschaft – zwischen Tabuisierung und Vereinnahmung“ am 21. und 22. März 2024 an der Technischen Universität Darmstadt (zusammen mit Elena Meilicke, Flora Petrik, Markus Rieger-Ladich und Gregor Schuhen).

    Bildungswege reflektieren – im Medium der Literatur. Vortrag auf dem von Markus Rieger-Ladich, Flora Petrik und Christian Grabau organisierten Symposium „Blockierter Aufstieg, gebrochene Versprechen? Mit Autosoziobiografien Chancenungleichheit erforschen“ im Rahmen des 29. Kongresses der DGfE vom 10. bis 13. März 2024 an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (zusammen mit Flora Petrik).

    Vom Ringen um Selbstachtung. Systematische Überlegungen im Anschluss an Zadie Smiths London NW. Vortrag im Rahmen der Generalversammlung der Görres-Gesellschaft vom 27. September bis 01. Oktober 2014 in Fribourg.

  • Im Jahr 1975 erschien mit Überwachen und Strafen von Michel Foucault ein fulminantes Buch, das mit einiger Verspätung auch die Erziehungswissenschaft zu einer gesteigerten Aufmerksamkeit gegenüber den subtilen Formen pädagogischer Macht stimulierte. Die hier versammelten Texte und Vorträge versuchen dem Verhältnis von Pädagogik und Macht auf unterschiedliche Weise, in unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen Feldern nachzugehen. Was wohl sicher ist: Die Machtförmigkeit pädagogischer Praxis zum Gegenstand von Forschung und Lehre zu machen, wird auch in Zukunft eine der wichtigsten Aufgabe von Erziehungs- und Bildungswissenschaft bleiben.

    Texte

    Grabau, Christian und Rieger-Ladich, Markus: Gouvernementalität. In: Markus Dederich und Jörg Zirfas: Optimierung. Ein interdisziplinäres Handbuch. J.B. Metzler: Stuttgart 2024, S. 129-134.

    Grabau, Christian: Qualität und Macht – Machttheoretische Perspektiven auf Qualitätsdiskurse und -entwicklung. In: Tanja Betz, Tobias Feldhoff, Petra Bauer, Uwe Schmidt und Bernhard Schmidt-Hertha (Hrsg.): Handbuch Qualität in pädagogischen Feldern Diskurse. Theoretische Grundlagen. Empirische Beiträge. Kritische Einwürfe: Wiesbaden: Springer VS 2023.

    Grabau, Christian: Macht. In: Johannes Drerup und Gottfried Schweiger (Hrsg.): Handbuch Philosophie der Kindheit. J.B. Metzler: Stuttgart 2019, S. 159-164.

    Grabau, Christian: Gewalt. In: Anja Kraus, Jürgen Budde, Maud Hietzge, Christoph Wulf (Hrsg.): Handbuch Schweigendes Wissen. Erziehung, Bildung, Sozialisation und Lernen. Weinheim und Basel: Beltz 2017, S. 216-225 (zusammen mit Markus Rieger-Ladich).

    Grabau, Christian: Diskurse des informellen Lernens und deren Bedeutung im gesellschaftlichen Kontext. In: Marius Harring, Matthias D. Witte und Timo Burger (Hrsg.): Handbuch informelles Lernen. Interdisziplinäre und internationale Perspektiven. Weinheim und Basel: Beltz 2016, S. 62-72 (zusammen mit Käte Meyer-Drawe).

    Grabau, Christian: Raum der Disziplinierung und Ort des Widerstands. Schule als Heterotopie. In: Malte Brinkmann und Kristin Westphal (Hrsg.): Grenzgänge. Phänomenologie und Anthropologie pädagogischer Räume. Weinheim und Basel: Beltz 2015, S. 87-110 (zusammen mit Markus Rieger-Ladich).

    Grabau, Christian: Machtspiele. Vom Zauber reformpädagogischer Rhetorik. In: Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Pädagogik 90 (2014), S. 516-531.

    Grabau, Christian: Schule als Disziplinierungs- und Machtraum. In: Jörg Hagedorn (Hrsg.): Jugend, Schule und Identität. Selbstwerdung und Identitätskonstruktion im Kontext Schule. Wiesbaden: VS Verlag 2014, S. 63-79 (zusammen mit Markus Rieger-Ladich).

    Grabau, Christian: Imperative der Selbststeuerung. Neurowissenschaftliche und humangenetische Herausforderungen der Pädagogik. Vortrag im Rahmen der Tagung „Ungleichheit zwischen Natur und Gesellschaft. Zur Debatte um ‚Vererbung oder Umwelt‘ seit 1945“ an der Ruhr-Universität Bochum, 27. und 28. Juni 2013.

    Grabau, Christian: Die Geburt der Pädagogik aus dem Geist der Policey. In: Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Pädagogik 89 (2013), S. 292-306.

    Grabau, Christian: Leben machen. Pädagogik und Biomacht. München: Fink 2013.

    Vorträge

    Grabau, Christian: Klaus Theweleit (1977/78): Männerphantasien. Vortrag am 09.12.2014 im Rahmen der Ringvor-lesung „Highlights der Humanities I. Schlüsseltexte des 20. Jahrhunderts“ im WS 2014/15, Uni-versität Tübingen.

    Grabau, Christian: Michel Foucault in der Erziehungswissenschaft. Gastvortrag an der Universität Hamburg, 19. Juni 2014.

    Grabau, Christian: Machtspiele. Vom Zauber reformpädagogischer Rhetorik. Vortrag im Rahmen des 49. Salzburger Symposions, 10. und 11. Juni 2014.

    Grabau, Christian: Muster der Foucault-Rezeption in der Erziehungswissenschaft. Gastvortrag im Rahmen der Vorlesung „Kontexte von Bildung und Erziehung“ an der Eberhard Karls Universität Tübingen, 04. Juni 2014.

  • In Deutschland ist der Schriftsteller Ralph Ellison vor allem für seinen 1952 erschienenen Roman Invisible Man bekannt, der von der langen und demütigenden Reise eines jungen Schwarzen Mannes aus dem amerikanischen Süden in den Norden erzählt. Heute gilt er als einer der bedeutendsten amerikanischen Romane des 20. Jahrhunderts, der die Selbstverständigung über die Identität einer Nation mit der Selbstfindung seines Protagonisten verschränkt und dabei die offenen wie subtilen Mechanismen rassistischer Diskriminierung beobachtet. Ellison selbst ist in Oklahoma aufgewachsen, einem der Zentren des Jazz. Dort besuchte er für einige Jahre das Tuskegee Institute in Alabama. Aber Tuskegee war nicht, was er sich erhofft hatte. Die Welt des schwarzen Colleges stellt sich als zu eng für ihn heraus und drei Jahre nach seiner Ankunft zog er weiter nach New York. Er freundete sich mit Langston Hughes, einem der Protagonisten der Harlem Renaissance und Richard Wright an. Auf Vermittlung Wrights verfasst er Dutzende von Artikeln und Kurzgeschichten für verschiedene linke Zeitschriften, engagiert sich in marxistischen Zirkeln und unternahm für das durch den New Deal finanzierte Federal Writers’ Project ethnographische Studien über das Leben in Harlem. Nach dem Erscheinen seines Romans über den unsichtbaren Mann trat er vor allem als Essayist in Erscheinung und widmete sich immer wieder auch aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen. Genau in diesem Kontext kam es auch zu einer „Begegnung“ mit Hannah Arendt: Als diese 1959 in ihrem Artikel „Reflections on Little Rock“ die Aufhebung der Segregation an Schulen in den amerikanischen Südstaaten und die politischen Ambitionen der Bürgerrechtsbewegung kommentierte, nahm wiederum Ellison dazu Stellung – und kritisierte Arendt scharf.

    Die hier versammelten Beiträge nehmen ihren Ausgangspunkt von der Reise des unsichtbaren Mannes und der „Begegnung“ zwischen Ellison und Arendt, die jüngst auf wunderbare Weise von Marie Luise Knott in „370 Riverside Drive, 730 Riverside Drive“ nachgezeichnet wurde: https://www.matthes-seitz-berlin.de/buch/370-riverside-drive-730-riverside-drive.html

    Texte

    Little Rock, Arkansas. Hannah Arendt, Ralph Ellison and Danielle Allen on education and the public sphere. In: On Education. Journal for Research and Debate, 5 (2022), Ausgabe 14.

    Wessen Welt ist die Welt? Hannah Arendt, Little Rock und die ‚Autorität des Lehrers‘. In: Oxana Ivanova-Chessex, Saphira Shure und Anja Steinbach (Hrsg.): Lehrer*innenbildung – (Re)Visionen für die Migrationsgesellschaft. Weinheim und Basel: Beltz 2022, S. 50-66.

    Umkämpfte Zugehörigkeit. Ralph Ellison und das Recht des Künstlers, seine Vorfahren zu wählen. In: Zeitschrift für Kulturphilosophie 15 (2021), Heft 2, S. 75-81.

    „Like Jack the Bear; just ain’t nowhere“. Bildung und Begegnungen an den Rändern der Geschichte. In: Markus Rieger-Ladich, Rita Casale und Christiane Thompson (Hrsg.): Un-/Zugehörigkeit. Bildungsphilosophische Reflexionen und machttheoretische Studien. Weinheim und Basel: Beltz 2020, S. 69-89.

    Begegnungen zwischen Fremden. Demokratie, Pädagogik und digitale Öffentlichkeiten. In: Ulrich Binder und Johannes Drerup (Hrsg.): Demokratieerziehung und die Bildung digitaler Öffentlichkeit. Wiesbaden: Springer VS 2020, S. 71-89.

    Vorträge

    Intersectionality: decolonial, postcolonial and societal perspectives. Roundtable im Rahmen des Workshops „Shifting Orders: Belonging in Transition“. Universität Tübingen, 14-16. Oktober 2021.

  • Im Jahr 1925 erschien ein beeindruckendes und immer noch lesenswertes Buch unter dem Titel „Sisyphos oder die Grenzen der Erziehung“. Sein Autor, Siegfried Bernfeld, gehörte nie zum eingeweihten Kreis des pädagogischen Betriebs, aber vielleicht ermöglichte es ihm gerade diese Distanz, die eigene Disziplin kritisch in den Blick zu nehmen. „Sisyphos“ handelt von den hehren Idealen, die die Pädagogik entwirft, die sie aber doch immer wieder verfehlt. Bernfeld macht ihr nun zum Vorwurf, dass sie dieses Versagen nicht zum Anlass nimmt, eine, wie er es nennt, „Tatbestands-Gesinnung“ auszubilden. Die Pädagogik analysiere nicht die gesellschaftlichen Bedingungen ihres Handelns, sondern hänge weiter an den Lippen der großen „Pädagogiker“ Pestalozzi, Fichte, Rousseau, Comenius, Basedow u.v.m. – „Wunderliche Astronomen“, wie Bernfeld sie nennt, „die nachts fest schlafen und sich morgens von Sternen erzählen lassen, um nach Tische über sie zu denken und zu schreiben.“ „Tatbestands-Gesinnung“ hieße demgegenüber, die sozialen Bedingungen einzurechnen, die die pädagogische Praxis rahmen. Die Referenzen, auf die Bernfeld verweist, sind Freud und Marx, und er würde heute sicherlich aktuelle Sozial- und Gender- und postkoloniale Theorien ebenso dazuzählen wie verschiedene Formen empirischer Bildungsforschung. Ob er hingegen an literarische Texte dachte, ist mir nicht bekannt, aber genau hier schließt die These an, von der dieser Vortrag handelt: Nicht nur Marx und Freud, nicht nur die rezenten Formen empirischer Bildungsforschung können die Ausbildung einer Tatbestands-Gesinnung befördern, sondern eben auch die Forschung mit und an literarischen Texten.

    Die hier versammelten Artikel und Vorträge tauchen auf dieser Homepage auch an anderen Stellen auf. Was sie eint (und weshalb sie hier noch einmal zusammengetragen werden) sind drei Annahmen. Erstens: Literarische Texte und andere ästhetische Erzeugnisse erzählen auf eine andere Weise und können deshalb auch anders von Bildung erzählen. Zweitens: Sie scheinen aus diesem Grund geeignet, eingespielte Vorstellungen von Bildung und Erziehung zu irritieren und Phänomene auszuleuchten, die sich Theorien und anderen Formen der Beobachtung leicht entziehen. Drittens: Schließlich sind sie auch geeignet, neben der „Tatbestands-Gesinnung“ auch unseren „Möglichkeitssinn“ zu trainieren, um „das, was ist, nicht wichtiger zu nehmen als das, was nicht ist.” (Robert Musil)

    Texte

    (Über-)Leben auf einem beschädigten Planeten. Weltenbau und Bildungs-Szenarien in der zeitgenössischen Science-Fiction. In: Gabriele Weiß, Malte Brinkmann und Kerstin Jergus (Hrsg.): Geteilte/verteilte Welten: Beltz Juventa (i.E.)

    Little Rock, Arkansas. Hannah Arendt, Ralph Ellison and Danielle Allen on education and the public sphere. In: On Education. Journal for Research and Debate, 5 (2022), Ausgabe 14.

    Umkämpfte Zugehörigkeit. Ralph Ellison und das Recht des Künstlers, seine Vorfahren zu wählen. In: Zeitschrift für Kulturphilosophie 15 (2021), Heft 2, S. 75-81.

    „Like Jack the Bear; just ain’t nowhere“. Bildung und Begegnungen an den Rändern der Geschichte. In: Markus Rieger-Ladich, Rita Casale und Christiane Thompson (Hrsg.): Un-/Zugehörigkeit. Bildungsphilosophische Reflexionen und machttheoretische Studien. Weinheim und Basel: Beltz 2020, S. 69-89.

    Die Chance vieler Geschichten. Wie im Kontext von Rassismus, Feminismus und (Post-)Humanismus die Gegenwart und Zukunft anders erzählen. In: Laura Böckmann, Sebastian Engelmann, Philipp Reichrath und Anne Rohstock (Hrsg.): Creativity, Courage, Chances. Eine Festschrift zu Ehren von S. Karin Amos. Tübingen: Tübingen Library Publishing 2021, S. 285-313 (zusammen mit Angela Janssen).

    Verunsicherungen an den Rändern der Ordnung. Über eine pädagogische Störenfriedin. In: Agnieszka Czejkowska und Susanne Spieker (Red.): Innere Sicherheit. Jahrbuch für Pädagogik 2019, H. 1. Frankfurt a.M.: Peter Lang 2021, S. 127-139.

    „Like Jack the Bear; just ain’t nowhere“. Bildung und Begegnungen an den Rändern der Geschichte. In: Markus Rieger-Ladich, Rita Casale und Christiane Thompson (Hrsg.): Un-/Zugehörigkeit. Bildungsphilosophische Reflexionen und machttheoretische Studien. Weinheim und Basel: Beltz 2020, S. 69-89.

    Schreckliche Lehrmeister, drastische Erfahrungen. Was Horrorfilme über das Lernen lehren. In: Erziehung & Unterricht, Heft 1-2 (2017), S. 122-129.

    Vom ‚Ringen um Selbstachtung‘ und den ‚Kollateralschäden des sozialen Aufstiegs‘. Überlegungen im Anschluss an Zadie Smiths London NW. In: Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Pädagogik 91 (2015), S. 47-63.

    The Parallax Gap. Der parallaktische Blick auf die populäre Kultur. In: Thomas Hecken und Marcel Wrzesinski (Hrsg.): Philosophie und Popkultur. Bochum: Posth Verlag 2010, S. 159-176.

    Helden ohne glänzende Rüstung: Neuere Spielformen von Comics im Deutschunterricht am Beispiel von Art Spiegelmans „Maus“. In: Klaus Maiwald und Petra Josting (Hrsg.): Jahrbuch Medien im Deutschunterricht 2009. Comics und Animationsfilme. München: kopaed 2010, S. 66-79.

    Vorträge

    (Über-)Leben auf einem beschädigten Planeten. Weltenbau und Bildungs-Szenarien in der zeitgenössischen Science Fiction. Vortrag auf der Tagung „Geteilte/verteilte Welten“ der Kommission Bildungs- und Erziehungsphilosophie vom 26.-28.09.2022 an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

    High School is Hell – Buffy the Vampire Slayer und die Zumutungen des Erwachsenwerdens. Vortrag am 10.05.2016 im Rahmen der Ringvorlesung „Ich glotz' TV! Tony Soprano, Walter White und die Neuerfindung des Fernsehens“ im SoSe 2016, Universität Tübingen.

    David Foster Wallace lesen. Zeitdiagnose im Medium der Literatur. Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung „Spuren lesen. Interpretative Zugänge zum Sozialen“ im SoSe 2015, Universität Tübingen (zusammen mit Markus Rieger-Ladich).

    Tony Soprano, Jimmy McNulty, Walter White etc. Ästhetische Bildungsprozesse und serielle Erzähltechniken. Vortrag auf dem IX. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Ästhetik: Techne – poiesis – aisthesis. Technik und Techniken in Kunst und ästhetischer Praxis am 17.-20. Februar 2015 an der Universität Hamburg (zusammen mit Markus Rieger-Ladich).

    Vom Ringen um Selbstachtung. Systematische Überlegungen im Anschluss an Zadie Smiths London NW. Vortrag im Rahmen der Generalversammlung der Görres-Gesellschaft vom 27. September bis 01. Oktober 2014 in Fribourg.

    The Parallax Gap. Der parallaktische Blick auf die populäre Kultur. Vortrag im Rahmen der stu-dentischen Tagung „Philosophie und Popkultur. Eine Spurensuche“ an der Ruhr-Universität Bochum, 20. und 21. Juni 2009.

    Helden ohne glänzende Rüstung. Rezente Spielformen von Comics im Deutschunterricht. 24. Tagung der AG Medien im Symposion Deutschdidaktik an der Universität Duisburg-Essen, 23./24. Januar 2009.

  • Projektleitung: Jan F. Bossek M.A., Dr. Marc Fabian Buck

    Die Pädagogik hat in den vergangenen Jahrzehnten eine stete Pluralisierung auf theoretischer Ebene erfahren. Neben der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik werden nunmehr Perspektiven der Kritischen Erziehungswissenschaft, der Phänomenologischen Erziehungswissenschaft, der Poststrukturalistischen oder Psychoanalytischen Pädagogik usw. fortwährend theoretisiert. Diese disziplinären Strömungen verfügen über spezifische Termini und greifen auf bestimmte Denktraditionen zurück, um pädagogische Zusammenhänge zu beschreiben und zu analysieren. Angesichts dieser Pluralität lässt sich aktuell kaum von Paradigmen und ihrem Wechsel oder, mit Dietrich Benner gesprochen, von ,Hauptströmungen‘ sprechen, sondern eher von einer Ausdifferenzierung pädagogischer Strömungen und Denkstile (im Sinne Ludwik Flecks).

    Diese Diagnose ist der Ausgangspunkt für das Buch- und Videoprojekt, das als Aktualisierung und Auffächerung des erziehungswissenschaftlichen Klassikers „Hauptströmungen der Erziehungswissenschaft“ (zuletzt 2001, erstmals 1973) Dietrich Benners konzipiert ist. In dessen Rahmen werden neun variante Pädagogiken von einschlägigen Kolleginnen und Kollegen, die die jeweiligen Strömungen und Denkstile zu vertreten wissen, einführend in Form von Texten und Videos vorgestellt. Adressatinnen und Adressaten sind Studierende des Lehramts und pädagogischer Hauptfächer im Bachelor-Studium, da es gerade für diese Zielgruppen ein Hindernis darstellen kann, die theoretischen Implikationen hinter differenzierten Fachtermini, die in wissenschaftlicher Literatur mitunter undefiniert und intransparent bleiben, zu durchschauen und so die jeweils vertretene disziplinäre Sichtweise nachvollziehen zu können.

    Das Projekt versteht sich zugleich als Forschungsbeitrag und Bestandsaufnahme zum Identitätsproblem der Erziehungswissenschaft, wie es in den vergangenen Jahren reflexiv und empirisch behandelt wurde (Binder & Meseth 2020; Glaser & Keiner 2014; Kauder 2010; Kempka 2018; Vogel et al. 2018). Aus dem Projekt soll diese wissenschaftstheoretische Forschung vorangetrieben und Verhältnissetzungen unterschiedlicher Denkweisen vorgenommen werden – wohlbemerkt mit Bezug auf kategoriale Fixpunkte des jeweiligen Denkstils.

    Zugehörige Videos:

    Laufzeit: 2022-2023

  • In einer seiner meistzitierten Passagen hatte Wilhelm von Humboldt Bildung auf eine eindrückliche Weise als Wechselwirkung des Ichs mit der Welt gefasst: „Die letzte Aufgabe unseres Daseins: dem Begriff der Menschheit in unsrer Person, sowohl während der Zeit unsres Lebens, als auch noch über dasselbe hinaus, durch die Spuren des lebendigen Wirkens, die wir zurücklassen, einen so großen Inhalt, als möglich, zu verschaffen, diese Aufgabe löst sich allein durch die Verknüpfung unsres Ichs mit der Welt zu der allgemeinsten, regesten und freiesten Wechselwirkung.“ Dass die Welt, die hier noch als stabiles Gegenüber des Menschen erscheint, gegenwärtig zunehmend fraglich wird, ist der Ausgangspunkt des Projekts. Ich schließe dabei an die Unterscheidung von Welt und Planet oder genauer dem Globalen und dem Planetarischem an, die der Historiker Dipesh Chakrabarty in seinem Aufsatz „The Climate of History: Four Theses“ von 2009 angedeutet und in späteren Texten noch einmal konkretisiert hat. Auf den Punkt gebracht: Während das Globale den Menschen, die menschliche Geschichte und soziale Kämpfe in den Mittelpunkt rückt, verweise das Planetarische auf jene biologischen und geologischen Prozesse, die auch weitgehend unabhängig vom Menschen verlaufen, sich in ganz anderen, unmenschlichen Zeitmaßstäben abspielen und die sich gegenüber dem menschlichen Wohl und Wollen indifferent verhalten. Die Schwierigkeit liegt laut Chakrabarty nun darin, den Menschen konsequent als „Doppelgestalt“ zu denken, die sowohl in die menschliche, globale Geschichte verstrickt ist als auch zunehmend in die Geschichte des Planeten. Dies sei eine Erkenntnis, die sich den Menschen in dieser Zeit zunehmend aufzudrängen beginne – und mit der sie irgendwie umzugehen lernen müssten. Was das heißen könnte, ist Gegenstand dieser und noch kommender Texte.

    Texte

    (Über-)Leben auf einem beschädigten Planeten. Weltenbau und Bildungs-Szenarien in der zeitgenössischen Science-Fiction. In: Gabriele Weiß, Malte Brinkmann und Kerstin Jergus (Hrsg.): Geteilte/verteilte Welten: Beltz Juventa (i.E.)

    Die Chance vieler Geschichten. Wie im Kontext von Rassismus, Feminismus und (Post-)Humanismus die Gegenwart und Zukunft anders erzählen. In: Laura Böckmann, Sebastian Engelmann, Philipp Reichrath und Anne Rohstock (Hrsg.): Creativity, Courage, Chances. Eine Festschrift zu Ehren von S. Karin Amos. Tübingen: Tübingen Library Publishing 2021, S. 285-313 (zusammen mit Angela Janssen).

    Vorträge

    (Über-)Leben auf einem beschädigten Planeten. Weltenbau und Bildungs-Szenarien in der zeitgenössischen Science Fiction. Vortrag auf der Tagung „Geteilte/verteilte Welten“ der Kommission Bildungs- und Erziehungsphilosophie vom 26.-28.09.2022 an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.