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„Die Natur hat viele Gesichter“

[12.07.2023]

Was heißt das für eine interdisziplinär reflektierte Bioethik? Ein Workshop und eine Sommerschule in Tutzing des Hagener Instituts für Philosophie gingen der Frage nach.


Foto: FernUniversität
Gruppenfoto im „Goldenen Saal“ des Augsburger Rathauses

„Natur, Kultur und die Vielfalt der menschlichen Naturverhältnisse“ war das Thema der diesjährigen bereits zehnten Sommerschule in der Reihe „Bioethik im Kontext“, die vom 27. Juni bis zum 2. Juli in der Akademie für politische Bildung an den Ufern des Starnberger Sees in Tutzing stattfand. In Kooperation mit Partnerhochschulen in Zagreb, Sofia, Thessaloniki, Kreta und Linz und gefördert mit Mitteln des EU-Programms Erasmus+ organisierte das Lehrgebiet Philosophie II der FernUniversität ein intensives Programm, in dem es ebenso um Grundlegungsfragen des „ganzheitlichen“ Ansatzes der Integrativen Bioethik wie um aktuelle Fragestellungen ging, die sich aus der synthetischen Biologie, aus der Robotik, neuen Formen des Mensch-Maschine-Verhältnisses oder aus der Frage der Weckung und Pflege einer angemessenen bioethischen Sensibilität ergeben.

Foto: FernUniversität
Tagungseröffnung (v.re.): Prof. Dr. Ante Čović aus Zagreb, Prof. Dr. Günther Pöltner aus Wien und Prof. Dr. Thomas Sören Hoffmann aus Hagen

Ausgangspunkt für alle Diskussionen war dabei die Tatsache, dass es für den Menschen nicht nur ein einziges – etwa durch die Naturwissenschaften bestimmtes – Naturverhältnis gibt. Wir leben in verschiedenen Naturverhältnissen: in Verhältnissen, die mit der Leiblichkeit des Menschen als Naturwesen beginnen und über ganz unterschiedliche theoretische wie praktische Stellungen zur Natur bis hin zu einer Synthese reichen, wie sie am ehesten die Naturphilosophie nachzuzeichnen vermag.

Internationale Vorträge

Die zehn Referentinnen und Referenten brachten in den weitgehend philosophischen Diskurs auch interdisziplinäre Perspektiven aus der Biologie, der Soziologie und der Theologie ein. Knapp 30 teilnehmende Studierende, die von ihren Heimatuniversitäten ausgewählt worden waren, steuerten in den Seminaren ihrerseits Beiträge in Form von Vorträgen zu Themen bei, die den Hauptvorträgen zugeordnet waren. Das von ERASMUS+ ebenfalls ermöglichte Kulturprogramm umfasste einen Ausflug nach Augsburg, wo neben einem Altstadtspaziergang und dem Goldenen Saal des Rathauses ein Besuch der Fuggerei auf dem Plan stand. Die Studierenden nutzten die Gelegenheit, untereinander neue Kontakte über die nationalen und sprachlichen Grenzen hinweg zu knüpfen und äußerten sich immer wieder begeistert über das Angebot eines gemeinsamen Lernens und Arbeitens in einer internationalen Sommerschule.

Positive Resonanz

Prof. Frank Koch, Informatik-Dozent an der Ostschweizer Fachhochschule in Rapperswil und zugleich Student im Hagener Master-Studiengang Philosophie, fasst seinen Eindruck wie folgt zusammen: „Die Sommerschule bot mir mit vielen Vorträgen und Diskussionen einen überaus interessanten Einstieg in die Integrative Bioethik. Die Multiperspektivität sowie die Zusammenhänge der vielen Aspekte von Natur und Leben wurden über die Tage sehr gut ausgearbeitet. Jede Stunde dieses intensiven Austauschs war überaus wertvoll für mich.“ Ähnlich äußert sich die Kanadierin Sarah Biggs, die bei Prof. Tsinorema auf Kreta Bioethik studiert: „Die Erfahrung, die ich als Teilnehmerin der Sommerschule in Tutzing gemacht habe, ist unschätzbar – das Gesamtthema, jede einzelne Präsentation, ich habe so viel gelernt! Die bunt gemischte Gruppe der Teilnehmer sorgte dabei für eine bereichernde Atmosphäre der akademischen Debatten wie auch des kulturellen Austauschs. Ich werde diese Erfahrung niemals vergessen, wie auch die Freundschaften, die ich in Tutzing schließen konnte, bleiben werden!“

Lehren gegen „extreme Ungleichheit“

Bogota-webFoto: Casper te Riele/iStock/Getty Images Plus

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Start mit Fachtagung zur Integrativen Bioethik

Der Sommerschule vorgeschaltet war diesmal eine zweitägige Fachtagung zum Paradigma der Integrativen Bioethik, an der Expertinnen und Experten aus sechs Ländern teilnahmen. Zu den prominentesten Gästen zählten dabei der Bioethiker und frühere Prorektor für Forschung und Internationalisierung der Universität Zagreb, Prof. Dr. Ante Čović, ferner die über ihre Landesgrenzen hinaus bekannte griechische Bioethikerin Prof. Dr. Stavroula Tsinorema, die zahlreichen Ethikkommissionen auf nationaler und europäischer Ebene angehört, sowie der langjährige stellvertretende Vorsitzende der österreichischen Bioethikkommission beim Wiener Bundeskanzleramt, Prof. Dr. Günther Pöltner. Während Čović das Thema der „Pluriperspektivität“ der Integrativen Bioethik methodologisch und zeitkritisch aufarbeitete, thematisierte Tsinorema die Spezifik der Fragestellungen, die die „Künstliche Intelligenz“ für die Integrative Bioethik mit sich bringt. Pöltner gelang es, einen systematischen Grundriss dessen, was mit „Integrativer Bioethik“ gemeint ist, zu entfalten und zur Diskussion zu stellen. Der Organisator der Fachtagung, Prof. Dr. Thomas Sören Hoffmann aus Hagen, ergänzte diese Überlegungen durch einen Vergleich zwischen den wichtigsten Ansätzen zur Bioethik, die derzeit verfolgt werden.

Dank und Ausblick

„Übrigens möchte ich dem Hagener International Office sehr für die aktive Unterstützung bei der Umsetzung der ERASMUS-Förderung der Sommerschule danken. Wir sehen hier eine Perspektive, das Projekt ‚Bioethik im Kontext‘ langfristig fortzusetzen und expandieren zu lassen“, sagt Hoffmann. Es gebe auch bereits Pläne für das nächste Jahr: Die elfte Sommerschule „Bioethik im Kontext“ soll in Thessaloniki in Griechenland stattfinden. Thema wird dabei die Frage sein, welche bisher noch unerschlossenen Ressourcen für die Bioethik in Texten der philosophischen Tradition schlummern könnten – von der Antike an bis in die Neuzeit hinein.

Lehrgebiet Philosophie II | 10.05.2024