Präsenzveranstaltung

Thema:
Karl IV. – mitteleuropäische Herrschaft im Umbruch
Veranstaltungstyp:
Präsenzveranstaltung
Zielgruppe:
BA KuWi: Modul G2; Modul G3; MA EuMo: Modul 1E; Modul 2E; weitere Interessierte auf Anfrage
Ort:
Nürnberg
Adresse:
Campus Nürnberg
Termin:
23.02.2017 bis
25.02.2017
Zeitraum:
Donnerstag, 23.2.2017, 16:00 - 21:00 Uhr
Freitag, 24.2.2017, 9:00 -18:00 Uhr
Samstag, 25.2.2017, 9:00 -16:00 Uhr
Leitung:
Prof. Dr. Schmieder
Anmeldefrist:
bis 06.12.2016
Anmeldung:
Falls Sie Interesse an einer nachträglichen Anmeldung haben, könnten wir Sie auf die Warteliste setzen. Bitte melden Sie sich in diesem Fall bei Prof. Schmieder.
Auskunft erteilt:
Prof. Dr. Felicitas Schmieder , E-Mail: felicitas.schmieder , Telefon: +49 2331 987-2120
Irmgard Hartenstein , E-Mail: irmgard.hartenstein , Telefon: +49 2331 987- 4752

Das 14. Jahrhundert galt lange Zeit als Krisenjahrhundert. Zeitgleich war das mitteleuropäische Gebiet von einer deutlichen Klimaverschlechterung und verschiedenen Naturkatastrophen betroffen. Es gab Erdbeben, dauerhafte Regenfälle mit immensen Überschwemmungen und unzähligen Toten. Die Folge waren Hungersnöte durch Missernten, zudem fielen Heuschreckenschwärme über das Gebiet herein und im damaligen Kontext wohl die schlimmste Katastrophe, der „Schwarze Tod“, breitete sich in mehreren epidemischen Wellen aus. Ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung wurde durch die Epidemien ausgelöscht, was massive Verschiebungen zwischen Land und Stadt zur Folge hatte, bspw. gehörten Geißlerzüge und Judenverfolgungen in der Mitte des Jahrhunderts zu den sozialen Reaktionen. Beide Universalmächte sahen sich existentiellen Herausforderungen gegenüber: Die Päpste amtierten im "Exil" in Avignon (1308-1378) auf dem Gebiet des Heiligen Römischen Reiches, aber realpolitisch unter Kontrolle des immer mächtiger werdenden französischen Königtums und an der Spitze einer Kirche, die sich immer stärker nicht zuletzt moralischer Kritik ausgesetzt sah. Das Kaisertum war nach einem halben Jahrhundert Vakanz immerhin seit 1312 mit dem Luxemburger Heinrich VII. (dem Großvater Karls IV.) wieder besetzt worden, aber König Ludwig der Bayer († 1347) war 1314 aus einer die unüberbrückbare Uneinigkeit im Reich demonstrierenden Doppel-Königswahl hervorgegangen und seit 1324 mit dem Kirchenbann belegt, was sein Kaisertum (seit 1328) belastete und auch sein Umfeld spaltete. Im Inneren des Reiches unterstützten Städtebünde, die im sog. Interregnum des 13. Jh. entstanden waren, nach den Vorbildern der italienischen Stadtrepubliken den Einfluss der neuen politischen Kraft des städtischen Bürgertums, und es konsolidierten mehr und mehr Fürsten und Herren ihre Macht und organisierten selbstbewusster und zielstrebiger ihre eigenen Territorien. Die größten geschlossenen Landesherrschaften entstanden eher im Osten des Reiches und auf sie stützten sich die großen Dynastien, die im 14. Jh. um die Reichskrone rangen: die Luxemburger, Wittelsbacher und Habsburger. Waren die Habsburger schon im 13. Jh. durch erfolgreiche Hausmachtpolitik und die Gewinnung Österreichs aufgestiegen und konnten die Wittelsbacher sich auf das reiche Bayern und das vornehme Kursfürstentum der Pfalz stützen, so gelang vor allem den Luxemburgern im 14. Jh. eine äußerst erfolgreiche Hausmachtpolitik: Aus dem Westen des Reiches mit starken Verbindungen nach Frankreich kommend erwarben sie die Kurfürstentümer Böhmen und Mark Brandenburg (und sollten im 15. Jh. noch die Krone Ungarn und damit die Osmanenabwehr erben) und traten bald in die Fußstapfen der mitteleuropäischen Erwerbspolitik des Přemysliden-Herzogs Přemysl Otakar II., der angestrebt hatte, eine Landbrücke zwischen Ostsee und Adria zu errichten.

In diese schwierige Epoche wurde Karl IV. am 14. Mai 1316 in Prag geboren und auf den böhmischen Heiligen „Wenzel“ getauft. Er war der erstgeborene Sohn Johanns „des Blinden“ aus dem Hause Luxemburg (*1296–†1346) und Elisabeth, der böhmischen Přemysliden-Erbin (*1292–†1330). Als Kind wurde Karl zur Erziehung (1323–1330) an den Hof des französischen Königs Karls IV. entsandt, der ihm seinen Namen übertrug. Die weitere Ausbildung übernahm sein Großonkel Balduin, Erzbischof von Trier. 1346 war er der Kandidat der Unzufriedenen, die einen Gegenkönig gegen Ludwig den Bayern wählten, 1347 folgte er seinem Vater als König von Böhmen. 1349 wurde er nach dem Tod der Konkurrenten erneut und zum alleinigen römischen König gewählt, 1355 und 1365 folgten die Kaiserkrönung und die zum König von Burgund.

Karl IV. agierte geschickt und erweiterte den luxemburgischen Besitz und Einflussbereich durch seine eigenen vier Ehen mit Blanche de Valois (*um1316-†1348), Anna von der Pfalz (*1329-†1353), Anna von Schweidnitz (*1339-†1362) und Elisabeth von Pommern (*um 1345-†1393) sowie durch geschickte Heiratsallianzen für seine Nachkommen. Karl griff konsolidierend in die Reichsverfassung ein, indem er in der sog. „Goldene Bulle“ von 1356 ältere und jüngere Gebräuche um die Königswahl, -krönung und -regierung schriftlich festhalten ließ. Festgelegt wurde hier nicht nur das Kollegium der sieben Kurfürsten, das nicht zuletzt für die Krone Böhmen einen dauerhaften Einfluss im Reich festlegte, sondern auch der Wahlort (Frankfurt), der Krönungsort (Aachen) und der Ort des ersten Reichstages: Nürnberg, wo 1355 der Reichstag zusammengetreten war, auf dem die Goldene Bulle entstand.

Nürnberg war auch darüber hinaus ein wichtiger Stein in Karls Reichsgebäude: Nürnberg war der Knotenpunkt vieler Handelswege und zentrale Station auf dem Weg, den Karl sich von Prag nach Frankfurt und Aachen offenzuhalten bestrebt war. Als Stadtherr der Reichsstadt Nürnberg gewann Karl deren starke Loyalität durch seine Privilegien und Unterstützung. Unter anderem wurde Nürnberg die Handels- und Zollfreiheit der Prager Bürger zugestanden. In Nürnberg zeigt sich – neben Karls wichtigsten Residenzen in Prag und in Tangermünde in der Mark Brandenburg – auch Karls prägender Einfluss auf die Kunst und Kultur der Epoche, wobei für ihn dabei stets der Heiligen- und Reliquienkult im Vordergrund stand. Die heutige Nürnberger Frauenkirche wurde nach der Kaiserkrönung zur „kaiserlichen Hofkapelle“ erhoben und die Patrone Böhmens, der Hl. Wenzel und die Hl. Ludmilla, bekamen ihren festen Platz.

2016 jährt sich Karls Geburt zum 700. Mal und dies wurde unter anderem mit einer Ausstellung begangen, die nacheinander in Prag und in Nürnberg stattfand bzw. -findet. Aus diesem Anlass wollen wir uns mit den Möglichkeiten und Grenzen von Karls Herrschaft in Mitteleuropa beschäftigen. Der Terminus "Mitteleuropa" oder auch Zentraleuropa ist ein moderner Begriff und kann geographisch nicht eindeutig definiert werden. Dieses mitteleuropäische Gebiet lässt sich aber kulturhistorisch, politisch oder naturräumlich einordnen. Zudem unterliegt die Auffassung des Begriffs dem geschichtlichen und politischen Wandel: Im 14. Jahrhundert markieren etwa konkurrierende herrschafts-repräsentative Universitätsgründungen in Prag, Wien, Krakau, Kulm und Pécs einen mitteleuropäischen Raum. Nicht zuletzt hat das Mitteleuropa-Konzept nach 700 Jahren erneut große politische Aktualität gewonnen, was eines der Themen sein soll, mit denen wir uns auseinandersetzen werden. Die Tatsache, dass die PV in Nürnberg stattfindet, werden wir nicht nur zu einem Besuch der Ausstellung und einer Auseinandersetzung mit ihr nutzen, sondern auch einer näheren Betrachtung der Stadt und relevanter Punkte in ihr.

Die Veranstaltung ist teilnahmebeschränkt; die für den Besuch der Ausstellung entstehenden Kosten werden von den Teilnehmern getragen.

Empfohlene Literatur:

Bauch, Martin, Divina favente clemencia. Auserwählung, Frömmigkeit und Heilsvermittlung in der Herrschaftspraxis Kaiser Karls IV., Köln – Weimar – Wien 2015

Diefenbacher, Michael, Kleine Nürnberger Stadtgeschichte, Regensburg 2012

Hoensch, Jörg K., Die Luxemburger. Eine spätmittelalterliche Dynastie gesamteuropäischer Bedeutung 1308-1437, Stuttgart 2000

Kintzinger, Martin, Karl IV. (1346-1378). Mit Günther von Schwarzburg (1349), in: Die Deutschen Herrscher des Mittelalters. Historische Portraits von Heinrich I. bis Maximilian I. (919-1519), hrsg. von Bernd Schneidmüller/ Stefan Weinfurter, München 2003, 408-32

Seibt, Ferdinand, Europa 1400: die Krise des Spätmittelalters, Stuttgart 1984

Kaiser Karl IV. Staatsmann und Mäzen. Katalog der Ausstellung in Nürnberg und Köln 1978/79, hg. von Ferdinand Seibt, München 21978

Irmgard Hartenstein | 09.04.2024