Barbarossa in Westfalen und die Erinnerung durch die Zeiten

Jubiläen bestimmen seit einigen Jahrzehnten in zunehmendem Masse die Kultur-Kalender. Die Frage, weshalb man wie und wo was erinnert, muss Historiker ebenso umtreiben wie die Suche nach den Fakten zu den erinnerten Ereignissen, Personen, Orten. Das Interesse an den „Erinnerungsorten“ (Lieux de mémoire), seien diese nun lokal, national oder europäisch erfahrbar, treibt die historische Zunft seit einiger Zeit um und es ist mehr als nur eine Mode, stellt es doch grundsätzliche Fragen und Ansprüche an unsere Arbeitsweise und unsere Ergebnisse.

Im Jahr 2022 jährte sich zum 900. Mal der Geburtstag eines der in Deutschland meist-erinnerten Kaiser, nachdem bereits ein Jahr zuvor der Anfänge des Prämonstratenserordens und seines Gründers Norbert von Xanten gedacht worden war. Für ihn wurde eines der ersten Klöster von Gottfried von Cappenberg 1122 gestiftet – dessen Bruder Otto wiederum als Taufpate Barbarossas erinnert wird. Der sog. Cappenberger Kopf wurde lange als Portrait des staufischen Kaisers angesprochen. Kloster Cappenberg wiederum ist einerseits ein sehr traditionelles Adelskloster, gestiftet aus einer Stammburg, zudem als Doppelkloster, in dem nicht nur Gottfried selbst, sondern auch seine Frau und seine Schwester lebten. Wir greifen mit Cappenberg, den Cappenbergern, Barbarossa und Norbert eine weit über den westfälischen Raum hinausgehende und zugleich dort verortete zeittypische Gemengelage von Kirchenreform und adeliger Frömmigkeit.

Auf vier Ebenen soll das Seminarthema dementsprechend aufgegriffen werden:

• der bei näherem Hinsehen in sich widersprüchlich wirkende und gerade deshalb in die Zeit passende „Orden“ der Prämonstratenser
• der westfälische Adel und sein Versuch, mit der neuen Zeit, in der Schwert und Kreuz neue Wege der Kooperation fanden, zurecht zu kommen
• und die Erinnerung, die die Zeitgenossen damals und wir heute pflegten und pflegen, manifestiert im Cappenberger Kopf ebenso wie in der Jubiläums-Ausstellung in Cappenberg und Münster oder der jüngst in Cappenberg (heute wieder ein Adelsschloss) errichteten „Stauferstele“
• Und natürlich muss bei alledem auch das über die Jahrhunderte je zeitgebundene Bild Barbarossas in den Blick kommen und reflektiert werden.

Doppelausstellung online

14.9.2022-5.2.2023 „Das Vermächtnis von Cappenberg“

28.10.2022-5.2.2023 Münster: „Die Kunst der Herrschaft“

Für diejenigen, die anschließend noch Lust und Zeit haben: Ab 14:00 besuchen wir die ergänzende Ausstellung im Landesmuseum in Münster (je nach Anzahl der Teilnehmer und verfügbaren Mitfahrplätzen organisieren wir eine Auto- oder Zugfahrt).

Zur Einführung empfohlene Literatur:

- Barbarossa und die Prämonstratenser, Göppingen 1989

- Bomm, Werner, Neue Lebensmodelle in einer funktionalen Gesellschaft: Die Prämonstratenser im 12. Jahrhundert, in: Weinfurter, Stefan/ Siefarth, Frank Martin (Hg.), Macht und Ordnungsvorstellungen im hohen Mittelalter. Werkstattberichte, Neuried 1989, 169-191

- Cornelißen, Christoph (2012): Erinnerungskulturen. In: Docupedia-Zeitgeschichte online [25.10.2022]

- Görich, Knut, Friedrich Barbarossa. Eine Biographie, München 2011

- Leinsle, Ulrich G., Die Prämonstratenser, Stuttgart 2020

- Schreiner, Klaus, Mönchsein in der Adelsgesellschaft des hohen und späten Mittelalters: klösterliche Gemeinschaftsbildung zwischen spiritueller Selbstbehauptung und sozialer Anpassung, München 1989 = online-pdf

- Siebeck, Cornelia (2017): Erinnerungsorte, Lieux de Mémoire. In: Docupedia-Zeitgeschichte 02.03.2017 online [25.10.2022]

- Weinfurter, Stefan, Mythos Barbarossa online