Die Akzeptanz von digitalen Gesundheitsanwendungen durch die ältere Generation – ein multiperspektivischer Ansatz
Ansprechpartnerin: Jennifer Kendziorra
Das Potenzial der Digitalisierung des Gesundheitswesens ist breit gefächert und mit Vorteilen für alle Beteiligten im Gesundheitswesen verknüpft, insbesondere im Hinblick auf eine verbesserte Versorgungsqualität und Kosteneinsparungen. In Deutschland wird einer flächendeckenden Nutzung der elektronischen Patientenakte (ePA) das größte Nutzenpotenzial unter den Gesundheitstechnologien zugeschrieben (Hühne, 2022). Seit Anfang 2021 hat jede*r gesetzlich Versicherte in Deutschland die Möglichkeit, die ePA zu nutzen. Dabei handelt es sich um eine Akte, in der die medizinischen Befunde und Berichte einer Person digital gespeichert sind und auf die alle berechtigten medizinischen Leistungserbringer zugreifen können, wobei der einzelne Patient die Hoheitsrechte hat (Bundesministerium für Gesundheit, o.D.). Die verschiedenen Funktionen der ePA würden viele Vorteile mit sich bringen, da Anamnese und Medikationspläne von allen Ärzten eingesehen werden können, was zu einer höheren Qualität der Gesundheitsversorgung führen kann.
Allerdings sind die Akzeptanz- und Nutzungsraten der ePA noch sehr gering, und damit auch der potenzielle Nutzen. Daher sieht ein aktueller Gesetzesentwurf vor, dass die ePA ab 2024 automatisch für alle Bürger*innen aktiviert wird und dass man dieser Aktivierung aktiv widersprechen muss, wenn man diese nicht nutzen möchte (gematik, n.d.). Man verspricht sich von diesem Opt-Out-Ansatz eine Erhöhung der Nutzerzahlen. Aufgrund der mit zunehmendem Alter häufiger auftretenden Multimorbidität kann die Nutzung der ePA insbesondere für ältere Menschen von Vorteil sein. Jedoch können Faktoren wie mangelnde digitale Kompetenzen oder ein Fehlen digitaler Tools, Angst vor Computern und Widerstand gegen Veränderungen als Barrieren für die Nutzung von (Gesundheits-)Technologien für die ältere Generation angeführt werden (z. B. Chen & Shou 2014; Hoque 2017). Forscher*innen haben herausgefunden, dass Familienmitglieder häufig in spezifische Technologieentscheidungen älterer Menschen eingebunden sind (Luijkx, 2015). Es ist jedoch wenig darüber bekannt, wo und wie genau die Akzeptanz und Nutzung digitaler Gesundheitstechnologien bei älteren Menschen durch soziale Kontakte beeinflusst wird.
Da ein Verständnis dieser Dynamiken helfen könnte, Ansätze zur Steigerung der effektiven und langfristigen Nutzung in dieser Gruppe zu finden, wird dieses Forschungsprojekt auf der Grundlage etablierter Forschungsergebnisse neue Erkenntnisse liefern. In der Vergangenheit wurden im Laufe der Zeit verschiedene Theorien und Modelle entwickelt, die zu erklären versuchen, warum Menschen eine bestimmte Technologie annehmen oder nicht annehmen, wie z.B. das Technology Acceptance Model (TAM) und die Unified Theory of Acceptance and Use of Technology (UTAUT). Im Laufe der Jahre wurden diese Modelle weiterentwickelt, modifiziert und in verschiedenen Kontexten angewendet (z. B. M. K. Lee et al., 2005; Aggelidis & Chatzoglou, 2009). Diese Modelle neigen jedoch dazu, sich auf Einstellungen und Absichten zu einem bestimmten Zeitpunkt zu konzentrieren und ignorieren oft den gesamten Adoptionsprozess einer Technologie, der aus verschiedenen Einstellungen und Erfahrungen vor, während und nach der Adoption besteht (Wang et al., 2018), sowie die Unterschiede zwischen Nutzung und effektiver Nutzung (Burton-Jones & Grange, 2013).
Daher zielt dieses Forschungsprojekt darauf ab, die aktuelle Technologieakzeptanzforschung im Kontext von digitalen Gesundheitstechnologien für ältere Personen zu erweitern. Zu diesem Zweck wird die ePA als Hauptforschungskontext dienen.
Es lassen sich vier vorläufige Forschungsziele ableiten, die gemäß des Mixed-Methods Ansatz mit verschiedenen Forschungsmethoden bearbeitet werden:
- Literaturrecherche, um den aktuellen Stand der Forschung zum Einfluss sozialer Kontakte auf die Technologieakzeptanz digitaler Gesundheitstechnologien bei älteren Personen zu analysieren
- Qualitative Erfassung des dyadischen Prozesses der Akzeptanz und Nutzung von Gesundheitstechnologien durch ältere Personen und soziale Kontakte
- Ableitung und Erstellung verschiedener Profile potenzieller Nutzergruppen mit individuellen Bedürfnissen und Präferenzen, die mit unterschiedlichen Strategien adressiert werden sollten
- Untersuchung der Faktoren, die zu einer effektiven Nutzung der ePA durch ältere Personen führen (z. B. durch eine vergleichende, länderübergreifende Studie)
Quellen
Aggelidis, V. P. & Chatzoglou, P. D. (2008). Using a modified technology acceptance model in hospitals. International Journal of Medical Informatics. 78, 115-126.
Bundesministerium für Gesundheit (n.d.). Die elektronische Patientenakte (ePA). https://www.bundesgesundheitsministerium.de/elektronische-patientenakte.html.
Burton-Jones, A. & Grange, C. (2013). From Use to Effective Use: A Representation Theory Perspective. Information Systems Research. 24-3. 632-658.
Chen, K. & Shou Chan, A. H. (2014). Gerontechnology acceptance by elderly Hong Kong Chinese: a senior technology acceptance model (STAM), Ergonomics, 57:5, 635-652
gematik (n.d.) ePA. Accessed in: https://www.gematik.de/anwendungen/e-patientenakte.
Hoque, R. & Sorwar, G. (2017). Understanding factors influencing the adoption of mHealth by theelderly: An extension of the UTAUT model. International Journal of Medical Informatics 101 (2017) 75–84.
Hühne, P. (2022). Digitalisierung im Gesundheitswesen: die 42-Milliarden-Euro-Chance für Deutschland. McKinsey&Company. Accessed in: https://www.mckinsey.de/news/presse/2022-05-24-42-mrd-euro-chance.
Lee, M., Cheung, C. M.K., Chen, Z. (2005). Acceptance of Internet-based learning medium: the role of extrinsic and intrinsic motivation. Information & Management. 42, 1095-1104.
Luijkx, K., Peek, S., Wouters, E. (2015). Grandma, You Should Do It – It’s Cool” Older Adults and the Role of Family Members in Their Acceptance of Technology. International Journal of Environmental Research and Public Health. 12. 15470-15485.
Wang, K. H., Chen, G., Chen, H. (2018). Understanding technology adoption behavior by older adults. Social behavior and personality. 46-5, 801-814.