Gespräche am Tor - Karlsruher Begegnungen zu Wissenschaft, Politik und Kultur
Erinnerung an die badische Revolution 1918/19
Der Karlsruher Rechtsanwalt Ludwig Haas als badischer Innenminister
13. Februar 2019, 18 Uhr
Prof. Dr. Ewald Grothe
Flyer zur Veranstaltung (PDF 976 KB)
Das Wirken eines deutschen Juden und Kämpfers für die Weimarer Demokratie
Der Karlsruher Rechtsanwalt Ludwig Haas (1875-1930) hatte maßgeblichen Anteil am verhältnismäßig geordneten und friedlichen Verlauf der badischen Revolution von 1918/19. Anlässlich deren 100. Jahrestages würdigte Prof. Dr. Ewald Grothe (Leiter des Archivs des Liberalismus der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, Gummersbach) in den „Gesprächen am Tor“ das Wirken dieses in der Geschichte des südwestdeutschen Liberalismus herausragenden Akteurs.
Im Fokus des Vortrages stand das politische Engagement Ludwig Haas‘ in Karlsruhe, wo er im Rahmen der Provisorischen Volksregierung vom 10. November 1918 bis zum 1. April 1919 als badischer Innenminister amtierte und den sog. badischen Großblock aus Liberalen, Sozialdemokraten und Zentrum unterstützte, der in gewisser Hinsicht die spätere Weimarer Koalition auf Reichsebene vorwegnahm. In der Tat war „die badische Entwicklung in der Revolutionszeit in vielerlei Hinsicht Vorreiter für die nachfolgende Entwicklung im Reich“, konstatierte der Referent. Dies galt weiterhin für die Wahlen zur Verfassungsgebenden Nationalversammlung, bei denen Baden im Januar 1919 als erstes deutsches Land das Frauenwahlrecht einführte; schließlich war die von der badischen Nationalversammlung im März 1919 beschlossene Verfassung die einzige Landesverfassung der Weimarer Republik, die von einer Volksabstimmung bestätigt wurde. Anhand historischen Bildmaterials veranschaulichte Ewald Grothe den beruflichen und politischen Lebensweg Ludwig Haas‘, der sich nicht nur als Mitbegründer der Deutschen Demokratischen Partei in Baden und als führender Kopf der dortigen Provisorischen Volksregierung hervortat, sondern über die Revolution hinaus als Karlsruher Abgeordneter seiner Partei im Berliner Reichstag für die demokratische Entwicklung der Weimarer Republik eintrat. Deutlich machte der Vortrag auch, dass die jüdische Identität Haas‘ wesentlich zu seinem linksliberalen Engagement für die parlamentarische Demokratie, den Rechtsstaat und die Gleichberechtigung von Juden und Frauen beitrug, das von einer prinzipiellen, vom Kaiserreich bis zur Weimarer Republik praktizierten politischen Kompromissfähigkeit gekennzeichnet war.
Die anschließende Diskussion kreiste um die Haltung des dekorierten Kriegsfreiwilligen gegenüber Erstem Weltkrieg und Versailler Vertrag wie auch zu den nach der Revolution zutage tretenden, die erste deutsche Demokratie destabilisierenden „Weimarer Zuständen“. Auch trug das informierte Publikum manche persönliche Facette zum Lebensportrait Haas‘ bei. Insgesamt bot die Veranstaltung somit ein geeignetes Forum für die erhöhte Aufmerksamkeit, die dem Karlsruher Rechtsanwalt und badischen Kämpfer für die Demokratie seit einiger Zeit in der Stadtöffentlichkeit – nicht zuletzt durch eine aktuelle Initiative zur Straßenumbenennung – zuteil wird.
Ewald Grothe, geb. 1961, ist seit 2009 außerplanmäßiger Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Bergischen Universität Wuppertal und seit 2011 Leiter des Archivs des Liberalismus der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (Gummersbach). Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Verfassungsgeschichte, der Wissenschaftsgeschichte, der politischen Ideengeschichte und der Brüder Grimm.
Publikationshinweis:
Ewald Grothe/Aubrey Pomerance/Andreas Schulz (Hg.), Ludwig Haas. Ein deutscher Jude und Kämpfer für die Demokratie, Düsseldorf 2017.