Fasten 2020

Eine Studie zu spätmodernen Fastenzeiten

Bild: Anna Kurzaeva/Getty Images

Insbesondere vor Ostern, in der Adventszeit oder im Ramadan starten viele Menschen in eine Fastenzeit. Für mehrere Wochen verzichten sie dann auf bestimmte Nahrungsmittel, Genussmittel oder Konsumgüter. Während der vorösterlichen Fastenzeit 2020 wurden 1.908 Personen online nach ihren Fastenpraktiken befragt.

Die Mehrheit fastet regelmäßig

72,4 Prozent der Befragten verfügen über Fastenerfahrungen: 58,7 Prozent haben bereits mehrfach in ihrem Leben gefastet, 13,7 Prozent einmal. 16,7 Prozent der Befragten haben zwar noch nie gefastet, zeigen aber ein Fasteninteresse: 13,7 Prozent können es sich „durchaus vorstellen” und 4,0 Prozent wollen es „unbedingt einmal ausprobieren”. 10,9 Prozent der Befragten haben weder Fastenerfahrung noch Fasteninteresse.

Diagramm Fastenerfahrung Abbildung: Patrick Heiser
Fastenerfahrung. N=1.908. Angaben in Prozent.

Am häufigsten wird auf Genussmittel verzichtet

Die Fastenerfahrenen wurden danach befragt, worauf sie während ihrer letzten Fastenzeit verzichtet haben; die Fasteninteressierten danach, worauf sie in einer möglichen Fastenzeit verzichten wollen. Am häufigsten wird auf Genussmitten verzichtet. Hierzu zählen in erster Linie Süßigkeiten und Alkohol, mit einigem Abstand aber auch Rauchen, Drogen und Kaffee. Insgesamt geben 86,1 Prozent der Befragten an, auf mindestens eines dieser Genussmittel verzichtet zu haben bzw. verzichten zu wollen. Auffällig sind diesbezüglich die Unterschiede zwischen Fastenerfahrenen und Fasteninteressierten: Auf Süßigkeiten will man offenbar häufiger verzichten als man es tatsächlich tut; auf Alkohol hingegen haben die Fastenerfahrenen bereits häufiger verzichtet als es die Fasteninteressierten vorhaben.

Deutlich seltener wird auf Nahrungsmittel verzichtet. Hierzu zählen traditionell Fleisch, aber neuerdings auch Kohlenhydrate oder gar feste Nahrung im Allgemeinen. Insgesamt 13,8 Prozent der Befragten haben darüber hinaus auf den Konsum von Medien verzichtet bzw. wollen dies tun. Hierzu zählen das sogenannte ‚Datenfasten‘, also der (weitgehende) Verzicht auf private Computer- und Internetznutzung, sowie der Verzicht auf Fernsehen. In Bezug auf derartige Medien sind die Unterschiede zwischen Fastenerfahrenen und Fasteninteressierten am augenfälligsten: Nur 10,4 Prozent der Fastenerfahrenen geben an, während ihrer letzten Fastenzeit tatsächlich auf Medien verzichtet zu haben, 28,5 Prozent der Fasteninteressierten geben an, dies in ihrer nächsten Fastenzeit tun zu wollen. Dies kann als Hinweis darauf verstanden werden, dass es sich bei Fasteninteressierten um ein nachwachsende Generation von Fastenden handelt, die neue Verzichtsoptionen in die tradierte Praxis des Fastens einbringen. Dies trifft auch auf eine vierte Verzichtsgruppe zu: den Verzicht auf Umweltschädigung. Hierzu zählen der Verzicht auf Autofahren und derjenige auf tierische Produkte.

In der Kategorie ‚Sonstiges‘ werden schließlich Nahrungsmittel, Konsumgüter und Praktiken zusammengefasst, auf die weniger als ein Prozent der Befragten während ihrer Fastenzeit verzichtet haben bzw. verzichten wollen. In Bezug auf die Ernährung wurde jeweils mehr als einmal der Verzicht auf Gluten, Fett, Salz, Fastfood, Softdrinks, verarbeitete Lebensmittel, reichhaltiges Essen, Frühstück und Abendbrot genannt. In Bezug auf das Konsumverhalten wurde mehrfach der Verzicht auf Shoppen, Veranstaltungsbesuche, Restaurantbesuche, Fliegen, Plastik, Produkte von Nestlé, Fernsehkrimis und Hörbücher genannt. In Bezug auf spezifische Praktiken: Grübeln, Hektik, Lästern, Meckern, Lügen, Streiten, Faulheit, Telefonieren, Benutzung von Aufzügen und Rolltreppen, Musik, Sex und Masturbation. Hier zeigt sich ein weites Spektrum individueller Fastenpraktiken – die jedoch im Vergleich zum klassischen Verzicht auf Genuss- und Nahrungsmittel eine deutlich untergeordnete Rolle spielen.

Diagramm Verzicht Abbildung: Patrick Heiser
Worauf verzichtet wird. N=1.700. Angaben in Prozent. Mehrfachantworten möglich.
Dr. Patrick Heiser Foto: Volker Wiciok

Dr. Patrick Heiser

Leiter der Studie

E-Mail: patrick.heiser

Telefon: +49 2331 987-4745

Weitere Informationen

Patrick Heiser | 08.04.2024