Promotionsprojekt
Seier, Maria:
Kaiserferner Norden? Die Beziehungen der Hanse zu Kaiser und Reich
- Projektleitung:
- Prof. Dr. Felicitas Schmieder
- Mitarbeitende:
- Status:
- laufend
Abstract:
"Kaiserferner Norden? Die Beziehungen der Hanse zu Kaiser und Reich"
In der historischen Forschung finden sich nur wenige Themenfelder, die vergleichbar umfassend wie die Hansegeschichte und die Geschichte des mittelalterlichen Reichs für politische Diskurse und Ideologien vereinnahmt und zur Projektionsfläche visionärer Ideen oder gesellschaftlicher Defizite wurden – sei es die Expansionspolitik der Nationalsozialisten gen Nord- und Osteuropa, die mit der Herausbildung der »deutschen« Hanse im Mittelalter legitimiert wurde, sei es die Projektion obrigkeitlicher, autoritärer Vorstellungen von Staatlichkeit auf das mittelalterliche Reich, um hier nur zwei Beispiele herauszugreifen. Einigkeit bestand in der Forschung durchgängig darin, dass es sich bei Hanse und Reich um zwei voneinander völlig getrennte Entitäten gehandelt habe, wobei die Hanse im Norden entlang von Nord- und Ostsee verortet wurde und Kaiser und Reich im Süden präsent waren. Diese Einigkeit in der Schaffung homogener Geschichtsräume eines Nord- und Süddeutschlands muss aufmerken lassen und dies umso mehr, wenn man berücksichtigt, dass z.B. im städtischen Bewusstsein Lübecks über Jahrhunderte nicht das Wirken als Haupt der Hanse, sondern das Wissen um bzw. die Bezugnahmen auf den verfassungsrechtlichen Status als Reichsstadt tonangebend waren. Erst im 19. Jh. kam es hier zu einer Verschiebung in Richtung Hanse, just zu der Zeit, als die Geschichtswissenschaft ihre Deutungsmuster der getrennten Welten von »Hanse« und »Reich« vorzulegen begann. In der Folge ist die Verankerung Lübecks im Reich als identitätsstiftendes Merkmal zunehmend ins Hintertreffen geraten.
Hier wieder anzuknüpfen, den Beziehungen, Verflechtungen, gegenseitigen Interessen und (Un)Abhängigkeiten zwischen der Hanse einerseits und Kaiser und Reich andererseits nachzugehen und jeweils wissenschaftlich einzuordnen, steht im Zentrum des Dissertationsprojekts. In welchen Bereichen (Kommunikation mit Kaiser bzw. kaiserlichem Hof, Gerichtsbarkeit, politische Versammlungen auf Reichsebene, Beteiligung an Kriegszügen und den Finanzen des Reichs etc.) kam es zu Kontakt? Von wem ging das Interesse aus, seitens des Reichs bzw. des Kaisers oder vonseiten hansestädtischer oder gar „hansischer“ Akteure? Wer waren die jeweils treibenden Kräfte (städtischer Rat, Hansetag, hansische Kontore, einzelne Kaufleute, Kaiser, Reichskanzlei, andere Reichsstädte) und wie gestaltete sich der Austausch? Diesen Fragen soll anhand einer möglichst breit gestreuten Auswahl an Fallbeispielen aus dem 15. Jh. nachgegangen und die Austauschbeziehungen zwischen Hanse und Reich in ihrer Vielfalt aus den Quellen herausgearbeitet werden.